Fairr-Riester – im Crash “fairrkauft”
Bye Bye, Aktien
Sowohl in der Wirtschaft als auch an den Finanzmärkten hat die Corona-Krise ihre Spuren hinterlassen. Inzwischen haben sich die Börsenkurse zwar wieder leicht berappelt. Doch nicht alle konnten (oder wollten) so lange warten.
So zum Beispiel die Hamburger Privatbank Sutor, die hinter dem Berliner Finanz-Startup Fairr steht - und vor Kurzem die Reißleine gezogen hat. Es war Ende März, die Kurse hatten gerade ihr historisches Tief erreicht, als Fairr-Riester seinen Kunden mitteilte, dass nun alle Aktien aus den Riester-Fondssparpläne seiner Kunden verkauft wurden.
Ein Betroffener hat uns das Schreiben von Fairr weitergeleitet, in dem es unter anderem heißt:
“Durch die Corona-Krise erfahren aktuell sowohl Aktienkurse als auch Zinsen extreme – zum Teil nie dagewesene – Schwankungen. Eine verlässliche Risikomodellierung ist unter den derzeitigen Ausnahmebedingungen nicht möglich. Dies gilt insbesondere für Verträge mit langen Laufzeiten – hier wirken sich die derzeitigen Zinsschwankungen am stärksten aus”.
(...) “Im Sinne der Risikosteuerung wurde deshalb zunächst aus den Aktienmärkten in Cash umgeschichtet, bis besser kalkulierbare Parameter wieder eine tragfähige Risikomodellierung ermöglichen”.
Gefragt hat die Kunden niemand, was in Corona-Zeiten mit ihren Portfolios passieren soll. Und so ist jetzt für viele Sparer genau das eingetreten, wovor wir immer warnen: Die bis dato nur auf dem Papier vorhandenen Buchverluste sind zu realen Verlusten geworden. Und unser betroffener Informant fragt sich wie zig andere Kunden: “Ist das nicht verrückt?”
Wie konnte es so weit kommen?
Nun ja. Ganz so verrückt ist die Sache tatsächlich nicht. Wie die meisten Anleger fürchtete auch das Berliner Startup beziehungsweise seine Partnerbank Sutor, an den heftigen Kursschwankungen zu zerbrechen - und beschloss, das vermeintlich sinkende Schiff schnellstmöglich zu verlassen.
Das hat keineswegs nur mit reiner Hasenfüßigkeit zu tun. Schließlich müssen Anbieter von Riester-Renten ein gesetzlich festgelegtes Versprechen einhalten: Ihre Kunden, die jahrelang eingezahlt haben, müssen mit Eintritt in den Ruhestand zumindest ihre eingezahlten Beiträge sowie die erhaltenen staatlichen Zulagen ausgezahlt bekommen. So sieht es die Beitragsgarantie vor.
Dieses Versprechen am Ende nicht einlösen zu können, fürchtete das Startup aufgrund der krassen Kursrutsche zuletzt - und löste den Aktienanteil des Portfolios auf.
Das eigentlich Bizarre dabei ist: Die hohe Aktienquote war bislang das Alleinstellungsmerkmal von Fairr Riester, das mit höheren Renditen, einer lebenslangen Rente plus der staatlichen Förderung geworben hat (und noch immer wirbt). So lag die Aktienquote bei jemandem, dem noch 20 Jahre bis zum Ruhestand bleiben, bei ganzen 100%. Und 15 Jahre vor der geplanten Rente hätte der Aktienanteil immerhin noch 53% betragen. Jetzt beträgt die Quote bei allen Sparern 0%.
Zwar mischen auch andere Riester-Anbieter wie DWS, Union Investment oder Deka den Sparplänen ihrer Kunden Aktien bei - der Anteil ist im Vergleich zu den Fairr-Portfolios aber marginal und liegt inzwischen nur noch bei rund 10%.
Die Riester-Fonds-Anbieter haben aus ihren Fehlern gelernt. Denn auch sie sahen sich im Zuge der Finanzkrise 2008/2009 gezwungen, die Aktien-Sparpläne ihrer Kunden in Anleihen umzuschichten, weil sie fürchteten, die gesetzliche Beitragsgarantie sonst nicht einhalten zu können.
Was sollten Fairr-Kunden jetzt tun?
An diesem Punkt steht nun auch Fairr, dessen Kunden aus unserer Sicht jetzt vor allem eines tun sollten: Warten.
Jetzt den Riester-Vertrag zu kündigen, wäre ein Fehler, dann dann verfällt die Beitragsgarantie - also die Garantie, dass du mit Eintritt in den Ruhestand deine eingezahlten Beiträge plus die staatlichen Bezüge auch wirklich erhältst.
