Cannabis-Aktien: Anleger im Rausch
Der Hype um das Hanf
Dass Marihuana mehr und mehr sein Schmuddelimage verliert, ist schon seit zehn Jahren zu beobachten. Den Startschuss gab, dass Kanada als erstes Industrieland überhaupt 2011 den medizinischen Gebrauch von Cannabis legalisierte. Viele Firmen nutzten die Chance und konzentrierten sich auf den Anbau und Betrieb von medizinischem Gras, das wiederum in andere Länder exportiert wurde. Der gewaltige Boom sollte 2017 folgen: In diesem Jahr beschloss das nordamerikanische Land die Komplett-Legalisierung von Cannabis - fortan konnte unbegrenzt angebaut, gekauft und konsumiert werden.
Hinter der einzigartigen Lockerung stand die Hoffnung der kanadischen Regierung, auf diesem Wege dem illegalen Drogenhandel das Geschäft zu vermiesen. Auch einige US-Bundesstaaten haben Cannabis schon für den Freizeitgebrauch zugelassen, darunter Kalifornien, Washington, Colorado und Nevada. Profitiert haben von den Lockerungen vor allem sie: die vielen Hanf-Unternehmen, die durch die Legalisierung plötzlich an Bankkredite und Investorenhilfen für den Börsengang kamen - und damit jede Menge frisches Kapital einsammeln konnten. Und die Anleger waren in Kauflaune: Die Kurse vieler Hanf-Firmen gingen ab 2017 durch die Decke, bevor sie ein paar Monate später wieder einbrechen sollten. Doch dazu später mehr.
Medizinisches Gras aus Deutschland
Hierzulande steckt das (legale) Geschäft mit den Blüten vergleichsweise noch in den Kinderschuhen. Verändert hat sich aber doch etwas: Seit 2017 ist es auch in Deutschland erlaubt, Cannabis zu medizinischen Zwecken zu verkaufen - in vielen Fällen übernimmt sogar die Krankenkasse die Kosten für das Arzneimittel. Der Cannabis-Boom konnte damit auch hierzulande starten. Knapp 120 Millionen Euro Umsatz wurden laut dem GkV-Spitzenverband im Jahr 2019 bundesweit mit medizinischem Gras erwirtschaftet. Mehr als 50 Cannabis-Unternehmen konkurrieren inzwischen auf dem deutschen Markt.
Bislang wird das Gras jedoch vor allem aus dem Ausland importiert. Einzig die drei Firmen Aphria, Aurora und Demecan haben bisher vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Erlaubnis bekommen, ihr Cannabis auch auf deutschem Boden anzubauen. Die Firma Aphria beispielsweise betreibt in Schleswig Holstein auf knapp 6.000 m2 eine Indoor-Plantage zum Anbau von medizinischem Cannabis.
Cannabis als Lifestyle Produkt
Dass sich mit der Kraft der Marihuana-Pflanze jede Menge Geld machen lässt, haben längst auch die Wellness-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie gemerkt. Cannabisprodukte sind der letzte Schrei - und es gibt sie in Form von Öl, Mundspray, Cremes, Haarshampoo - oder ganz einfach als Gras zum Rauchen. Allerdings kommt hier nicht das berauschende THC zum Einsatz, sondern lediglich Cannabidiol (CBD), ebenfalls ein Bestandteil von Cannabis, der allerdings nicht “high” macht und auch kein Suchtpotenzial besitzt. Und so dürfen CBD-Produkte auch hierzulande verkauft werden - sei es in der Drogerie oder im Café, wo es den Latte Macchiato an mancher Ecke “mit Zusatz” gibt.
Die meisten CBD-Produkte versprechen eine beruhigende Wirkung oder Hilfe beim Einschlafen, teilweise werden sie auch als wahre Wundermittel angepriesen, die schmerzlindernd oder entzündungshemmend wirken sollen. Wie viel Placebo-Effekt hinter dem Ganzen steckt, ist noch nicht vollständig geklärt - bis auf wenige klinische Erprobungen stehen die Produkte noch auf dem Prüfstand.
2019: Als der Boom plötzlich abkühlte
So steil wie es mit den Kursen der neuen Börsenstars nach oben gegangen war (um teilweise 80%), so schnell sollte der Hype um die Blüten sich auch wieder legen. Nachdem sich der Markt mehr und mehr vergrößert hatte und sich vermehrt kleine Startups mit anderen Unternehmen gar zu Cannabis-Konzernen zusammengeschlossen hatten, konnten die neuen Player dann doch nicht die Erwartungen der Anleger erfüllen. Ernüchternde Quartalszahlen und ausbleibende Gewinne trotz massiver Finanzspritzen von Investoren trafen auf überbewertete Aktien, die Nachfrage ging rapide zurück. Einige Kurse verloren 96% und mehr.
