Gegen den Strom schwimmen mit einem dynamischen Tarif?
Das Rauf und Runter an der Börse kann einem Angst einjagen, doch bekanntermaßen hat die Achterbahnfahrt ihre Vorteile: Breit aufgestellten ETF-Anlegern zum Beispiel bringt sie langfristig die ersehnten Renditen ein. Doch seit Neuestem können sich auch ganz normale Verbraucher die Schwankungen der Börse zunutze machen. Zum Beispiel, indem sie ihren Strom zum Börsenpreis beziehen, statt ihrem Anbieter jeden Monat den Standard-Fixpreis zu bezahlen. Das funktioniert mit einem dynamischen Stromtarif, der nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt schonen soll. Doch der Wechsel lohnt sich nicht immer – und wer nicht aufpasst, zahlt am Ende womöglich mehr als im Standardtarif.
Spottpreise am Spotmarkt?
Genau wie wir die Packung Milch direkt vom Erzeuger oder im Supermarkt kaufen können, gibt es auch für Stromanbieter zwei Arten, Strom zu beziehen: direkt vom Stromerzeuger oder an der Energiebörse. Das geht über die Strombörse EPEX Spot der Energiebörse European Energy Exchange, kurz EEX, mit Sitz in Paris. Dort treffen Anbieter und Käufer zusammen und verhandeln über die Stromlieferungen des nächsten Tages. An der Börse wird aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ein Marktpreis gebildet. Während Stromanbieter den Strom vom Erzeuger in der Regel als festen, planbaren Standardpreis an ihre Stromkunden weitergeben, zahlen Kunden mit einem dynamischen Stromtarif für die Kilowattstunde das, was gerade an der Börse als Preis verlangt wird.
Für Stromanbieter ist der Handel an einer Energiebörse eher ein Randgeschäft. 87% des Stroms kaufen die Anbieter direkt von den Erzeugern, nur 13% laufen über die Strombörse.
Börsenstrompreis in € je MWh im Februar 2024
Weil der Strompreis an den Börsen Produkt von Angebot und Nachfrage ist, schwankt dieser zum Teil sehr stark und kann damit weit über, aber auch weit unter dem Grundpreis liegen, den Verbraucher üblicherweise an ihren Anbieter bezahlen. Obwohl auch auf einen dynamischen Stromtarif am Ende noch Netzentgelte, Steuern und diverse Gebühren vom Stromanbieter draufgeschlagen werden, lässt sich an der Energiebörse also das ein oder andere Schnäppchen schlagen. Zumindest theoretisch – denn dafür braucht es das richtige Timing.
Strom verbrauchen, wenn er billig ist
Genau wie bei anderen Handelsgeschäften gilt auch an der Strombörse: Ein hohes Angebot bei wenig Nachfrage drückt typischerweise auf den Preis. Hohe Nachfrage bei wenig Angebot bedeutet in der Regel steigende Preise. Ein günstiger Strompreis kann sich also einerseits ergeben, wenn gerade viel produziert wird. Man könnte auch sagen: Wenn der Wind gut steht. Denn knapp die Hälfte des Stroms, den wir in Deutschland nutzen, wird aus erneuerbaren Energien gewonnen, aus Windkraft oder Sonnenkraft beispielsweise. Wie stark die Sonne in einem Monat scheint oder wie stark der Wind weht, lässt sich weder beeinflussen noch besonders gut vorhersehen. Tendenziell aber wird nachts mehr Windenergie erzeugt als tagsüber, dafür bieten die Sommermonate die besten Bedingungen, um Sonnenenergie zu gewinnen.
Strom besser nachts verbrauchen?
Relevant ist auch, wie nachgefragt der Strom zum jeweiligen Zeitpunkt ist. Weil die Menschen eher selten nachts den Rasen mähen oder die Waschmaschine anwerfen, ist der Börsenpreis zu dieser Zeit meist niedriger als tagsüber. Gleichzeitig können Krisen und Mangellagen, wie wir sie 2022 erlebten, den Börsenpreis über Monate oder gar Jahre auf hohem Niveau verharren lassen.
Als Nutzer eines dynamischen Stromtarifs gilt es also, die Schnäppchen-Momente an der Börse abzupassen. Das klappt beispielsweise mit Apps wie Tibber, welche in Echtzeit den Einkaufspreis anzeigen, der gerade an der Strombörse gilt.
Digitalen Stromzähler einbauen
Wer von einem festen in einen dynamischen Stromtarif wechseln will, muss seinen eigenen Stromverbrauch zunächst sehr genau messen. Das funktioniert mit einem sogenannten Smart Meter, einem digitalen Stromzähler. Seit Anfang 2020 sind die Kosten hierfür gedeckelt auf maximal 20€ pro Jahr, sofern im Haushalt weniger als 10.000 kWh Strom verbraucht werden. Zur Orientierung: Ein Zwei-Personen-Haushalt verbraucht pro Jahr im Schnitt 2.000 kWh Strom. Der Aufwand für die Installation hält sich also in Grenzen, doch es bleibt die Frage: Spart das Ganze wirklich Geld? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an.