In der Zwischenzeit empfehlen wir dir außerdem, deinen Vertrag beitragsfrei zu stellen also so lange ruhen zu lassen, bis es neue Infos darüber gibt, was mit den Aktienfonds der Kunden passiert, die aktuell auf einem Verrechnungskonto liegen.
Fazit: Auf ihre Altersvorsorge müssen Kunden von Fairr-Riester wegen der jüngsten Entwicklungen also nicht verzichten. Fairr-Riester beziehungsweise die Partnerbank Sutor, die die Fondssparpläne verwaltet, ist verpflichtet, jedem Einzahler zu Rentenbeginn seine Beiträge und Zulagen auszuzahlen - und eventuelle Verluste aus eigener Kasse zu erstatten.
Ärgerlich ist das Ganze für Fairr-Kunden natürlich trotzdem: Schließlich bringt eine Krise an den Börsen den wunderbaren Nebeneffekt mit sich, dass es mehr Anteile für die gleiche Summe an Einzahlungen gibt. Denn werden - wie in den vergangenen Wochen passiert - Aktien aus Angst zu Dumpingpreisen verscherbelt, profitieren davon solche Anleger, die auf “Buy-and-Hold” setzen, also langfristig investiert bleiben. Für das gleiche Geld kaufen Anleger also mehr Anteile. Steigen die Kurse wieder (und das werden sie auf kurz oder lang), kann das die Rendite heben.
Fairr-Riester Kunden werden davon zumindest jetzt noch nicht profitieren können.
Kommentare (4)
A
Andy
sagt am 18. August 2020
Hallo,bei dem fairr Disater geht es doch nur um Rentenversicherungen, die einen Garantierten Rente haben, sowie es mit der Riester Rente geschehen ist. Ihr empfehlt nicht mehr fairr aus diesem Grund. Allerdings bei einer ETF Basisrente kein Risikomanagement, somit gäbe es in Zukunft nicht in solches Seznario bei der Basisrente. Fairr ist nach meiner Rechchere sehr günstig, da es keine Vertriebskosten gibt und Sie niedrige Gebühren haben. Warum empfielt Ihr dann nicht mehr Fairr für solche Produkte oder habe ich etwas übersehen?
S
Sandra
sagt am 18. Mai 2020
Hallo Michael, Ich habe die letzten Tage einen vor 2 Jahre abgeschlossenen Vertrag bei der Volkswohl-Bank nochmal überprüft und zahle wahnsinnig hohe Abschluss und Vertragsgebühren plus laufende Vertragskosten.. auch wenn ich durch die Kündigung jetzt einen hohen Verlust mache, wollte ich zu Fairr wechseln, da ich glaube, dass ich auf lange Sicht entsprechend dort erheblich besser aufgestellt wäre.. mit der info, verstehe ich es jetzt aber so, dass ihr raten würdet nicht zu Fairr zu wechseln aktuell, sondern lieber selbst direkt in ETFs zu investieren? Oder gibt es einen anderen Riester-Anbieter, den ihr empfehlen könnt, so dass ich die Förderbeiträge nicht verliere (ich kriege einfach keinen Überblick bei den Anbietern und habe nach der Anlage über Tecis bei der Volkswohlbund jegliches Vertrauen verloren..) Viele liebe Grüße und danke vorab, Sandra
M
Michael
sagt am 04. Mai 2020
Hallo, die staatlichen Zulagen und Steuerersparnisse müssen nur bei Kündigung zurückgezahlt werden. Daher ist in jedem Falle eine Beitragsfreistellung zu empfehlen. Um auch in der Zukunft die staatliche Förderung zu nutzen, wäre ein neuer Vertrag bei einem anderen Unternehmen denkbar. Das bisherige Guthaben plus Zulagen lässt sich -auch zu einem späteren Zeitpunkt- auf den neuen Anbieter übertragen. Zu bedenken ist jedoch, dass ein Neuvertrag auch immer neue Abschlusskosten mit sich bringt. An der Stelle würde ich hinterfragen, ob die Riesterförderung tatsächlich effektiv ist (Sind Kinderzulagen vorhanden? Wie hoch ist die tatsächliche Steuerersparnis?) Ggf. ist die deutlich günstigere ETF-Variante in Eigenregie die bessere Altersvorsorge. Viele Grüße Michael
H
Heike Krukow
sagt am 30. April 2020
Hallo, aber muss ich dann nicht auf die staatlichen Zulagen verzichten, wenn ich den Vertrag auf beitragsfrei stelle? Ist es nicht vernünftiger die Beoträge weiterzuzahlen oder evt auf einen Mindestbetrag zu setzen. Auf die staatliche Förderung zu verzichten, wäre ja auch nicht so schlau. VG Heike
Kommentar schreiben