Dienstrad statt Dienstwagen: ein guter Deal?
Gehalt ist nicht mehr alles. Glaubt man den großen Karriere-Portalen im Netz, müssen Unternehmen heute mehr tun, als ihre Mitarbeiter großzügig zu entlohnen. Und so findet man mittlerweile in nahezu jeder Stellenausschreibung sogenannte Job-Benefits. Angefangen beim Monatsticket über den Zuschuss zum Mittagessen oder die Fitnessstudio-Mitgliedschaft wird die Liste an „Zusatz-Vorteilen“ immer länger. Immer öfter liest man dabei vom Dienstrad im Leasing-Modell. „Mit dem Umstieg aufs Rad kann jeder sofort einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, schwärmt ein Anbieter im Netz, ein anderer meint: „Ein attraktives Angebot zieht Fachkräfte an und hält Ihre Mitarbeiter fit und gesund.“ Das E-Bike sei zu einem „Statussymbol“ geworden, liest man woanders, und obendrein „ein sichtbares Zeichen für Nachhaltigkeit“. Eine Plattform verspricht gar: „0% Aufwand für Unternehmen, 100% Leistung für Arbeitnehmende“. Doch klappt es wirklich so leicht mit den Diensträdern fürs Team? Profitieren Arbeitnehmer am Ende wirklich oder zahlen sie am Ende mehr, als ihnen lieb ist?
Steuern und Abgaben sparen mit dem Dienstrad
Hinter den Dienstrad-Angeboten für Unternehmen und ihre Beschäftigten steckt ein Leasing-Konzept. Ähnlich wie der Firmenwagen wird das Fahrrad den Mitarbeitern für einen bestimmten Zeitraum zur Nutzung überlassen. Dafür fällt jeden Monat eine Leasingrate an. Die Kosten können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen oder aber eine Partei übernimmt sie komplett.
Übernimmt der Arbeitnehmer die Kosten, dann in aller Regel in Form einer Gehaltsumwandlung. Das bedeutet: Teile des Brutto-Entgelts werden nicht ausgezahlt, sondern umgewandelt in einen sogenannten „Sachlohn“. Beträgt die Leasingrate für ein Dienstrad beispielsweise 200€ und wird zur Hälfte vom Arbeitnehmer getragen, verringert sich das Bruttomonatsgehalt um 100€. Auch wenn das für den Arbeitnehmer zunächst weniger Lohn bedeutet, entsteht dadurch zugleich ein finanzieller Vorteil: Weniger Bruttogehalt bedeutet weniger Sozialabgaben sowie eine niedrigere steuerliche Belastung. Die Kosten verschwinden dadurch nicht, reduzieren sich zum Teil aber deutlich, sodass die radelnden Angestellten ein gutes Geschäft machen sollen. So werben die meisten Anbieter im Netz damit, dass Mitarbeiter übers Leasing bis zu 40% der Anschaffungskosten sparen. Doch geht die Rechnung wirklich auf?
Das Marken-E-Bike für 29€ im Monat
Wie hoch die Leasingrate ausfällt und was das mit dem Nettogehalt eines Mitarbeiters macht, hängt zum einen vom Kaufpreis des Fahrrads ab, zum anderen aber auch vom Gehalt und dem jeweiligen Steuersatz. Dazu ein Beispiel:
Mario verdient in seiner Firma 3.000€ brutto im Monat. Sein Chef bietet ihm das Dienstrad-Leasing für eine Dauer von 36 Monaten an und ist bereit, 50% der Rate zu übernehmen. Mario sucht sich ein neues E-Bike zum stolzen Preis von 3.200€ aus. Welche Kosten kommen damit auf ihn zu?
In verschiedenen Rechnern von Anbietern lässt sich das online rasch ausrechnen. Ein Tool kalkuliert bereits alle nötigen Versicherungen ein, die vor Verschleiß und Inspektionskosten absichern und rechnet mit einer Leasingrate von 115,23€ für 36 Monate. Knapp 24€ davon machen die Versicherungskosten aus. Geht man nun davon aus, dass Marios Arbeitgeber diese allein übernimmt, entfällt auf Mario eine Leasingrate von 45,71€ (50% von 91,43€), die per Gehaltsumwandlung von seinem Bruttolohn abgezogen werden. Damit ergibt sich für Mario eine Nettobelastung von 29,66€. Wie kommt die zustande?