Dynamischer Tarif muss nicht günstiger sein
Bei schlechtem Timing kann ein dynamischer Stromtarif auch die Kosten steigen lassen. Grundsätzlich gilt: Je mehr man als Haushalt verbraucht und je flexibler sich dieser anpassen lässt, desto eher lohnt sich ein dynamischer Tarif. Wer beispielsweise ein E-Auto fährt oder das Haus mit einer Wärmepumpe heizt, sollte versuchen, die Geräte möglichst dann laufen zu lassen, wenn der Strom gerade billig ist. In dem Fall kann der dynamische Tarif tatsächlich Kosten sparen, denn an einigen Tagen ergeben sich Preisspannen von bis zu 20 Cent pro kWh zwischen der günstigsten und der teuersten Stunde. In einem Zwei-Personen-Haushalt mit moderatem Verbrauch von rund 8,2 kWh Strom pro Tag würde so ein Rabatt kaum zu Buche schlagen. Doch bei der Großfamilie mit Tesla in der Garage kann das schon anders aussehen, dürfte allein das Fahrzeug bei täglicher Nutzung gut und gern 30 kWh Strom verschlingen.
Zwei-Personen-Haushalt verbraucht pro Tag 8,2 kWh
Ob und wie viel man spart, hängt letztlich auch davon ab, wo der Standard-Strompreis steht.
Dynamischer vs. Standard-Stromtarif im Tagesverlauf
Lieber einfach den Anbieter wechseln?
Ein dynamischer Stromtarif hat seinen Preis: Um von den Schwankungen an der Strombörse zu profitieren, müssen jene fortlaufend im Blick behalten werden. Verbraucher, die dazu wenig Muße haben, lieber mit einem festen Preis kalkulieren und das Licht anknipsen wollen, wenn es ihnen passt, wären mit einem dynamischen Tarif nicht besonders gut beraten. Dazu lohnt sich der Wechsel vor allem, wenn der Verbrauch sehr hoch ist - andernfalls dürfte selbst der niedrigste Spotmarktpreis am Ende nur ein paar Cent Ersparnis pro Tag bringen.
Viel lohnenswerter könnte ein Anbieterwechsel sein. Gerade 2024 kann das eine große Menge an Geld sparen. Denn während Kunden mit Altverträgen nach wie vor kWh-Preise von knapp 40 Cent zahlen, zahlten Neukunden Mitte Februar im Schnitt nur 31% für die Kilowattstunde.
Kommentare (14)
A
Artu
sagt am 29. März 2024
Hallo Finanzfluss Team, Ich bin über den im Podcast genannten "durchschnittlichen Strompreis bei Neuverträgen Anfang 2024" (min 17:01) gestolpert. Ich finde auf den gängigen Vergleichsportalen leider keine Tarife
A
Anonym
sagt am 08. März 2024
Glaub keiner Statistik, die Du nicht selbst gestaltet hast! Als Jahresdurchschnittsverbrauch für einen 2-Personen-Haushalt wird meist 2500 kWh angegeben (und nicht 2000 kWh). 2500 kWh/a sind 6,8 kWh/d und nicht 8,2 kWh/d. 8,2 kWh/d wären nochmal etwas anderes, nämlich 3000 kWh/a. Ein E-Mobil braucht um die 15 kWh/100 km. Wenn dieses also mit 30 kWh/d zu Buche schlagen sollte, wird es pro Tag 200 km gefahren (oder 73.000 km/a). Klar: Bei einem solchen Stromverbrauch lohnt es sich dann, beim Laden auf den Strompreis zu schauen, aber nur wenige Leute fahren so viel. Wir brauchen im Jahr nicht mal 1200 kWh (etwa 3 kWh/d). In dieser Verbrauchsklasse holt man mit der Wahl eines günstigen Anbieters mehr heraus als mit allen Tibbers dieser Welt. Und nein, auf diesem Niveau wasche ich unsere Wäsche genau dann, wann ich will, und würde extra vorher nicht ins Internet gehen, um abzufragen, wann der Strom billig ist. PS: Im Artikel steht, der Strompreis sei für Neukunden auf 31 % gesunken. 31 ct/kWh wäre richtig. Cent, nicht Prozent.
J
Joe
sagt am 04. März 2024
Ein wichtiger Vorteil ist auch das Nutzer von dynamischen Angebote auch automatisch zur Strom-Netz Stabilisierung beitragen. Ich kann natürlich auch ohne Tibber meine WP and Tesla so einstellen, dass ich die Hauptlast Zeiten vermeide, aber die integration mit der App macht es einfach und die finanzielle motivation hilft auch.
H
Hans H.
sagt am 02. März 2024
Irgendwie ist der Fehlerteufel in diesem Artikel reingeschlichen. Der Verbrauch für Familien ist nach meiner Meinung viel niedriger, korrekt sollte sein: „Ein 4-Personen-Haushalt hat einen durchschnittlichen Stromverbrauch von 2.600 - 5.000 kWh pro Jahr.“ Unseren Verbrauch war immer rund die 2000 kWh pro Jahr (zwei Personenhaushalt). Dank unsere Sparmaßnahmen, sind wir letztes Jahr tatsächlich unter 1000 gelandet. Bei so einem niedrigen Verbrauch lohnt sich Tibber nicht. Irgendwann werden wir aber ein eAuto anschaffen, ich bin gespannt wie die Lage dann aussieht. Trotzdem bleibt Energiesparen, die beste Methode, um Klima und Portmonee zu schonen.
