Endzeitstimmung an den Börsen?
Börsen im Sinkflug
Am Montag verlor der weltweite Aktienmarkt deutlich. Der Weltaktienindex MSCI World und auch regionale Indizes wie der S&P 500 und der DAX verloren rund 2 bis 3%. Für den S&P 500 war es mit -3% der größte Tagesverlust seit September 2022. Ganz besonders stark traf es Japan. Der japanische Leitindex Nikkei verzeichnete am Montag den größten Tagesverlust seit 37 Jahren. Zwischenzeitlich musste der Handel sogar ausgesetzt werden. Am Ende des Tages stand ein Verlust von -12,4%. An einem Tag wohlgemerkt. Zum Vergleich: In einem Jahr steigt der breite Aktienmarkt durchschnittlich um 7%. In den darauffolgenden Tagen erholten sich die Börsen allerdings rasch.
Wenn wir etwas herauszoomen, stellen wir aber fest, dass die Lage nicht so dramatisch ist, wie anfangs gedacht. Selbst der Nikkei liegt Stand Donnerstagmorgen im Vergleich zum Kurs vor einem Jahr noch rund 8% im Plus. Je weiter man den Zeitraum betrachtet, desto weniger fällt der Montag ins Gewicht, wenngleich er natürlich im Kursverlauf als Zacken erkennbar bleibt. Beim Weltaktienindex MSCI World ACWI, der Industrie- und Schwellenländer abdeckt, sieht es langfristig ähnlich aus. Im letzten Monat ist der Kurs zwar um 6,5% gesunken, aber in einem Jahr um 14,8% gestiegen und auf 5-Jahres-Sicht liegt der Index sogar 68,1% im Plus.
Kurs des iShares MSCI ACWI UCITS ETF (Acc)
Schlechte US-Arbeitsmarktdaten
Für die Kurseinbrüche gibt es eine Reihe von Gründen. Die wichtigsten sind die US-Arbeitsmarktzahlen und die Leitzinsentscheidung in Japan. Fangen wir mit den USA an, da die USA ein enormes Gewicht im Weltaktienindex MSCI ACWI hat. Rund 64% der Wertentwicklung hängt US-Aktien ab. Die US-Arbeitsmarktzahlen vom letzten Freitag waren schlechter als erwartet. Zum einen sind deutlich weniger neue Jobs geschaffen worden. Nur 114.000 sind entstanden, obwohl Experten 175.000 schätzten. Zum anderen beträgt die Arbeitslosenrate 4,3%, dies sind 0,2 Prozentpunkte mehr als erwartet. In letzter Zeit hat sich der Markt zwar über eine steigende Arbeitslosigkeit gefreut, da eine steigende Arbeitslosigkeit die US-Notenbank in die Lage versetzen würde, die Zinsen senken zu müssen.
Rezessionssorgen
Leicht steigende Arbeitslosenzahlen hätte der Markt sicher positiv aufgenommen. Aber jetzt herrscht Sorge vor einer Rezession. Darauf deutet zumindest die „Sahm Rule“, die nach der ehemaligen FED-Ökonomin Claudia Sahm benannt ist, hin. Bisher hat die Sahm Rule Rezessionen recht genau vorhergesehen. Da der aktuelle dreimonatige Durchschnitt der Arbeitslosenrate mit rund 0,52% höher als der niedrigste dreimonatige Durchschnitt der Arbeitslosenrate im Verlauf des letzten Jahres ist, ist der Schwellwert von 0,5% leicht überschritten.
Eine Rezession wiederum wäre schlecht für die Aktienkurse. Durch die zunehmende Arbeitslosigkeit hätten die Haushalte weniger Geld zur Verfügung und könnten weniger konsumieren. Dadurch würde die Wirtschaft erlahmen und Unternehmensgewinne sinken. Somit würden auch die Aktienkurse sinken.
Zinssenkungen im September?
Die US-Notenbank FED hat in der Sitzung am vergangenen Mittwoch bekannt gegeben, dass die Zinsen unverändert bleiben. Sie hat aber gleichzeitig angedeutet, dass im September Zinssenkungen anstehen. Wozu also die kurzzeitige Katerstimmung an der Börse? Offensichtlich befürchtet der Markt, dass eine Zinssenkung im September zu spät käme und die Inflationsbekämpfung der FED somit in einer sogenannten „Hard Landing“ – also einer Rezession – endet.
Entsprechend nährte der starke Kursrückgang am Montag Hoffnungen auf eine Notfall-FED-Sitzung. Mittlerweile haben sich die Kurse allerdings wieder etwas entspannt, sodass die Wahrscheinlichkeit dafür gesunken ist. Zudem gilt eine Zinssenkung im September inzwischen als sicher. Die Anleger erwarten aktuell laut der CME Group in jedem Falle eine, vielleicht sogar zwei Zinssenkungen.
