Neue Gebühren für Konto und Co. – Banken in Bedrängnis
Fast die Hälfte der Deutschen hat damit auf Scheine und Münzen verzichtet und stattdessen zur Karte gegriffen. Analysten führen das vor allem auf die Pandemie zurück - gilt das kontaktlose Bezahlen doch als deutlich hygienischer als das Hantieren mit Bargeld.
Es wird also ein Trend beschleunigt, der sich schon länger abzeichnet - und in dem auch die Geldhäuser selbst eine neue Einnahmequelle sehen: Mehr als 460 Hausbanken, darunter regionale Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, lassen sich das Bezahlen mit der Girocard nämlich inzwischen etwas kosten, wie eine Auswertung des Finanzportals Biallo im Mai 2020 ergeben hat. Bis zu 75 Cent schlagen einige Institute als Gebühren auf, oftmals ohne dass der Kunde es überhaupt merkt. Wie berechtigt sind solche Gebühren überhaupt? Und mit welchen weiteren Gebühren müssen Verbraucher auf dem Weg hin zur bargeldlosen Gesellschaft noch rechnen?
Fragen und Antworten: Kosten bei EC-Zahlungen
Bis zu 700€ im Jahr, um mit der Karte bezahlen zu dürfen? Ja, solche Gebühren sind möglich, wie das Finanzportal Biallo bei einer Untersuchung von rund 1.200 regionalen Geldhäusern festgestellt hat. Genauer: Fast die Hälfte der Institute verlangt inzwischen sogenannte “Buchungsgebühren” für Kartenzahlungen. Pro Lastschrift betragen die im Schnitt 35 Cent, einige Institute schlagen sogar 75 Cent pro Transaktion oben drauf.
Wer ist betroffen?
Kunden von überregionalen Geldhäusern wie der Commerzbank, der Deutschen Bank oder der deutschlandweiten Sparkasse können erst einmal beruhigt sein: Dort ist die Zahlung mit EC-Karte bislang noch kostenlos. Betroffen sind - wenn dann - Kunden, die ihr Girokonto bei einer regionalen oder lokalen Bank eröffnet haben. Und davon auch nicht alle. Entscheidend ist nämlich auch das Kontomodell.
“Zahlen Sie, soviel Sie wollen”
Klickt man sich durch die Preistabellen der lokalen Hausbanken, fällt schnell auf: EC-Zahlungen kosten dann Geld, wenn das Konto ansonsten eher günstig ist. Das betrifft meistens Basic-, Klassik- oder Individualkonten, bei denen 1-3€ pro Monat Kontoführungskosten anfallen. Vor allem Individualkonten verprechen hohe Flexibilität. Auf den Webseiten der Geldhäuser werden sie gern mit Werbephrasen wie “Bestimmen Sie selbst, was sie zahlen” oder “Zahlen Sie, soviel Sie wollen” angepriesen. Tatsächlich steckt dahinter nicht mehr als der Hinweis, dass für jede Lastschrift eine Gebühr fällig wird - während bei einem von vornherein teureren Konto die Dienstleistung inklusive ist.
342€ im Jahr bei der Berliner Stadtsparkasse
Die Berliner Sparkasse beispielsweise berechnet Kunden eines sogenannten “Individual-Kontos” für jede Zahlung mit der Girocard pauschal 30 Cent und liegt damit etwas unter dem Durchschnitt. Und dennoch: Wer dreimal am Tag mit der EC-Karte zahlt (zum Beispiel morgens die Brötchen, mittags den Kaffee und abends den Supermarkteinkauf) drückt dafür immerhin 27€ pro Monat an seine Bank ab. Aufs Jahr gerechnet sind das 324€ allein für die Kartenzahlungen. Kostenlos ist das Konto trotzdem nicht: Auch Überweisungen (online, per Telefon oder in der Filiale) kosten 30 Cent pro Durchführung, ebenso wie das Ein- und Auszahlen von Bargeld am Automaten. Hinzu kommen die Kontoführungsgebühren von 1€ monatlich.
Bei dem Classic Konto und dem Giro Digital der Berliner Sparkasse sind die Leistungen inklusive. Im Gegenzug schlagen die Konten mit monatlichen Gebühren von bis zu 7€ zu Buche. Alexander Greven, Pressesprecher der Berliner Sparkasse, rechtfertigt die Gebühren auf Anfrage so: “Wir bieten unseren Kundinnen und Kunden je nach Nutzungsverhalten drei Kontomodelle an. (...) Das Girokonto Individual wird von Kunden bevorzugt, die ganz bewusst je Transaktion abrechnen möchten”.
