Corona-Impfstoff: So riskant ist das Investieren in Pharma-Aktien
Wer macht das Rennen? Wetten auf den Impfstoff-Gewinner
Wer wird der Erste sein? Selten hat eine Frage die Pharma-Branche so umgetrieben wie diese. Etwa 200 Unternehmen weltweit arbeiten inzwischen an einem Impfstoff, der die Menschen künftig immun gegen SARS-CoV-2 machen könnte. Unter ihnen sind Pharma-Riesen aus der ganzen Welt, Health-Startups und Branchen-Neulinge - und sogar das Unternehmen Kodak, das mal eben von Kameras zu Pharmazeutika umgeschwenkt ist. Sie alle forschen im Wettlauf um Leben und Tod, was das Zeug hält. Von jenen 200 Firmen haben sich fünf Firmen vom Mittelfeld abgesetzt, darunter das Mainzer Unternehmen BionTech, der US-Pharmakonzern Moderna und ein Forscherteam der britischen Oxford University. Ende Juli sind sie alle in die heiße Phase der Impfstoffentwicklung eingetreten.
Wer das Rennen am Ende machen wird, ist nicht absehbar. Und das zeigt sich auch an der Börse, wo längst die Kursrallye ausgebrochen ist: Schon kleine Hoffnungsmeldungen genügen, um die Graphen der Impfstoff-Hersteller innerhalb von Minuten durch die Decke gehen zu lassen. Angefeuert werden sie von Millionen-Investitionen aus den Staatskassen der Weltmächte, die sich schon jetzt riesige Mengen an potentiellen Impfstoffen sichern.
All das freut die Spekulanten, die dieser Tage den großen Gewinn mit einem Pharma-Investment wittern. Tatsächlich ist der Totalverlust des investierten Kapitals jedoch sehr viel wahrscheinlicher. Schließlich geht es beim Kauf von Pharma-Aktien vor allem um eines: sehr viel Glück.
Über die Risiken und Nebenwirkungen von Pharma-Investments und wie ihr auch mit weniger Wagnis am Boom der Gesundheitsbranche teilhaben könnt, lest ihr in diesem Blog-Artikel.
Corona-Impfstoff: Kursanstiege der um mehr als 3000%
Den mit Abstand steilsten Aufstieg hat bislang das US-amerikanische Unternehmen Novavax hingelegt: Um sagenhafte 3124% ist der Kurs seit Anfang des Jahres gestiegen. Kostete die Aktie im Januar noch 3,50€, sind es inzwischen 148,70€ (Stand: 05.08.20)
Wie viele andere Biotech-Unternehmen begann Novavax bereits im Januar mit der Entwicklung seines Impfstoffs, Ende Mai folgten die ersten klinischen Studien – und innerhalb weniger Tage verdoppelte sich der Aktienwert bereits. Einen weiteren gewaltigen Schub bekam die Aktie Anfang Juli, als die amerikanischen Regierung großzügige Zuschüsse ankündigte. 1,6 Mrd. Dollar hat Präsident Trump dem Konzern zugesagt und sich dabei direkt eine üppige Lieferung von 100 Mio. Dosen des Mittels gesichert, die bis Ende des Jahres hergestellt werden könnten – sollte sich das Mittel denn als wirksam erweisen. Weiteres Kapital kam bereits von der Internationalen Impfstoff-Allianz CEPI, die den Pharma-Konzern mit 400 Mio. Dollar unterstützen will. Die Folge: Der Kurs ging durch die Decke und hält sich aktuell bei knapp 149€ pro Aktie (Stand: 5.8.20).
Fünf Impfstoff-Kandidaten haben Phase 3 erreicht
Auch dem in den USA beheimateten Pharma-Unternehmen Moderna griff die US-Regierung mit knapp einer Milliarde Dollar kräftig unter die Arme. Erste Studien mit wenigen Patienten stimmten hoffnungsvoll und hoben den Kurs teilweise über Nacht um mehr als 20%. Inzwischen hat der Kurs wieder deutlich nachgegeben und notiert derzeit bei 65€ – ein Minus von 30% im Vergleich zum Stand von Mitte Juli.
