Aus 30 mach 40: Was würde die DAX-Erweiterung bringen?
Das mag einmal so gewesen sein, tatsächlich aber sind diese Zeiten längst vorbei. Schon seit langem bildet der Deutsche Aktienindex nicht mehr das ab, was die deutsche Wirtschaft eigentlich zu bieten hat - finden sich doch vor allem traditionsreiche Industrie-Schwergewichte in dem Index. Innovation und Digitalisierung haben nur wenig Platz zwischen Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alten Großkonzernen wie Merck, Bayer und Volkswagen. Und so können treue DAX-Käufer seit Jahrzehnten nur einen neidischen Blick auf die Kurssprünge US-amerikanischer Tech-Überflieger wie Facebook, Alphabet oder Microsoft werfen.
Eine komplette Umstrukturierung des deutschen Aktienindex fordern Kritiker deswegen schon länger, allen voran Theodor Weimer, CEO der Deutschen Börse: “Es ist kein Geheimnis, dass ich die Erweiterung vom DAX 30 auf einen DAX 40 persönlich begrüßen würde”, sagte Weimer Anfang Oktober den Medien.
Und tatsächlich: 32 Jahre nach seiner Gründung soll der DAX jetzt reformiert werden. Aus bislang 30 Mitgliedern sollen künftig 40 im Index Platz finden, außerdem sollen die Bedingungen für einen Beitritt deutlich verschärft werden. Das zumindest schlägt jetzt die Mutter des DAX, die Deutsche Börse AG vor.
Es wäre eine Umwälzung, die in der Geschichte des Index seinesgleichen suchen würde. Denn seit drei Jahrzehnten hat sich an der Zahl der Mitglieder nichts geändert. Im selben Zug möchte die Deutsche Börse auch neue Qualitätskriterien einführen, die für mehr “Transparenz und Berechenbarkeit” sorgen sollen, wie Andreas von Brevern, Pressesprecher der Deutschen Börse es auf unsere Anfrage hin formuliert.
Was sähen die neuen Standards vor?
In den DAX aufsteigen dürften fortan nur noch solche Firmen, die auch tatsächlich Gewinn erwirtschaften. Derzeitige DAX-Kandidaten wie der Online-Lieferdienst Delivery Hero würden nach der neuen Regelung also nicht mehr in den Index aufsteigen dürfen. Seit Jahren schreibt das Unternehmen rote Zahlen, trotzdem blieb ihm der Aufstieg in den DAX Ende August nicht verwehrt. Auch soll nicht mehr der Börsenumsatz, also das Handelsvolumen an der Börse einzelner Unternehmen entscheidend für die Aufnahme in den Index sein, sondern eine “Mindestliquidität”, erklärt Von Brevern. Zum Verständnis: Je mehr ein Papier gehandelt wird, desto liquider ist es. “Damit würden wir es ähnlich machen wie andere große Indexanbieter der Welt”.
Auch dem inzwischen nur noch als Skandalfirma bekannten Zahlungsdienstleister Wirecard wäre der Zugang zum DAX verwehrt geblieben, hätten die nun geplanten Reformen schon vor zwei Jahren Jahren gegriffen: Denn als weiteres Aufnahmekriterium wünscht sich die Deutsche Börse, dass Testate und Jahresbilanzen rechtzeitig eingereicht werden. Wer die Fristen nicht einhält, wird rausgeschmissen. Zudem müsste jede DAX-Firma künftig über einen eigenen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat verfügen, der die Rechnungslegung regelmäßig kontrolliert. Damit nicht genug: Die Deutsche Börse will dem Index auch aus ethischer Sicht ein neues Profil zulegen. So dürften Firmen, deren Gewinne zu mehr als 10% aus Geschäften mit “kontroversen” Waffen stammen, nicht mehr gelistet werden, sie würden aus der DAX-Gruppe fliegen. Kontrovers, das meint zum Beispiel Hersteller von Streubomben, Atomwaffen oder mit Uran angereicherte Waffen. “Davon wäre Stand jetzt ein MDAX-Unternehmen betroffen”, sagt Andreas von Breveren. Welches das ist, lässt der Pressesprecher offen.