A
Achim
sagt am 06. April 2024
Unter 1000 kWh im Jahr für zwei? Wow! Nicht genügend Zeichen für einen Kommentar? Wieviele müssen es denn sein? Ah! Offensichtlich mehr als hundert. Das sind jetzt mehr als hundert.
D
Dennis
sagt am 01. März 2024
Wir haben schon seit einer Weile einen dynamischen Stromtarif zusammen mit unserer Solaranlage (12 kWp) und dem Speicher (11 kWh) am Start. Der Hauptgrund war, dass unser Stromversorger die Preise richtig hochgeschraubt hat. Klar, wir mussten ein bisschen was an unseren Gewohnheiten ändern, aber von zu Hause aus arbeiten macht das Ganze ziemlich einfach. Dank dieser kleinen Änderungen zahlen wir jetzt manchmal nur 7 bis 14 Euro Stromkosten im Monat.
M
Marco Obermeier
sagt am 01. März 2024
Ich schließe mich Bernd Schmidt an. Dynamische Stromtarife sind ein wichtiger Bestandteil in der Energiewende. Die genannten größeren Schwankungen am Spotmarktpreis sind meist nach unten (bestätigen Sie sich selbst https://energy-charts.info/charts/price_spot_market/chart.htm?l=en&c=DE&year=2024&interval=week&week=05). Das ist auch durch den Merit-Order-Effekt erklärbar, wenn viel erneuerbare im Netz sind wirds häufig einfach günstiger (Next-Kraft-Werke erklären diesen hier sehr gut https://www.next-kraftwerke.de/wissen/merit-order)
B
Bernd Schmidt
sagt am 01. März 2024
Da Lastverschiebung ein wichtiger Baustein der Energiewende ist, wird's langfristig für (fast) alle auf dynamische Stromtarife hinauslaufen müssen, und das ist auch gut so.
T
Tim
sagt am 01. März 2024
Bin auch bei Tibber und dann ab Mai diesen Jahres 1 Jahr. Hatte vorher einen Abschlag von 60-70€ im Monat und jetzt von 39-48€. Und dazu noch die KWh schwanken im Monat von 22-25 ct. (Brutto) , bei meiner Monatsabrechnung. Hatte auch schonmal ein paar Stunden im Sommer mit Gutschrift. Schon sehr nett anzuschauen dann.
A
Anonym
sagt am 01. März 2024
Hallo Bitte daran denken, dass ein Speicher immer Verluste hat. Beim laden und abgeben der Leistung sind das je ca. 10%. Ich selbst benutze seit Dezember einen dyn. Stromtarif. Kam vorher von 44,49Ct Arbeitpreis/brutto + 23€ Grundgebühr und hatte die letzten 3 Monate einen kwh Preis von 21, 28, 25Ct incl. Grundgebühr bei Nutzung eines E Autos. Kommt halt jetzt auf den Börsenstrompreis an, aber für den Preis habe ich keinen Anbieter gefunden, Abrechnung erfolgt monatlich, Kündigung geht monatlich.
A
Artuu
sagt am 29. März 2024
Hallo, ich habe auch seit einigen Monaten einen dynamischen Strom-Tarif und komme in etwa auf diese Stromkosten (25Ct/kWh +/- 2Cent je nach Monat und Verhalten). Ich bin über den im Podcast genannten "durchscnittlichen Strompreis bei Neuverträgen Anfang 2024" (min 17:01) gestolpert. Ich finde auf den gängigen Vergleichsportalen leider keine Tarife
H
Helen
sagt am 01. März 2024
Mit Batteriespeicher sollte es doch noch lukrativer sein, oder? Wenn ich den Speicher automatisch laden lasse, wenb der Preis unter eine bestimmte Höhe fällt zb?
N
Noka Hust
sagt am 01. März 2024
Nicht wirklich, Ich nutze Tibber und die Preise schwanken täglich ca. um 5-10 cent/kwh. Meist schwanken die Preise zwischen 20 und 25 cent/kwh. Der Speicher kann also nur ca. 5 cent/kwh (ca. 25%) ausnutzen. Zusätzlich gibt es beim Laden und Entladen Verluste die den Gewinn weiter reduzieren. Ein 10 kwh Speicher spart also pro ladezyklus maximal 50 cent Strom ein. Wenn so ein Speicher ca. 6.000 Ladezyklen (20 Jahre) geschafft hat wurden nur 3.000 € gespart. Die Kosten für einen 10 kwh Speicher liegen aber bei 8-10.000 € somit ist das ein Minusgeschäft.
P
Patrick Lamwersiek
sagt am 01. März 2024
Das habe ich tatsächlich auch schon gehört. Bidirektionales Laden mit dem E-Auto fände ich allerdings besser, da dann keine hohen Zusatzkosten für den Hausspeicher entstehen.
Kommentar schreiben