China in ETF-Depots: Wie gefährlich ist die Abhängigkeit?
Mit der Abhängigkeit ist es so eine Sache. So richtig erfreulich ist sie eigentlich selten. Ganz egal, ob man nun von Drogen, Ex-Ehepartnern oder Busfahrplänen abhängig ist: auf etwas angewiesen zu sein bedeutet, etwas zu verlieren zu haben. Wenn die vergangenen Monate etwas gezeigt haben, dann genau das. Abhängig zu sein vom russischen Gas, hat Deutschland eine Energiekrise beschert. Nun will man sich hierzulande in Sachen Importpartner zwar breiter aufstellen. Doch rückt ein anderer Staat als potenzieller Problem-Partner zunehmend ins Visier: China. Wie mit der Wirtschaftsmacht umgehen, die nichts Geringeres plant als die Weltherrschaft? Wie viel Kooperation ist verträglich und wann ist eine Abkopplung angebracht? Solche Fragen schweben seit Jahren über dem europäischen Kontinent.
Als Anleger, so möchte man jedenfalls meinen, lassen sich Abhängigkeiten leicht umschiffen. Wer keine chinesischen Firmen im Depot wünscht, schließt diese einfach aus. Beispielsweise über Aktien-Indizes wie den MSCI World, der lediglich Industriestaaten abbildet. Oder man setzt auf Welt-Indizes wie den MSCI ACWI ex China, der chinesische Konzerne bewusst ausschließt. Sollte es wirklich mal gewaltig krachen zwischen dem Westen und China, hinterließe das zumindest keine Spuren im Depot. Ein weitverbreiteter Irrglaube.
Denn vor allem passive Anleger sind oft abhängiger von den Vorgängen in China, als man annehmen würde. Selbst, wer lediglich in europäische Aktien investiert, investiert indirekt auch in die chinesische Wirtschaft. Denn das Engagement europäischer, allen voran deutscher Firmen in China ist zum Teil beachtlich. Welche Unternehmen betrifft das besonders? Und sollten Anleger solche Abhängigkeiten ausmerzen?
Es gibt nicht die eine Abhängigkeit
Handeln mit China: Ist das noch mutig oder schon leichtsinnig? Oder vielleicht sogar notwendig? Über diese Frage lässt sich streiten. Fakt ist aber: Viele westliche Firmen sind ohnehin schon eng mit dem Land vernetzt, darunter insbesondere Autobauer, Hersteller von Luxusgütern und Industriedienstleister. Dabei kann das Engagement in dem Land ganz unterschiedlich aussehen. Für einige Firmen ist China in erster Linie Rohstofflieferant, andere lassen Akkus, Batterien und Motorenteile in dem Land fertigen und haben ein paar Dutzend Produktionsstätten dorthin ausgeliefert. Wieder anderen dient China als Absatzmarkt, den sie mit Maschinen, Flugzeugen und Medikamenten beliefern. Teilweise wurden sogar Forschung und Wissenschaft nach Fernost ausgelagert. Gewisse Abhängigkeiten bestehen auch, sobald sich Unternehmen an von China finanzierten Projekten, wie der Belt and Road Initiative beteiligen.
Luxus- und Lifestyle-Marken mit besonders hohem Engagement
Nun könnten vor allem jene Firmen die Abhängigkeit zu China spüren bekommen, für die die Volksrepublik einer der wichtigsten Exportmärkte ist. Dazu gehören Luxusgüter-Produzenten wie LVMH, Hermes und L’Oréal, deren Kundenkreis zu einem beachtlichen Teil aus chinesischen Staatsangehörigen besteht. So stammten bis zum Stichtag am 1. Juni beispielsweise bei dem Schweizer Luxusgüterkonzern Rochemont 25% der Umsätze aus dem China-Geschäft, bei L’Oréal waren es 24% und bei der Modemarke Hermes 20%.
Luxus- und Bekleidungsaktien mit Engagement in China
Unternehmen | Anteil China-Geschäft |
---|---|
Richemont | 25% |
L’Oréal | 24% |
Hermes | 20% |
Moncler | 17% |
LVMH | 17% |
Doch könnte sich das bald ändern, mutmaßt unter anderem das Medienunternehmen Bloomberg, die jüngst auf das hohe Engagement der Luxusmarken hingewiesen haben. Die Gründe: Entgegen aller Erwartung erholt sich die chinesische Wirtschaft gerade nur schleppend von den Folgen der Pandemie. Die Wirtschaft wächst langsamer als zuvor, die Jugendarbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch – und selbst wohlhabende chinesische Konsumenten zeigen sich offenbar verhaltener.