Wer viel überweist, sollte also eher die hohen Kontoführungsgebühren in Kauf nehmen und damit eine Art Flatrate buchen. Mit 7€ liegt die Sparkasse Berlin hier übrigens noch im Mittelfeld. Andere regionale Bankhäuser wie die VR Bank Bad Kissingen berechnen für das sogenannte Premium-Konto, mit dem tatsächlich alle Abbuchungen, Überweisungen, Lastschriften und sonstige Dienstleistungen umsonst sind, satte 17,90€.
Häufig sind die Kosten versteckt
So leicht einsehbar wie bei den genannten Beispielen sind die EC-Karten-Gebühren nicht immer, denn in vielen offiziellen Entgeltinformationen von Banken tauchen sie nicht auf. Stattdessen finden sie sich direkt auf dem Kontoauszug oder aber in den Tarifübersichten auf der Website. Die Bezeichnungen sind dort allerdings nicht einheitlich: Bei der lokalen Volksbank heißen die EC-Gebühren “Arbeitsposten”, bei der Stadtsparkasse “Buchungsposten”, “Gebühren für beleglose Buchungen” oder “Lastschrifteinzug”. Insgesamt sei nicht transparent, kritisiert das Verbraucherportal Biallo.
Warum diese Gebühren?
Die Banken sind unter Druck - und das nicht erst seit gestern. Schuld daran sind vor allem die Niedrigzinsen: Abgeschlossene Kreditverträge bringen keine Zinsen mehr ein, womit den Geldhäusern ihr Kerngeschäft weggebrochen ist. Gleichzeitig erhöhen sich die Kosten für die klassischen Banken, die mittlerweile Strafzinsen zahlen müssen, wollen sie ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Und dann ist da noch die junge, dynamische Konkurrenz aus Online-Banken und Fintechs wie N26 und Tomorrow. Um mit deren Angeboten mithalten zu können, müssen die konventionellen Banken massiv in die Digitalisierung investieren - auch, weil aus Kostengründen bereits viele lokale Filialen mit Bankschalter und Bankberater geschlossen wurden. Um die Verluste zu begrenzen, erhöhen die Banken ihre Gebühren - und drehen dabei an jeder möglichen Stellschraube.
Gratis Konten sind rar
So verlangen viele Banken inzwischen auch für das Ein- und Auszahlen am Bankautomaten Gebühren, für Überweisungen mit Beleg werden schon mal bis zu 5€ fällig wie beim Comdirect Girokonto. Wieder andere Banken berechnen selbst die Ausgabe einer Girocard mit 9€ oder mehr und das Verschicken einer mobilen TAN per SMS mit einigen Cent. Auch die Kontoführungsgebühren werden kontinuierlich angehoben. Hier bewegen sich die monatlichen Grundpreise für bestimmte Kontomodelle zwischen 2 und 20€. Die Zahl der klassischen Banken, die das Girokonto bedingungslos kostenlos anbieten, lässt sich inzwischen an einer Hand abzählen. Die meisten Institute bieten das kostenlose Konto nur dann an, wenn regelmäßige Gehaltszahlungen dort eingehen.
Wie sieht die Zukunft aus?
Kunden von großen Geschäftsbanken wie der Commerzbank oder der Deutschen Bank können nach wie vor kostenlos mit der Girocard bezahlen. Überhaupt setzen die Großbanken etwas niedrigere Gebühren an - neben dem Geschäft mit privaten Häuslebauern und Kleinsparern betreuen die Institute schließlich auch Firmenkunden und öffentliche Institutionen. Die geschrumpften Zinsmargen treffen regionale Bankhäuser daher noch einmal härter.
Trotzdem ist nicht ausgemacht, dass auch die überregionalen Institute irgendwann Gebühren für EC-Kartenzahlungen einführen werden. Und wenn nicht dort, dann vermutlich an anderer Stelle. Schließlich heben auch die “Universal-Banken” ihre Kontogebühren stetig an. Aus Sicht von Andreas Goralczyk, Berater bei der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW), ist all das aber legitim: “Meines Erachtens ist die Preisgestaltung die geschäftspolitische Entscheidung eines jeden Kreditinstituts”, erklärt er auf Anfrage. Dass die einzelnen Institute verschiedene Preis- und Kontomodelle anbieten, sei “Teil eines funktionierenden Wettbewerbs”, so Goralczyk.