Eher ernüchternd fällt inzwischen auch ein Blick auf die Aktie des Mainzer Pharmakonzerns Biontech aus. Zusammen mit dem Pharmariesen Pfizer und dem chinesischen Unternehmen Fosun Pharma hat die Biotech-Firma einen Impfstoff entwickelt, dem die US-Behörde FDA bereits eine beschleunigte Zulassung zugesprochen hat – sollte es denn zu eben dieser Zulassung kommen. Seit Ende März hat der Kurs einen steilen Zick-Zack-Kurs hingelegt, verdreifachte sich zwischenzeitlich sogar und notiert jetzt bei knapp 70€, was immerhin einem Jahresgewinn von fast 290% entspricht.
Anders als der US-Konzern Novavax haben Moderna und Biontech bereits Phase 3 in der Impfstoffentwicklung erreicht und mit ihren groß angelegten Studien begonnen. An 30.000 Probanden testet zum Beispiel das Mainzer Unternehmen nun seinen Impfstoff. Fällt die Studie erfolgreich aus, könnten die Mainzer schon im Oktober die Zulassung beantragen. Mit Biontech befinden sich laut Daten der WHO noch vier weitere Firmen in jener Phase-3-Studie.
Vorsicht vor der Impfstoff-Euphorie
Auch wenn dieser Tage jede kleine Meldung zu neuen Studienergebnissen oder Milliardenzuschüssen wie der große Durchbruch klingt: Noch ist absolut nicht klar, welcher Impfstoff tatsächlich Wirkung zeigen und die Menschheit vor einer Ansteckung mit dem Virus verlässlich schützen wird. Schließlich hat noch kein Anwärter Phase 3 in der Impfstoff-Entwicklung überstanden: Jene Phase, in der die meisten Pharma-Firmen krachend scheitern.
Phase 3: Die entscheidende Prüfung der Biotech-Unternehmen
An Menschen getestet wurden zwar bereits um die 20 Impfstoffkandidaten. Allerdings handelte es sich dabei um klein angelegte Studien mit 50, 80 oder 130 Menschen, bei denen zunächst einmal Dinge wie die Verträglichkeit und die Dosierung geprüft werden. Wie unbedenklich und tatsächlich wirksam ein Impfstoff tatsächlich ist, darüber schaffen erst die Ergebnisse der Phase 3 Klarheit. In groß angelegten Studien werden mehrere Tausend Menschen auf eine Immunreaktion im Körper getestet. Forscher gehen davon aus, dass erste Ergebnisse schon im Herbst vorliegen könnten.
Üblich ist so ein Eiltempo bei der Medikamentenherstellung übrigens nicht: Bis ein Medikament zugelassen wird, dauert es normalerweise bis zu 10 Jahre. Weil wegen der hohen Dringlichkeit bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff nun aber viele internationale Organisationen und Zulassungsstellen ein beschleunigtes Prüfungsverfahren erlaubt haben, können die verschiedenen Entwicklungsphasen teilweise parallel ablaufen oder einige Stufen (z.B. die Tierversuche) sogar übersprungen werden.
Wird es überhaupt einen Impfstoff geben?
Beschleunigen, aber keinesfalls ersetzen lässt sich besagte Stufe 3. Für die Pharma-Konzerne ist sie nicht nur die riskanteste, sondern auch die teuerste Stufe in der Impfstoffentwicklung. Das finanzielle Risiko der Firmen ist immens: Während die einen Millionensummen in neues Personal, Rohstoffe und den Bau von Produktionsanlagen stecken, haben andere Hersteller sogar schon mit der Produktion ihres Mittels begonnen. Und all das, bevor die entscheidenden Massenstudien erste Ergebnisse geliefert haben.
Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht nur, wer das Rennen am Ende machen wird, sondern ob es überhaupt einen Gewinner geben wird. Zwar stehen aufgrund der großen Zahl an unterschiedlichen Ansätzen die Chancen nicht schlecht, dass sich ein Verfahren am Ende als wirksam erweisen wird. Sollte das der Fall sein, dürfte es für die Kurse der Konkurrenz allerdings schlagartig nach unten gehen.
Das Risiko, sich hier zu verspekulieren, ist also gigantisch. Abgesehen davon, dass eine Wette auf Einzelwerte ohnehin einem Besuch im Casino gleicht.
