Schnelle Gewinne und wenig Geduld? Einblicke in die “Generation Aktie”
Seit etwa zwei Jahren braut sich in der deutschen Anlegerwelt etwas zusammen: Millionen von Menschen haben die Börse für sich entdeckt und den Aufschwung am Markt nach der Corona-Krise für sich genutzt. Wer sind die mehrheitlich jungen Aktionäre, wie investieren sie ihr Geld und wie viel Rendite machen sie? Eine neue Studie des Beratungsunternehmens DIW Econ gibt Aufschluss - zumindest über das Anlegerverhalten der Trade Republic Kunden, einem der größten Neobroker der Republik. Wie legt dagegen die Finanzfluss-Community an? Worin unterscheidet ihr euch von der Trade Republic-Kundschaft - und vom gesamtdeutschen Durchschnitts-Aktionär? Wir haben verglichen und dabei mitunter Erstaunliches herausgefunden.
Jung und unerfahren: der Altersschnitt
Schlanke Broker Apps wie Trade Republic haben eine Zielgruppe vor Augen: Junge Leute, die ein minimalistisch-modernes Design schätzen und Wert auf Einfachheit legen. Offenbar scheint Trade Republic auch genau diese Zielgruppe zu erreichen: 70% und damit mehr als zwei Drittel der Trade Republic-Nutzer sind jünger als 35. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung ist nur jeder vierte Aktiensparer unter 40, wie die jüngste Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) von 2021 ergeben hat. Insgesamt 12,4 Mio. Aktien-Anlegerinnen und -Anleger hat der Verband für seine Studie aus dem Jahr 2021 gezählt.
Anteil der User unter 35 bei Finanzfluss und Trade Republic
Investorinnen und Investoren, die ihr Finanzwissen über unsere Kanäle erhalten, sind dagegen noch jünger als der Trade Republic-Durchschnitt: Ganze 82% sind unter 35 Jahre alt. Das sind knapp 2.200 von den insgesamt 2.650 Befragten, die an unserer kleinen Studie teilgenommen haben. Älter als 40 ist gerade mal jeder zehnte Finanzfluss-Fan mit Aktiendepot.
Die Altersstruktur in der Finanzfluss Community
Wenig überraschend ist angesichts dieser Zahlen, dass der Erfahrungsschatz der meisten Investoren noch nicht allzu ausgeprägt ist: Etwa 65% aller Anlegerinnen und Anleger, die regelmäßig unsere Inhalte konsumieren, haben erst vor maximal zwei Jahren mit dem Investieren begonnen, die restlichen knapp 35% sind schon länger dabei. Doch im Vergleich zur Trade Republic-Nutzerschaft ist die Quote der Neulinge damit leicht höher: Der Neobroker zählt insgesamt 58% Erstanleger unter seinen Nutzerinnen und Nutzern.
Anteil der Anfänger und Fortgeschrittenen bei Trade Republic und Finanzfluss
Breit gestreut oder alles auf eine Karte? die Anlagestrategie
Der durchschnittliche Trade Republic-User ist mehrheitlich riskant unterwegs, wie ein Blick auf die Zahlen der DIW-Studie zeigt: Das Standard-Portfolio besteht zu 60% aus Einzeltiteln und gerade einmal zu 26% aus ETFs, der Rest ist in Cash angelegt, also auf dem Tages- oder Festgeldkonto. Auffällig ist, dass die erfahrenen Investoren noch eher zum Zocken neigen als die Erstanleger. Wer gerade erst die Börse für sich entdeckt hat, setzt bei Trade Republic weniger auf Einzelaktien oder spekulative Produkte wie Derivate und mehr auf Fonds. In der Finanzfluss-Community sieht es ganz ähnlich aus: Knapp 30% der Fortgeschrittenen investieren ausschließlich passiv, unter den Anfängern sind es beinah 40%. Nur Einzelaktien haben 3% der fortgeschrittenen Anleger aus unserer Community in ihrem Portfolio, unter den Debütanten sind es 2%. 63% und damit die große Mehrheit investiert allerdings ohnehin sowohl aktiv als auch passiv. Ein ausschließlich passives Portfolio haben sich 35% unserer Zuschauer gebaut.