So hoch ist die Nettobelastung
Monatliche Leasingrate (50% Arbeitgeber; 50% Arbeitnehmer) | 91,43€ |
Monatliche Rate inkl. Versicherung | 115,23€ |
Monatl. Gehaltsumwandlung (Abzug vom Bruttolohn) | 45,71€ |
Tatsächliche Nettobelastung | 28,89€ |
Die Rechnung geht beispielhaft davon aus, dass Mario als Arbeitnehmer in Steuerklasse 1 ist, keine Kirchensteuer zahlt und dadurch normalerweise 324,17€ Lohnsteuer bezahlen würde. Durch die Gehaltsumwandlung werden daraus 315,58€. Bei den Sozialabgaben sind die Einsparungen etwas geringer. Die Abgaben an die Krankenversicherung sinken beispielsweise um knapp drei Euro, die Pflegeversicherung um ungefähr vier Euro, bei der Arbeitslosen- und Pflegeversicherung liegen die Einsparungen bei unter einem Euro. Insgesamt rechnet das Tool mit einem Nettogehalt von 2.082,58€ ohne Leasing und mit 2.060,92€ mit Dienstrad. Mit anderen Worten: Der Arbeitnehmer würde pro Monat knapp 21,66€ bezahlen, um drei Jahre lang ein 3.200€ teures E-Bike zu fahren. Zusätzlich werden ihm 8€ als geldwerter Vorteil abgezogen, falls das Fahrrad auch privat genutzt wird. Was hat es damit auf sich?
Die 0,25%-Regel
Wer ein Dienstfahrrad auch privat nutzt, muss den geldwerten Vorteil, der ihm dadurch entsteht, pauschal versteuern. Bei Fahrrädern seit Februar 2020 lediglich mit 0,25% des Kaufpreises, was bei 3.200€ beispielsweise 8€ ergibt. Zum Vergleich: Beim Dienstwagen sind es 1% des sogenannten Brutto-Listenpreises.
In Marios Fall beträgt der geldwerte Vorteil also 8€. Insgesamt beläuft sich seine Nettobelastung pro Monat also auf 29,66€ (8€ + 21,66€), was nach drei Jahren Gesamtkosten von 1067,76€ ergibt.
Das passiert mit den Sozialabgaben
Ohne Dienstrad-Leasing | Mit Dienstrad-Leasing | |
Bruttogehalt | 3.000€ | 3.000€ |
Lohnsteuer | 324,17€ | 315,58€ |
Soli | 0€ | 0€ |
Krankenversicherung | 219,00€ | 216,35€ |
Pflegeversicherung | 56,25€ | 55,54€ |
Arbeitslosenversicherung | 39,00€ | 38,51€ |
Rentenversicherung | 279,00€ | 275,49€ |
Nettogehalt | 2.082,58€ | 2.060,92€ |
Lohnt sich das? Eine Frage der Ansprüche
Ob sich das Leasing für den Arbeitnehmer finanziell lohnt oder nicht, ist vor allem eine Frage des Ermessens. Wer nie Interesse daran hatte, sich ein neues Fahrrad zuzulegen, zahlt letztlich für etwas, das er oder sie sich eigentlich sparen könnte. Wer dagegen ohnehin seit Jahren mit der Anschaffung eines nagelneuen Carbon-Rads liebäugelt, könnte einen guten Deal machen. Bis zu 40% sollen Angestellte sparen, wenn sie das Fahrrad erst leasen und später erwerben, statt es direkt zu kaufen. Doch gilt das nur, sofern ein Mitarbeiter nach Ablauf der 36 Monate das Fahrrad vom Anbieter abkauft. Eine Plattform, die ein solches Leasing-Modell anbietet, kalkuliert dabei mit 18% des Originalpreises (3.200€ x 18% = 576,00€). Auf anderen Websites liest man zum Teil von niedrigeren Übernahmepreisen, beispielsweise in Höhe von 10%.
2.440€ sparen dank Leasing?