Maximal 60€ Gebühren im Jahr
Aber wo ist die Grenze? Wie viele Gebühren sollten Kunden in Kauf nehmen? Die Stiftung Warentest hat hier eine klare Vorstellung: Wer seine Bankgeschäfte online abwickelt und ab und an mit Karte zahlt, solle bei mehr als 60€ Kosten im Jahr das Konto wechseln, empfahlen die Verbraucherschützer vergangenes Jahr auf ihrem Portal Finanztest.
Für den Bankexperten Andreas Goralczyk sind die steigenden Kosten für EC-Zahlungen ein entscheidendes Argument, das Bargeld so schnell nicht abzuschaffen. Schließlich ist das Bezahlen mit Scheinen und Münzen in jedem Fall umsonst. Hinzu komme die Liebe der Deutschen zum Bargeld. “Das Bargeld ist und bleibt für viele Bürger unverzichtbar. Eine bargeldlose Zukunft sehe ich nicht”, so der Berater.
Wer Kosten bei der EC-Zahlung von Vornherein vermeiden will, kann selbstverständlich auch die Bank wechseln. Direktbanken ohne Filialnetz wie die DKB, die ING oder die comdirect haben weitaus geringere Kosten zu stemmen und erheben daher auch weniger Gebühren.
Hilfreich ist vor allem, die Gebühren im Blick zu behalten. Sollte das eigene Preismodell tatsächlich nicht mehr zu den Bedürfnissen passen, hilft ein Vergleich mehrerer Girokonten.
Fintechs als Alternative
Das Bankgeschäft zu revolutionieren, haben sich auch in Deutschland bereits mehrere junge Finanz-Startups auf die Fahnen geschrieben. Mit mobilen und dazu kostenlosen Girokonten fürs Smartphone wirbt beispielsweise das Berliner Unternehmen N26, während das Team von Tomorrow verspricht, das Geld seiner Kunden nachhaltig zu verwahren. Auch dort gibt es das Smartphone-Konto umsonst - wer will, kann 15€ bezahlen und damit seinen ökologischen Fußabdruck ausgleichen.
Solche Lösungen sind nichts für jeden - für allem nicht für solche Bankkunden, die das Gespräch in der Filiale schätzen. Sich einmal mit den genauen Konditionen zu beschäftigen, kann sich jedoch lohnen.
Also: Was sollte ich als Verbraucher tun?
Zunächst einmal gilt, sich einen Überblick über die Kosten des eigenen Girokontos zu verschaffen. Helfen Produkt- und Informationsdokumente der Institute nicht aus, kann auch einfach ein Blick in die eigenen Überweisungen geworfen werden: Welche Gebühren zieht die Bank monatlich oder jährlich ein? Und sind diese in der Vergangenheit gestiegen?
Vor allem Kunden regionaler Bankhäuser sollten sich überlegen, ob sie die persönliche Beratung in der Filiale tatsächlich nicht missen wollen. Ansonsten wäre eine schlankere Direktbank eine Alternative, oder aber der Wechsel zu einer reinen mobilen Bank.
Wer allein die Gebühren für EC-Zahlungen umgehen will, könnte stattdessen auch auf neue Zahldienstleister wie Apple Pay oder Google Pay umsteigen. Hierbei wird die Kreditkarte hinterlegt und an der Kasse per NFC-Verfahren mit dem Smartphone bezahlt. Der Nachteil: Bislang unterstützen noch nicht alle Kartenterminals diese Bezahlmöglichkeiten, dafür einige große Banken wie die Deutsche Bank, die Sparkasse und die Santander.
Sinken werden die Gebühren vermutlich nicht mehr
Allgemein gilt: Klassische Haus- und Geschäftsbanken müssen ihre Geschäftsmodelle umstellen. Neue oder höhere Gebühren von ihren Kunden zu verlangen, ist dabei eine Möglichkeit, die Verluste aus dem Zinsgeschäft zumindest ein wenig abzufedern. Es gilt also vor allem, sich als Kunde an die neue Bankenwelt zu gewöhnen und sich der Situation so gut es geht anzupassen. Und vor allem: Die eigenen Möglichkeiten zu nutzen und sich selbst von der Zinsflaute unabhängig zu machen, indem das Geld nicht teuer, sondern renditereich angelegt wird. Zum Beispiel über breit gestreute Fonds an der Börse.
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