Auch Anleger dürfen über Vorschläge abstimmen
Soweit die Qualitätskriterien, die die Deutsche Börse jetzt in den Ring geworfen hat. Ob die Maßnahmen und die Erweiterung um zehn zusätzliche Mitglieder tatsächlich Realität werden sollen, darüber können bis Anfang November nun Banken und Profi-Investoren, aber auch Privatanleger abstimmen.
Welche Unternehmen könnten dann aufsteigen?
Zur Debatte steht auch, um welche zehn Unternehmen es sich bei den Aufsteigern handeln würde. Vonseiten der Deutschen Börse gibt es Überlegungen, den MDAX, der so etwas wie die zweite Liga in der DAX-Familie ist, gleichzeitig um 10 Mitglieder zu verkleinern, also von 60 auf 50 Werte zu reduzieren. In den DAX aufrücken dürften nach dieser Methode die zehn größten MDAX-Unternehmen, erklärt der Deutsche Börse-Pressesprecher. Zu den großen Hausnummern im MDAX zählen zum Beispiel Zalando, Airbus, Siemens Healthineers, Puma, Qiagen und Sartorius.
Eine gute Anlage wäre der DAX trotzdem nicht
Mehr Unternehmen, das bedeutet mehr Umsatz und mehr Marktkapitalisierung, die künftig im Deutschen Aktienindex versammelt wäre. Das wäre erst einmal keine schlechte Sache, auch aus Anlegersicht. Sollten tatsächlich die zehn größten MDAX-Firmen in den DAX aufsteigen, dann würde das die Vielfalt an Branchen erweitern. Neben alteingesessene Industrie- und Chemiekonzerne würden mehr Unternehmen aus dem Technologiesektor oder der Textilbranche treten.
Entsprechend würde natürlich auch die Schwankungsbreite abnehmen, wenn Investitionskapital künftig auf 40 statt auf 30 Einzelwerte verteilt wird, sprich: das Risiko würde reduziert werden. Von einer wirklichen Diversifikation kann deswegen noch lange nicht die Rede sein. 40 Einzelwerte aus ein und demselben Land in einem Index, das ist nach wie vor lächerlich wenig, stecken doch in anderen Indizes wie dem FTSE All-World (3350 Einzelwerte) oder dem S&P 500 (500 Werte) deutlich mehr Firmen.
Wer sein Geld langfristig anlegen und fürs Alter vorsorgen möchte, sollte auch nach einer möglichen Erweiterung keinesfalls ausschließlich auf den Deutschen Aktienindex setzen. Ganz einfach, weil die Anzahl an Werten viel zu gering ist, um sein Kapital risikoarm zu streuen und dennoch gleichzeitig Rendite zu machen.
Das Risiko bleibt
Das wird deutlich, wirft man einmal einen Blick auf die Volatilität, also die Schwankung, die der Kurs des DAX im Vergleich zu anderen Indizes aufweist. Die Volatilität eines Index bzw. eines ETFs auf den Index gibt an, wie hoch die Wertschwankungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums sind. Sprich: Je höher die Volatilität, desto höher das Risiko. Im 5-Jahres-Zeitraum weist beispielsweise der iShares Core DAX UCITS ETF eine Volatilität von 17,23% auf, während der Kurs des internationalen MSCI World Index im selben Zeitraum um weniger als 14% geschwankt ist.
Also: Würde der DAX künftig 40 statt 30 Werte listen, würde das die Schwankung zwar reduzieren. Und doch wäre sie im Vergleich mit internationalen Indizes, die mehrere Hundert oder gar Tausende Werte enthalten, unverhältnismäßig hoch.