Was würde Mario in seinem Fall sparen? Addiert man alle 36 Leasingraten (1.067,76€) und den Übernahmepreis (576,00€), landet man bei Gesamtkosten in Höhe von 1.643€. Demgegenüber stellt die Plattform den Originalpreis von 3.200€ plus Versicherungskosten in Höhe von knapp 900€, was Gesamtkosten von 4.084€ ergibt – und damit 2.440€ mehr als im Leasing-Modell. Mario hätte über das Leasing-Modell sogar ganze 60% des Kaufpreises gespart.
Was die Übernahme angeht, gelten in etwa dieselben Regelungen wie beim Dienstwagen. Die meisten Anbieter geben an, sich mit einer Vorlauffrist von beispielsweise zwölf Monaten bei den Mitarbeitern zu melden und diesen ein Kaufangebot zu unterbreiten. Wer sich zuvor auf eine bestimmte Leasingdauer geeinigt hat, muss nun in der Regel zwingend eine Entscheidung treffen, kann das Fahrrad also nicht einfach weiterhin leasen.
Je höher das Gehalt, desto größer die Ersparnis
Generell gilt: Je höher das eigene Gehalt, desto eher lohnt sich ein Leasing-Rad, denn umso höher fällt die Ersparnis gegenüber dem Direktkauf aus. Das liegt schlichtweg daran, dass höhere Einkommen auch höhere Sparpotenziale bei den Steuern bieten. Ein Beispiel: Bei einem Kaufpreis von 2.000€ und einem Gehalt von 3.000€ brutto kann das Dienstrad-Leasing gut und gern 30% des Kaufpreises sparen. Bei ansonsten gleichen Konditionen und einem Gehalt von 5.000€ brutto beträgt die Ersparnis dagegen 36%.
Ist der Arbeitgeber vorsteuerabzugsberechtigt?
Noch etwas günstiger wird es, wenn der Arbeitgeber, wie die meisten Unternehmen, vorsteuerabzugsberechtigt ist. In diesem Fall fällt keine Mehrwertsteuer auf die Leasingrate an. Davon profitiert letztlich auch der Arbeitnehmer, weil sich schließlich die Rate verringert – und damit auch sein Anteil.
Als Betriebskosten absetzbar
Doch weshalb sollte ein Unternehmen seinen Beschäftigten einfach so einen fahrbaren Untersatz stellen? Abgesehen von der viel beschworenen Mitarbeiterbindung können auch Arbeitgeber finanzielle Vorteile ausschöpfen, wenn die eigenen Angestellten weniger Bruttogehalt zu versteuern haben. Denn dadurch müssen auch sie weniger Sozialabgaben für ihre Mitarbeiter abführen. Abgesehen davon lassen sich die Leasingraten als Betriebskosten absetzen. Mit anderen Worten: Eine Mehrbelastung ist so ein Dienstrad schon, sofern sich das Unternehmen an den Leasingraten beteiligt. Doch lässt sie sich an anderer Stelle durch steuerliche Vorteile zumindest teilweise kompensieren. Die Alternative wäre, sich als Arbeitgeber überhaupt nicht zu beteiligen und damit überhaupt keine Kosten zu tragen. Und selbst in dem Fall muss das Konzept für Mitarbeiter nicht unattraktiv sein.
Was gilt bei Kündigung oder Unterbrechung?
Doch was, wenn Mitarbeiter kündigen, in Mutterschutz gehen, erwerbsunfähig werden oder aus anderen Gründen für längere Zeit oder gar für immer ausfallen? Für all solche Gegebenheiten schließen die meisten Anbieter spezielle Versicherungen ab, die den Unternehmen bzw. Arbeitnehmern ermöglichen, das Leasing zu unterbrechen oder vorzeitig zu beenden.
Kommentare (14)
M
Max
sagt am 06. Mai 2024
Im Artikel steht "Zum Vergleich: Beim Dienstwagen sind es 1% des sogenannten Brutto-Listenpreises." Das ist so pauschal falsch. Für Vollelektrische Fahrzeuge gilt auch hier 0,25%.
D
David
sagt am 06. Mai 2024
Ist der Zinssatz hoch sind es auch die Leasingraten. Also gerade aktuell eine Preisvergleich im Netz extrem empfehlenswert wir ich feststellen musste. Abkaufpreis nach 3 Jahren mit einberechnet lohnt es sich fast nur noch für die Steuerklasse 1.