Alternative: ETF auf einen Pharma-Index
Zweifellos hat die Medizin- und Gesundheitsbranche durch die Corona-Krise einen mächtigen Schub erfahren. Selbst wenn in den nächsten Monaten der Wettlauf um den Corona-Impfstoff beendet sein sollte, bleibt die Branche zukunftsträchtig und wird so schnell nicht an Relevanz verlieren. Im Gegenteil: Die aktuelle Krise könnte ohnehin ein neues Bewusstsein dafür schaffen, dass sich Investitionen und finanzielle Zuschüsse in den Sektor lohnen.
Viele Privatanleger wollen an dem Boom der Gesundheitsbranche teilhaben, ohne ihr Erspartes in eine einzelne Aktie zu stecken. Als risikoärmere Alternative empfehlen viele Analysten und Investment-Experten Fonds oder auch ETFs. Ein Beispiel für einen globalen Index ist der MSCI World Healthcare, der weltweit in Medikament- und Impfstoffhersteller, aber auch in Produzenten von medizinischer Ausrüstung sowie Zulieferer und Betreiber von Gesundheitszentren investiert.
Eine andere Möglichkeit sind Fonds, die einen bestimmten Sektor bzw. eine Teilbranche wie beispielsweise die Biotechnologie abbilden.
Diversifikation? Eher nicht.
Mit einem breit gestreuten Risiko haben allerdings auch Fonds oder ETFs auf die gesamte Gesundheitsbranche oder gar einen einzelnen Teilbereich nur wenig zu tun. Letztendlich handelt es sich hier um nichts anderes als eine Sektorwette.
Im iShares S&P 500 Health Care Sector UCITS ETF beispielsweise stecken gerade mal 68 Unternehmen, von denen die vier stärksten Positionen (Johnson&Johnson, United Healthcare, Pfizer und Merck) bereits knapp ein Drittel des gesamten Fonds stellen.
Auch der globale MSCI World Health Care Index bildet gerade mal 153 Unternehmenswerte ab. Zum Vergleich: Der “normale” MSCI World investiert zeitgleich in rund 1600 Firmen.
Überhaupt stecken auch in anderen Indizes jede Menge Health Care, Biotech und Pharma. Der Weltindex MSCI World besteht zu 14% aus Werten aus der Gesundheitsversorgung, im Nasdaq100 sind es immerhin 7%, darunter zum Beispiel das BioTech-Unternehmen Biogen oder der Impfstoff-Kandidat Moderna.
Sollten ein oder mehrere Pharma-Unternehmen also am Ende das Rennen machen, wird sich das auch in den Kursen der großen Welt-Indizes widerspiegeln.
Fazit: Wie immer kann niemand in die Zukunft sehen
Bleibt die Frage, ob sich am Ende überhaupt ein Ansatz als erfolgreich erweisen wird. Auch das kann passieren, wie die jahrzehntelange (und bislang erfolglose) Suche nach einem HIV-Impfstoff zeigt.
Doch es gibt noch ein mögliches Szenario, das manch ein Forscher ebenfalls für denkbar hält und das vor allem die breite Masse der Gesellschaft freuen dürfte: Der Virus könnte die Gefahr für den Menschen verlieren und verschwinden, bevor überhaupt ein Impfstoff gefunden wird. Mit Kursanstiegen im dreistelligen Bereich wäre es dann vermutlich erst einmal vorbei – der Gewinn aber ohne Zweifel sehr viel höher.
Kommentare (3)
A
Alabama
sagt am 30. August 2020
Besten Danke für die kleine Finanzausbildung. 😉 Ich finde solche Anlagen auf jeden Fall interessant. Hatte mir auch Gilead Science ins Depot gepackt und habe das bis jetzt nicht bereut.
M
Mona Linke
sagt am 19. August 2020
Liebe Conny, vielen Dank für deinen Hinweis! Wir haben die Grafik nun angepasst. Liebe Grüße, dein Finanzfluss-Team
C
Conny
sagt am 07. August 2020
In Pharmawerte zu investieren ist sehr risikoreich, da stimme ich voll zu. Das Diagramm ist aber leider falsch da es suggeriert das der Impfstoff Erkrankte heilen könnte. In Phase 3 wird der Impfstoff an 30000 Gesunden getestet und nicht an Erkrankten. Auch wird in Phase 2 untersucht welche Dosierung in Phase 3 getestet werden soll (ebenfalls an Gesunden). Der Impfstoff wird primär zur Vorbeugung entwickelt und erst sekundär zur Behandlung von Erkrankten getestet.
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