Rendite lässt zu wünschen übrig
Dass ein Einzelinvestment in einen ETF auf den DAX keine besonders gute Idee ist, zeigt auch die Performance, die der Index in den vergangenen zehn Jahren hingelegt hat. Wer seit 10 Jahren in den DAX investiert, konnte seine Investitionen zwar immerhin verdoppeln. Wer dagegen im gleichen Zeitraum in den MSCI World investiert hat, konnte fast 200% Rendite machen.
Patriotismus bei der Indexwahl kann fatal sein
Viele Investoren tendieren dazu, ihr Geld vorwiegend auf dem Heimatmarkt anzulegen. “Home-Bias” nennt der Börsianer das. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Man unterstützt schließlich nicht nur die heimische Wirtschaft (zumindest indirekt), sondern investiert auch ausschließlich in solche Firmen, deren Geschäftsmodelle man gut kennt und denen man gern vertraut. Tatsächlich ist der Gedanke nicht falsch, nur in solche Unternehmen zu investieren, deren Hintergründe, Geschäftszahlen oder Unternehmenskonzepte man gut kennt. Noch besser wäre es allerdings, sich ein solches Wissen auch über ausländische Märkte anzueignen und sein Geld breit über mehrere Branchen und Länder zu streuen. Das eröffnet nicht nur neue Chancen, sondern senkt schließlich auch das Risiko, Verluste zu schreiben.
Ein Nachteil wäre die Erweiterung nicht
Der DAX als Schaufenster der deutschen Wirtschaft. Mit einer Erweiterung um 10 Unternehmenswerte würde dieses Image schon glaubhafter als aktuell. Innovative Unternehmen, die zum Beispiel wegen eines zu geringen Börsenwerts im MDAX oder sogar im SDAX festhängen, könnten aufsteigen und mehr Kapital einsammeln. Sollte die Deutsche Börse die gewünschten zehn Neumitglieder tatsächlich aus der “2. Liga”, also dem MDAX abziehen, würde das eben jenen MDAX wiederum schlechter stellen. Denn: Weniger Werte, das heißt im Umkehrschluss: Mehr Risiko. Besser wäre es da, dem MDAX als Ausgleich wiederum 10 Werte aus dem darunterliegenden SDAX zuzuschieben. Oder die gesamte Indexfamilie aus DAX, MDAX und SDAX direkt zusammenzulegen.
Die Tatsache, dass die Deutsche Börse die Qualitäts-Hürden für DAX-Anwärter verschärfen möchte, ist grundsätzlich ein löblicher Gedanke. Auch wenn es geradezu grotesk ist, dass einige DAX-Mitglieder in der Vergangenheit überspitzt gesagt nach Lust und Laune Bilanzen einreichen durften, wenn es ihnen genehm war.
Breit streuen, lautet das Credo bei einem langfristigen Investment, das zum Beispiel zur Alterssicherung dienen soll. Mit einem einzelnen ETF auf einen einzelnen Index, der lediglich ein Land und vornehmlich nur Unternehmen aus bestimmten Branchen abbildet, wird das nicht gelingen. Besser wäre es, sein Erspartes direkt in einen internationalen Indexfonds zu stecken, der breit diversifiziert über mehrere Branchen und Ländergrenzen hinweg investiert. Das steigert die Rendite und senkt das Risiko. Den besten Broker dafür kannst du in unserm ETF-Sparplan-Vergleich finden.
Kommentare (2)
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Julia
sagt am 19. Oktober 2020
Bleibt es bei diesem Urteil auch angesichts der Corona-Krise? Die gesamte Weltwirtschaft ist geschwächt und wird sich vermutlich nicht so schnell erholen. Könnte es nicht sein, dass angesichts dieser Ausgangssituation eine Investition in den DAX mit +10 Firmen doch sinnvoll ist (jedenfalls für die nächsten 10 Jahre beispielsweise)?
J
Johannes
sagt am 15. Oktober 2020
Cooler Beitrag! Würde auch immernoch nicht in den Dax investieren!
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