Bank of Japan wagt nächste Zinserhöhung
Ein weiterer Grund für den Kurssturz ist in Japan zu finden. Die japanische Notenbank hat am 31. Juli den Leitzins von 0 bis 0,1% auf 0,25% erhöht. Zudem hat sie signalisiert, dass weitere Zinserhöhungen folgen werden und die Anleihenkäufe reduziert werden. Die Bank of Japan (BoJ) möchte damit die japanischen Staatsanleihen attraktiver machen. Denn der Zinsunterschied zu anderen großen Notenbanken wie EZB und FED ist enorm. Erst am 19. März dieses Jahres hat die BoJ den negativen Leitzins beendet und erstmals nach 17 Jahren den Leitzins erhöht. Da der Markt von den Entscheidungen der Notenbank überrascht wurde, brach die japanische Börse am Montag ein. Der Handel musste zwischenzeitlich sogar ausgesetzt werden.
Trotz der Zinserhöhung ist der japanische Leitzins international betrachtet ungewöhnlich niedrig. Dies hat zwei Gründe: geringe Inflation und hohe Staatsverschuldung. Da Japan mit rund 250% des BIP verschuldet ist, ist das Land auf geringe Zinsen angewiesen. Wegen der hohen Verschuldung leidet die Bonität. Japan wird mit A+ bewertet, wohingegen Deutschland mit AAA die beste Bonität hat und die USA mit AA+ bewertet wird.
Ein Blick in die Glaskugel
Wie es weitergeht, ist schlecht abzusehen. Bisher deutet die Entwicklung auf dem Aktienmarkt in den vergangenen Tagen auf eine Erholung hin. Dennoch können kleine Rücksetzer durch sogenannte Trendfolger verstärkt werden. Die Kursstürze am Montag wurden auch befeuert durch die überwiegend enttäuschenden Quartalsberichte der US-Technologie-Unternehmen. Hier bleibt abzuwarten, wie die Berichte der übrigen Unternehmen ausfallen. Wenn weitere Unternehmen enttäuschen, kann es also erneut zu Rücksetzern kommen. Ebenso die schwächelnde Wirtschaft in Europa und China hat ihren Anteil an der aktuellen Entwicklung. Hier bleibt beispielsweise abzuwarten, wie der Handelsstreit um Ausgleichszölle auf E-Autos weitergeht. Wenn der Welthandel durch Zölle erschwert wird, hätte dies auch negative Folgen für den Weltaktienmarkt. Auch die unsichere geopolitische Lage führt zu Unsicherheiten an den Börsen.
Wie solltest du reagieren?
Kursrückgänge wie am Montag sorgen bei vielen für Verunsicherung. An hektischen Börsentagen ist es am besten, nichts überstürzt zu tun, sondern in Ruhe zu überlegen. Wenn du uns schon länger verfolgst, weißt du sicher, dass der Aktienmarkt für die langfristige Anlage ist. Deshalb solltest du dir nicht nur den Kurs eines Tages, sondern auch für ein Jahr, 5 Jahre und 10 Jahre ansehen. Der MSCI ACWI liegt beispielsweise nach 10 Jahren rund 169% im Plus. Bei so einem langen Zeitraum kommt es auf einzelne Tage nicht an. Selbst Krisen wie die Corona-Krise hat der Aktienmarkt gut überstanden. Am besten schaust du möglichst selten in dein Portfolio und behältst deine Strategie bei. Denn schon der legendäre Finanzexperte André Kostolany wusste: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“
Wenn du noch Geld übrig hast, kannst du natürlich überlegen, ob du noch mehr investieren kannst. Den besten Zeitpunkt zu erwischen, ist allerdings schwer. Denn keiner weiß, ob der morgige Kurs noch günstiger und in einer Woche noch tiefer steht. Da die Aktienkurse langfristig steigen, ist der beste Zeitpunkt für den Kauf immer jetzt. Falls du wegen der Kursverluste ein ungutes Gefühl hast und die Verluste schlecht aushalten kannst, solltest du überlegen, ob du dir zu viel Risiko zugemutet hast. Wenn dies der Fall ist, kannst du den risikoarmen Teil erhöhen. Dafür eignen sich beispielsweise Tagesgeld- oder Festgeldkonten sowie Anleihen hoher Bonität.
Langfristig ist es natürlich am besten einen hohen Aktienanteil zu haben, da der breite Markt durchschnittlich um 7% pro Jahr wächst. Am wichtigsten ist es aber, folgenden Fehler zu vermeiden: In der Krise in Panik zu verfallen und mit Verlust zu verkaufen. Wenn du dir unsicher bist, ob du die Verluste aushalten und aussitzen kannst, solltest du besser von vornherein mit einem geringen Aktienanteil starten. Denn es ist besser einen geringen Aktienanteil zu haben und diesen auch in Krisenzeiten beizubehalten, statt unter Druck zu verkaufen. Wenn dir die jüngsten Kursverluste nichts ausgemacht haben, umso besser. Dann sollte deine bisherige Anlagestrategie passen und sich langfristig auszahlen.