M
Michael
sagt am 04. Mai 2024
Vielen Dank für den Beitrag. Ich vermisse hier leider etwas Tiefgang. Beispielsweise Hinweis auf die niedrigeren Sozialbeiträge und dessen Folgen. Hinweis, dass beim Barkauf oftmals niedrigere Preise möglich sind. Hinweis, dass man ggf. Auch ein Vorjahresmodell bar kaufen könnte und damit hohe Rabatte erzielen kann. Hinweis auf teilweise hohe Versicherungen, die viele Freizeitradler so wahrscheinlich nicht abschließen würden usw.. Wie beim Autoleasing — ganz genau durchrechnen und abwägen. Niemals blind entscheiden.
P
Peterle
sagt am 03. Mai 2024
Übernimmt der Arbeitnehmer die Kosten, dann in aller Regel in Form einer Gehaltsumwandlung. ist viell. ein Schreibfehler, ist nicht der Arbeitgeber gemeint?
A
Anonym
sagt am 03. Mai 2024
Ich habe das selber Ebike mit ca 1500€ günstigen in Internet gefunden. Warum soll ich über Arbeitgeber liehen ?
T
Thomas
sagt am 03. Mai 2024
Für Menschen, die (wie ich) tatsächlich längere Strecken zur Arbeit radeln (16km) lohnt sich der Deal eher: Die Versicherung übernimmt bei mir Verschleißkosten in den ersten drei Jahren und das können bei einer solchen Fahrleistung gut und gerne 500 Euro oder mehr sein. Außerdem ist die Ersparnis bei teuren Rädern größer. Für Freizeitradler lohnt es sich eher nicht.
D
Danio
sagt am 03. Mai 2024
Die Versicherung ist mit 900 Euro viel zu hoch angesetzt, 240 Euro wären schon viel. Mein KO-Kriterium: Bestimmte Nutzungen und Anpassungen können ausgeschlossen sein.
M
Malte
sagt am 03. Mai 2024
Was bei den Rechnungen nicht berücksichtigt wird, dass man für Räder im Laden nur selten den Bruttolistenpreis bezahlt.
A
Anonym
sagt am 12. September 2024
Oben steht ja auch nichts davon, sondern "Kaufpreis" ... du kansnst dir ja bei den teilnehmenden Händlern den Preis online raussuchen (auch ein Sonderangebot). Ich denke die "Herstellerpreisempfehlung" spielt nur bei der Verteuerung eine Rolle oder?
V
Vanessa M.
sagt am 03. Mai 2024
Ich habe Kritik am Leasing gelesen, dass sich durch das niedrigere Gehalt die Rente verringert. Wie seht ihr das? Findet ihr, das ist ein Problem?
T
Thomas
sagt am 03. Mai 2024
Bei mir verringert sich die Rente um ca. 1 Euro im Monat. Muss man einbeziehen.
A
Anonym
sagt am 12. September 2024
Also macht das dann ganze 12 EUR im Jahr aus? 240 EUR in 20 Jahren?
A
Alex
sagt am 03. Mai 2024
Moin, Ein paar weitere Nachteile haben die Leute von Verdi auf Ihrer Webseite aufgezählt (bawue.verdi.de/++co++0716cbfa-309e-11e7-8ff2-525400423e78) U.A. da man weniger in die öffentlichen Kassen einzahlt, sinkt die spätere Rente. Auch die Ansprüche auf Krankengeld und Arbeitslosenunterstützung sinken. Ob das alles wirklich so ins Gewicht fällt, kann ich allerdings nicht sagen.
N
Noah
sagt am 07. August 2024
Das kommt natürlich auch darauf an wie groß die Ersparnis bspw. durch andere Zuschüsse ist. Wenn der Arbeitgeber nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (wie bspw. Städte und Gemeinden) und diese dann auch keine Zuschüsse leisten, man so auch die Versicherung komplett selbst zahlt, sondern nur das Leasing mit Gehaltsumwandlung ermöglichen, kann es sehr gut sein, dass der ohnehin geringere Vorteil nahezu aufgefressen wird. Auf jeden Fall haben die Anbieter ein Interesse daran das ganze besonders schön zu rechnen. In den Rechnungen finden sich auch immer günstige Übernahmepreise, die die Anbieter rechtlich gesehen genauso wie eine Kaufoption gar nicht zusichern dürfen.
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