Der nächste Cannabis-Frühling?
Lange sollte es nicht dauern, dass die Verluste der Branche vergessen waren und die Euphorie zurückkehrte. So haben sich die Kurse der größten Marktteilnehmer seit Ende 2020 teilweise mehr als verdoppelt. Und dafür dürfte es gleich mehrere Gründe geben:
- Die Legalisierung in den USA
Schon im Präsidentschafts-Wahlkampf hatte sich der gewählte Präsident der USA, Joe Biden, für die Legalisierung von Mariuhana ausgesprochen. Ebenso wie Vizepräsidentin Kamala Harris, die bereits einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den US-Senat eingebracht hat. Auch die Mehrheit der demokratischen Abgeordneten setzt sich dafür ein, Cannabis als gefährlich eingestufte Droge aus dem Betäubungsmittelgesetz zu streichen und damit einen regulierten Cannabis-Handel auf Bundesebene zu ermöglichen. Diese Aussicht auf eine baldige Legalisierung schlug sich deutlich an der Börse nieder. Seit Oktober letzten Jahres ist beispielsweise der Kurs des Rize Medical Cannabis Life Sciences ETF um 100% gestiegen.
- Hoffnung in den europäischen Markt
Auch wenn mehr und mehr europäische Unternehmen medizinisches Cannabis legalisieren: Eine Komplett-Legalisierung kommt für die meisten europäischen Staaten nicht infrage, auch wenn seit Jahren darüber debattiert wird. Einzig Luxemburg hat kürzlich angekündigt, Cannabis auch für den Privatgebrauch legalisieren zu wollen. Immerhin: CBD gilt laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGh) seit November 2020 nicht mehr als Betäubungsmittel, sofern der THC-Gehalt unter 0,2% liegt. Zumindest der Kosmetik- und Wellness-Branche, die das Cannabidiol als Lifestyle-Produkt vertreibt, beschert das also einen deutlichen Aufschwung.
- Fusion von zwei großen Playern
Ein Preistreiber war auch die vor Kurzem angekündigte Fusion zweier Cannabis-Riesen: Der kanadischen Firma Aphria, die auch eine Konzerntochter in Deutschland betreibt, mit dem US-amerikanischen Anbieter Tilray. Beide Konzerne gehören zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich des medizinischen Cannabis. Im Herbst 2021 nun soll die Fusion der einstigen Konkurrenten abgeschlossen sein. Seit die Pläne im Januar 2021 öffentlich wurden, konnte Tilray seinen Kurs auf fast 49€ verdoppeln - allerdings nur für wenige Tage. Inzwischen notiert ein Papier wieder bei knapp 22€.
Vorhersagen aus der Reddit-Gemeinde
Spätestens seit dem Hype um die Gamestop-Aktie hat so gut wie jeder schon mal von den “Wallstreetbets” gehört - einer Chat-Gemeinschaft, die auf dem Portal Reddit über Aktien und Daytrading diskutiert und den Markt - wie gesehen - ganz schön in Turbulenzen bringen kann, wenn sich genügend Reddit-Trader zusammenfinden, um konzertiert ein einziges Papier zu kaufen. Anfang Februar rückten offenbar Cannabis-Aktien in den Fokus der Hobby-Trader. Ein Nutzer hatte in dem Forum geschrieben, dass die Aktien der beiden Cannabis-Firmen Tilray und Aphria “viel Luft nach oben” hätten - 10.000 User unterstützten die Aussage mit einem Like. Analysten gehen davon aus, dass die jüngsten Kursanstiege der Cannabis-Riesen auch damit zusammen hingen.
Die größten Player in der Cannabis Branche
An die 200 Cannabis-Unternehmen sind inzwischen an der Börse notiert, darunter Züchter, Zulieferer, Hersteller von CBD- und Cannabis-Produkten sowie medizinische Forschungseinrichtungen. Zu den größten Playern gehört neben den Konzernen Tilray und Aphria auch das 2014 in Ontario, Kanada gegründete Unternehmen Canopy Growth, das seit Jahren einen starken Expansionskurs fährt.
Etwas breiter hat sich das US-amerikanische Hanfunternehmen Cronos aufgestellt. Neben der Forschung, der Produktion und dem Verkauf von medizinischen Cannabis-Produkten bedient Cronos auch den CBD-Markt.
Schon 2006 gründete sich das kanadische Unternehmen Aurora Cannabis. Heute ist der börsennotierte Konzern gemessen an seiner Marktkapitalisierung nach Canopy Growth und Aphria das drittstärkste Cannabis-Unternehmen der Welt und operiert in 24 Ländern auf fünf Kontinenten. Mit seinem deutschen Tochterkonzern erhielt Aurora ebenfalls in Deutschland die Genehmigung zum legalen Cannabis-Anbau.