Kommentare (12)
M
MicB
sagt am 10. August 2024
Na ja zugegeben, ein wenig besorgniserregend war es schon irgendwie; aber wie immer in den Medien (vor allem bei YouTube) wird natürlich immer viel Wirbel gemacht, schließlich will man ja Einschaltquoten und damit auch Geld verdienen. 😉 ...Sonst gilt natürlich, immer warten bis die Lage sich wieder beruhigt hat, und die Assets/Positionen entsprechend so lange halten, bis man wieder im grünen Bereich ist - oder eben auch länger, wer sein Portfolio, seine Strategie auf längere Sicht ausgerichtet hat. 💪
M
MicB
sagt am 09. August 2024
Na ja zugegeben, ein wenig besorgniserregend war es schon irgendwie; aber wie immer in den Medien (vor allem bei YouTube) wird natürlich immer viel Wirbel gemacht, schließlich will man ja Einschaltquoten und damit auch Geld verdienen. 😉 ...Sonst gilt natürlich, immer warten bis die Lage sich wieder beruhigt hat, und die Assets/Positionen entsprechend so lange halten, bis man wieder im grünen Bereich ist - oder eben auch länger, wer sein Portfolio, seine Strategie auf längere Sicht ausgerichtet hat. 💪
M
MicB
sagt am 09. August 2024
...Ansonsten klar, natürlich immer halten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat - und eventuell auch länger, wer seine Positionen auf längere Sicht angelegt hat. 💪
M
MicB
sagt am 09. August 2024
Na ja zugegeben, ein wenig besorgniserregend war es schon irgendwie; aber wie immer wird in den Medien (vor allem bei YouTube) natürlich mehr aus der Sache gemacht, da man ja Einschaltquoten haben und daran verdienen möchte. 😉
B
BG
sagt am 09. August 2024
Endlich mal wieder ein kleiner Rückgang an den Börsen, das wurde auch so langsam langweilig. Das Thema Zinssenkung ist ja schon eingepreist und ansonsten interessiert das Ganze ja nur Daily-Trader, aber keine Investoren. Und man konnte mal wieder den Tech-Fonds aufstocken., bitte wieder so einen kleinen Crash. Vielen Dank für den sehr guten Artikel!
U
Udo
sagt am 09. August 2024
Ich habe den Kursrutsch gar nicht mitbekommen 😜 Erst im Nachhinein wo alle ihre YT-Videos raushauten mit ihrer Horrormeldung. Ich schaute daraufhin in mein Depot, ok es hat nachgelassen aber he, Aktien/ETF noch immer 20% im plus, BTC um 100% und Gold bei 30%. Also immer locker durch die Hose atmen auch wenn es schwer fällt. Bei mir reden wir von einer Größenordnung wo schnell mal ein neuer Tesla mehr oder weniger drin wäre aber ich bin mit meinem Astra zufrieden 😉 Soll heißen, wenn ich nicht alles Geld auf einmal brauche und verkaufen muss, interessieren mich Schwankungen nicht die Bohne. Buy and Hold und alles wird gut.
G
Gigi Del Pizzi
sagt am 09. August 2024
Wie immer super geschrieben. Kein plakativer Journalismus à la Tageszeitung
M
Michi
sagt am 09. August 2024
Vernünftig, dass ihr auf die Panikmache hinweist die von den Medien betrieben wurde. Da wird gerne mal eine Nachricht größer dargestellt als sie ist. Das totale versagen von Intel und die Stellenkürzungen der Firma wird von den Medien aber gekonnt unter den Teppich gewischt. Vor allem bei ETFs sollte man jetzt einfach den kühlen Kopf bewahren und drinnenbleiben denn auf lange Sicht wächst die Rendite wieder 👍
C
Christoph
sagt am 09. August 2024
Im Abschnitt über Japan habt ihr glaube ich Zinssenkung und Zinserhöhung vertauscht. Bitte Mal reviewen.
Stephan Kintrup
Autor
sagt am 09. August 2024
Danke, Christoph. Ja, Zinssenkung war gemeint. Wir haben es korrigiert.
A
Anonym
sagt am 09. August 2024
Im ersten Absatz zur Zinserhöhung in Japan schreibt ihr 2 Mal "Zinssenkung". Ihr meint sicherlich das genaue Gegenteil ...
A
Andi
sagt am 09. August 2024
Hat die BoJ nun die Zinsen erhöht oder gesenkt? Oben wird von Senkungen gesprochen, aber eigentlich kann nur das Gegenteil gemeint sein, wenn sie außerdem die Anleihenkäufe stoppen. Und das die Erhöhung vom 17. März den Markt am 5. August überraschte und zu einem Einbruch führte will mir auch nicht so recht in den Kopf ...
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