Beachtliche Absätze machen auch jedes Jahr einige US-amerikanische Weltkonzerne in China. Der Tech-Riese Apple etwa hat 2022 nach Daten des Research-Unternehmens Factset mehr als 13 Mrd. USD im Reich der Mitte umgesetzt und damit knapp 19% seines Gesamtumsatzes. Beim Sportartikelhersteller Nike waren es rund 16%.
„Investoren aufgepasst“
Unter dem Titel „Investoren aufgepasst“ hat zuletzt auch das niederländische Clingendael Institut in einem Bericht die starke Verknüpfung europäischer Firmen mit dem chinesischen Markt offengelegt. Im MSCI Europe Index fanden sich Recherchen zufolge gleich zwei Dutzend Firmen mit beachtlichem China-Engagement. Angeführt wird die Liste vom Londoner Bergbaukonzern Rio Tinto, der mehr als die Hälfte seiner Umsätze in China verbucht.
Ausgewählte europäische Unternehmen und ihr Engagement in China
Unternehmen | Umsätze China-Geschäft in % | Unternehmen | Anteil chinesischer Lieferanten in % |
---|---|---|---|
Rio Tinto | 56,6% | Volkswagen | 28% |
Adidas AG | 23% | BMW AG | 25% |
BMW AG | 21% | Schneider Electric | 23% |
AstraZeneca | 19,6% | Daimler | 22% |
Merck | 14% | Siemens | 19% |
HSBC | 13,5% | Kering | 11% |
Daimler | 13,5% | Nestlé | 9% |
Volkswagen | 12,6% | Roche | 8% |
Deutsche Firmen besonders präsent
Auch der DAX versammelt ein beachtliche Menge chinesisches Engagement in sich. Deutsche Autobauer und Chemieriesen führen seit Jahren die Liste der Firmen mit den kräftigsten Investitionen in China an. So eröffnete erst vergangenes Jahr der Chemiekonzern BASF einen 10 Mrd. Euro schweren Verbundstandort in Südchina. Von den rund 87 Mrd. USD Gesamtumsatz entfielen 2022 ganze 12,8% auf die Volksrepublik. Derweil der Autobauer VW gerade ein gemeinsames Forschungszentrum in China auf die Beine stellt. Die Volkswagen Group China umfasst inzwischen 33 chinesische Produktionswerke. 12,6% seiner Umsätze machte der Autobauer 2022 mit seinen Geschäften im Reich der Mitte. Der Sportartikelhersteller Adidas kommt auf einen Anteil von 23% der Umsätze durchs China-Geschäft, der Autobauer BMW auf 21%.
Mehr als 5.000 deutsche Firmen waren nach Angaben der GTAI, der Außenwirtschaftsagentur des Bundes, im Jahr 2020 in China mit rund 1,1 Mio. Arbeitsplätzen ansässig. Laut der Beratungsfirma Rhodium sollen deutsche Firmen allein vergangenes Jahr die Rekordsumme von 7,5 Milliarden Euro in das Land gesteckt haben.
Sind Investments in China so schlimm?
Doch müssen Investitionen und Umsätze in China ein Problem sein? Wird den multinationalen Firmen und damit auch deren Aktionären das starke Engagement früher oder später wirklich auf die Füße fallen? Nun, erbaulich ist die aktuelle Lage nicht gerade. Mal abgesehen von der ausgebliebenen Erholung Chinas nach der Pandemie und wachsenden Sorgen um eine schwächelnde Produktion, gibt es auch bei den geopolitischen Spannungen derzeit wenig Hoffnung auf Entspannung. Die Beziehungen zwischen China und den USA sind so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht, es mehren sich militärische Begegnungen, gegenseitige Verdächtigungen und Anschuldigungen. Derweil die Befürchtungen vor einer Eskalation des Taiwan-Konflikts im Raum schweben.
„Zero-China“-Portfolio nahezu unmöglich
Der Sinn eines Welt-Portfolios besteht darin, das eigene Geld so breit wie möglich zu streuen – und damit das eigene Risiko. ETFs eignen sich dafür bestens, denn sie kopieren globale Indizes, die wiederum die zu diesem Zeitpunkt stärksten Unternehmen der Welt abbilden. Doch konzentrieren sich die wenigsten dieser Börsen-Schwergewichte ausschließlich auf den Heimatmarkt. Indirekt investieren Anleger mit einer einzelnen Aktie also häufig in drei, vier oder gar 20 verschiedene Standorte, weil der Börsenkonzern diese als Absatzmärkte oder Produktionsstandorte nutzt. So kaufen sich Anleger beispielsweise mit einer Aktie des Londoner Konzerns Unilever streng genommen auch in die Türkei, Russland, in die Ukraine, die USA, Indien und die Niederlande ein, um nur ein paar der Verflechtungen zu benennen. In einer globalisierten Welt sind solche Abhängigkeiten ganz normal. Müssen sie also ausgemerzt werden, wenn sie zu stark zu werden drohen?