Zwei Cannabis-ETFs
Zwei ETFs gibt es inzwischen auf Cannabis-Indizes, die sich beispielsweise auch von Deutschland aus handeln lassen. Den “HANetf The Medical Cannabis and Wellness UCITS ETF” und den “Rize Medical Cannabis & Life Sciences UCITS ETF”. Beide Indizes, auf denen die Fonds basieren, bilden vor allem Cannabis-Unternehmen aus dem Gesundheitssektor, also aus dem Bereich des medizinischen Cannabis ab.
Niedriges Fondsvolumen, wenig diversifiziert
Beide Indexfonds wurden erst Anfang 2020 aufgelegt - ihre Fondsvolumen betragen gerade mal um die 50 Mio. USD. Auch beim Rize Medical Cannabis & Life Sciences UCITS ETF liegt der Fokus klar auf US-amerikanischen Cannabis-Firmen (70%). Daneben investiert der Indexfonds zu 15% in britische Firmen, und zu kleinen Teilen auch in Länder wie Australien, Israel, die Schweiz oder Kanada.
Während der HANetf The Medical Cannabis and Wellness UCITS ETF in 33 Positionen investiert, darunter vor allem US-amerikanische Unternehmen (80%), zählt der Rize Medical Cannabis & Life Sciences UCITS ETF gerade mal 23 Titel. Von einer breiten Risikostreuung kann also in beiden Fällen nicht die Rede sein.
Fazit: Wie sinnvoll ist ein Investment in Cannabis-Aktien?
Wie schnell und vor allem steil es mit den Kursen von Cannabis-Aktien auf und ab gehen kann, haben die vergangenen vier Jahre eindrücklich gezeigt. Hinter vielen Investoren liegt eine Rallye der Gefühle, startete die Branche doch 2017 extrem euphorisch, bevor die Kurse kurze Zeit später in den Keller rauschten. Auch jetzt wieder lockt die Cannabis-Branche viele Anleger.
Und verständlich ist es in gewisser Weise schon: Ohne Frage hat sich hier ein Industriezweig entwickelt. Alleine in Kalifornien sind durch das Cannabis-Geschäft mehr als 80.000 Arbeitsplätze entstanden, während in Washington mittlerweile sogar mehr Steuern durch Cannabis als durch Alkohol eingenommen werden.
Entscheidend sind politische Entscheidungen
Der Markt besitzt Wachstumspotenzial - aber ob eben dieses in nächster Zeit ausgeschöpft werden kann, ist die entscheidende Frage. Denn damit die Unternehmen wirtschaftlich und produktiv arbeiten oder neue Länder und Geschäftsfelder wie den privaten Freizeitgebrauch von Cannabis erschließen könne, müssen nach wie vor viele regulatorische Hürden abgebaut werden. In den USA deutet alles darauf hin, dass die Gesetze weiter gelockert werden, während man beispielsweise in der EU vielerorts noch auf der Stelle tritt. Wie die politischen Entscheidungen der nächsten Jahre ausfallen werden, hat also einen großen Einfluss auf die Entwicklung von Cannabis-Aktien. Die Unsicherheit ist damit noch einmal stärker als in anderen Branchen.
Dazu handelt es sich bei der Cannabis-Industrie um einen sehr jungen Markt - und es bleibt nach wie vor abzuwarten, welche der Hunderten Unternehmen am Ende als die Gewinner aus dem aktuellen Konkurrenzkampf hervorgehen werden.
Allein auf einen Cannabis-ETF zu setzen, wäre eine reine Sektorwette und dadurch nicht geeignet für ein langfristiges Investment. Denn sollten beispielsweise die erhofften Legalisierungen nicht so bald kommen, würde das die gesamte Branche belasten. In einem Fonds einzig auf Cannabis-Unternehmen wären dann keine Werte enthalten, die die Verluste auffangen würden. Nicht ohne Grund stecken in Welt-Indizes bzw. ETFs Unternehmen aus vielen verschiedenen Sektoren wie Technologie, Biochemie, Energie, Fahrzeuge usw. Ein Cannabis-ETF als Beimischung zum ansonsten breit aufgestellten Portfolio könnte also eine Lösung für Anleger sein, die dennoch in die Branche investieren möchten. Doch egal, ob du in Cannabis-ETFs oder doch lieber in andere Wertpapiere investieren möchtest, du benötigst dafür ein Depot. Welches am besten zu dir passt, erfährst du in unserem Depot-Vergleich.
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