Das liegt ganz im Auge des Betrachters. Wer sich unwohl fühlt mit dem Gedanken, auch nur mittelbar mit der chinesischen Wirtschaft verwickelt zu sein, kann diesen Anteil natürlich auf ein Minimum herunterschrauben. Doch hieße das zunächst, ein paar Hundert Aktien eines ETFs auf ihre Handelspartner zu untersuchen und all jene auszuschließen, die auch nur im Entferntesten mit der Volksrepublik Geschäfte treiben. Mit passivem Investieren hätte das nur noch wenig zu tun.
In manch einem Depot lässt sich der China-Anteil – falls gewünscht – aber auch leichter reduzieren. Beispielsweise durch eine Neugewichtung der enthaltenen ETFs. Das beliebte 70-30-Portfolio besteht zu 70% aus Industrienationen und zu 30% aus Schwellenländern. Letztere werden beispielsweise von einem Index wie dem MSCI Emerging Markets abgebildet. In diesem Index wiederum nimmt China derzeit einen Anteil von 26% ein, bezogen aufs Gesamtportfolio macht es einen Anteil von 7,8% aus. Im FTSE All World Index sind es 3,2% und im MSCI ACWI 3,08%. In so einem Fall kann es bereits helfen, die Gewichtung zu verschieben und beispielsweise nur 10% statt 30% seines Vermögens in Schwellenländer-Aktien zu investieren. Eine Alternative sind ETFs, die chinesische Aktien bewusst ausschließen. Dann bleiben die indirekten Beteiligungen an chinesischen Firmen über multinationale Konzerne zwar bestehen. Dafür bleibt das globale ETF-Portfolio, was es ist: eine breit gestreute Geldanlage, die ohne Stockpicking auskommt.
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Kommentare (10)
B
Ben
sagt am 19. September 2023
"Abhängig zu sein vom russischen Gas, hat Deutschland eine Energiekrise beschert." Hiermit betreibt ihr aber (möglicherweise unwissend) ziemlich Propaganda. Russland hat niemals in den vergangenen Jahrzehnten den Gashahn abgedreht. Es war der Wunsch der Ampel, aufgrund des Ukraine-Konfliktes kein russisches Gas zu beziehen. Die Weltmacht USA hat trotz laufender Kriegshandlungen keine Sanktionen von Deutschland zu befürchten. Darüber hinaus haben nicht die Russen unsere AKW vom Netz genommen, dies hat die Ampel gegen den Willen des Volkes so entschieden. Mit solchen politischen Äußerungen solltet ihr euch daher besser zurück halten und nicht alles blind wiederholen, was die Mainstreammedien uns jeden Tag schon vorkauen. Ansonsten Danke für eure Seite und eurer Engagement.
A
Anonym
sagt am 25. Mai 2024
Ganz schön unangenehm, was Sie hier von sich geben. Mal ganz im Ernst: gegen den Willen des Volkes ist wohl ziemliche, wie sie es sagen würden, „Propaganda“. Genauso wie damals prognostizierte Stromausfälle usw.. für meine Begriffe sind sie hier Opfer massiver Desinformation, Vereinfachung oder ganz einfacher „Propaganda“ geworden. Die Ampel kann nichts für den Krieg und ich bin mir relativ sicher das Parteien wie die CDU nichts besser hätten machen können, wo sie doch schon zu Zeiten des Friedens politisch vollkommen überfordert war. Die Zustände in diesem Land sind vielleicht erst mit Corona und Krieg aufgefallen, bestehen aber schon seit dem Sparkurs der Bundesregierung trotz billiger Zinsen. Das wir jetzt mit steigenden Energiekosten, Inflation, mangelndem Wirtschaftswachstum etc.. zu kämpfen haben ist nicht die alleinige Schuld der Ampel. Sie muss diese jetzt aber Lösen. Zum Thema Abhängigkeiten auf oder abbauen. Wir müssen aufhören unsere Technologien wie in der Vergangenheit an Firmen zu verkaufen, die sie dann billiger im Ausland produzieren. Wir verkaufen damit unseren zukünftigen Wohlstand. Das investieren in Unternehmen autokratischer Staaten und gleichzeitig das zulassen von Investitionen eben dieser in unsere Unternehemen erzeugt doch erstens Abhänigkeiten die zu anderen Zeitpunkten sehr unangenehm werden und sorgt zweitens für deutlich erleichterte wirtschafts und Technologiespionage. Besonders nach den letzten Monaten muss doch klar geworden sein, was Länder wie China vor haben, obwohl die das ja ganz offen kommunizieren. Insgesamt kann Aussagen wie ihre einfach nicht mehr hören und hoffe das das irgendwann mal aufhört.
S
Sandra
sagt am 07. Juli 2023
Selber habe ich einige Wertpapiere auf chinesische Aktien, ob das Alibaba ist oder auf China direkt. Ganz darauf zu verzichten finde ich nicht ganz sinnvoll
B
Bettina Schiffer
sagt am 04. Juli 2023
Vielen Dank für diesen ineressanten Artikel über die Abhängigkeit von China in globalen ETF-Depots. Es ist ermutigend zu sehen, dass sich immer mehr Anleger bewusst werden, dass sie indirekt in die chinesische Wirtschaft investieren, selbst wenn sie sich auf europäische Aktien konzentrieren. Die Vielfalt der Unternehmen, die in China engagiert sind, ist beeindruckend und zeigt, wie stark die Verflechtungen in einer globalisierten Welt sind. Es ist interessant zu erfahren, dass Luxus- und Lifestyle-Marken wie LVMH, Hermes und L'Oréal stark vom chinesischen Markt abhängen und einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes aus China generieren. Es ist jedoch auch ermutigend zu sehen, dass sich die Situation ändern könnte, da die chinesische Wirtschaft sich langsamer erholt als erwartet und selbst wohlhabende chinesische Konsumenten vorsichtiger werden. Es ist wichtig, dass Anleger sich der Risiken bewusst sind, die mit solchen Abhängigkeiten verbunden sind, insbesondere angesichts der geopolitischen Spannungen zwischen China und anderen Ländern. Es gibt verschiedene Ansätze, um die Abhängigkeit von China in einem Portfolio zu reduzieren, sei es durch die Neugewichtung von ETFs oder durch den gezielten Ausschluss chinesischer Aktien. Diese Optionen ermöglichen es Anlegern, ihr Risiko zu diversifizieren und gleichzeitig von den Vorteilen eines globalen ETF-Portfolios zu profitieren. Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr Anleger die Auswirkungen ihrer Investitionen auf die chinesische Wirtschaft berücksichtigen und Maßnahmen ergreifen, um ihr Portfolio entsprechend anzupassen. Indem wir uns bewusst mit solchen Themen auseinandersetzen und informierte Entscheidungen treffen, können wir dazu beitragen, unsere finanzielle Zukunft auf eine solide Grundlage zu stellen. Vielen Dank für diesen aufschlussreichen Artikel und weiterhin viel Erfolg beim Investieren!
Mona Linke
Autorin
sagt am 30. Juni 2023
Hallo zusammen, vielen Dank für die Bemerkungen zu Umsatz- und Investitionssummen, da ist tatsächlich etwas durcheinander gekommen. Haben wir soeben berichtigt! Danke und liebe Grüße
V
Viktor
sagt am 30. Juni 2023
Moin, Im Beitrag steht, dass rund 1,1 Mrd. Arbeitsplätze von deutschen Firmen stammen. Das wäre sehr beachtlich 😉. Ansonsten sehr guter Artikel
B
Ben
sagt am 30. Juni 2023
Moin Viktor, Ich habe gerade die 1,1 Milliarden gesucht und festgestellt, da steht Mio(Millionen) nicht Milliarden 😜
G
Gisbert
sagt am 30. Juni 2023
Danke für den gut recherchierten Artikel! Und bitte um einen Artikel zum Gegenteil, also wie in China investieren. Ich habe verstanden, dass das gar nicht so einfach ist, als Beispiel in direkte Titel wie einen führenden Batteriehersteller - dass der Markt ziemlich abgeschottet ist; dass man wenn dann eigene Titel kauft, welche die tatsächlichen Wertpapiere nur abbilden und somit eigentlich wertlos sind ...
A
Andreas
sagt am 30. Juni 2023
Hallo, BASF hat eine Summe von 10 Milliarden in Südchina (Zhangjiang) investiert. Im Beitrag steht lediglich 10 Mio :-)
K
Karsten
sagt am 30. Juni 2023
Klasse Artikel, der an die Zusammenhänge in der Welt erinnert, und warum wir Menschen uns den Planeten besser friedlich teilen. Aber leider ja, die Zahlen stimmen an einigen Stellen überhaupt nicht. Wie Andreas schon sagt, der neue BASF Standort kostet 10 Milliarden €, nicht 10 Millionen . Dafür stimmt aber auch die Angabe zum Gesamtumsatz nicht, der liegt nicht bei 11 Milliarden USD sondern 87 Milliarden €. Hat da eventuell jemand für den Umsatz nur die Zahlen von BASF Corporation recherchiert, dem Teil des Unternehmens, der das meiste Nordamerika Geschäft abdeckt? Bitte korrigieren!
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