Die Finanzfluss-Community ist eher passiv unterwegs
In der gesamtdeutschen Anlegerwelt ist der Drang nach Sicherheit scheinbar ebenfalls stark ausgeprägt: Es gibt nach Zahlen des DAI beinah doppelt so viele passive wie aktive Aktionäre. Genauer: 7 Mio. der insgesamt 12,4 Mio. Aktiensparerinnen in Deutschland haben ihr Geld ausschließlich in Fonds angelegt, nur 3 Mio. setzen allein auf Einzelaktien. Eine gemischte Strategie fahren dagegen die restlichen 2,3 Mio. Anleger.
Der typische Anleger ist männlich
Sowohl bei Trade Republic als auch in Finanzfluss-Kreisen sind die männlichen Investoren mit einem Anteil von 83% bzw. 84% ganz klar in der Überzahl.
Geschlechterverteilung in der Finanzfluss-Community
Als Spiegel für gesamtgesellschaftliche Entwicklungen können unsere und die Trade-Republic Zahlen nicht herhalten: Zwar sind nach Angaben des DAI 2020 ebenfalls weit mehr Männer als Frauen neu in den Aktienhandel eingestiegen - jedoch finden sich unter den Deutschen immerhin 4,5 Mio. weibliche Anlegerinnen, das sind 36% von der Gesamtmenge. Die restlichen 7,9 Mio. Investoren sind männlich.
Doch könnte sich das Blatt schon in ein paar Jahren gewendet haben, denn die Zahl der Frauen wächst signifikant: Rund 20% der Erstinvestoren bei Trade Republic sind weiblich, wohingegen sich lediglich 11% Frauen unter den erfahreneren Anlegern finden. Es gibt also definitiv noch Luft nach oben, was die Geschlechterverteilung an der Börse angeht. Dafür scheinen die Aktionärinnen es etwas ernster zu meinen mit der Altersvorsorge: Fast alle 2020 neu an die Börse gekommenen Anlegerinnen investieren ihr Geld in Fonds oder ETFs, wohingegen viele der neu hinzugekommenen männlichen Investoren vor allem bei Einzeltiteln zugeschlagen haben.
Von Nervenkitzel und schnellen Gewinnen bis Altersvorsorge: Die Beweggründe
Bedacht und ein Fokus auf langfristige Renditen sind es auch, die die meisten Finanzfluss-Nutzer dazu bewegt haben, überhaupt an der Börse zu investieren. In unserer Umfrage gaben 77% an, dass sie “für später vorsorgen möchten” und deswegen auf lange Sicht anlegen. Im Kreis der Trade Republic-Kunden sind das 72%. Insgesamt 77% stimmten außerdem der Aussage zu, dass sie Aktien für die lukrativste Möglichkeit der Geldanlage halten. Erstaunlich ist, dass recht viele Nutzer der Trading-App es auf kurzfristige Gewinne abgesehen haben (34%). Jeder Fünfte gestand außerdem, von dem Nervenkitzel begeistert zu sein, den manch ein Investment mit sich bringt. In der Finanzfluss Community gibt es sogar Anleger, die allein wegen ihres Adrenalin-Spiegels ihr Geld investieren: Ein Prozent verriet uns, dass dieser Kick der Hauptgrund sei, warum sie an der Börse handelten.
Die Motivation der Finanzfluss-Anleger
Welche Gründe aber haben eigentlich Nicht-Anleger, ihr Geld lieber woanders zu parken als in Aktien oder ETFs? Diese Frage hat wiederum das DAI schon 2019 der deutschen Bevölkerung gestellt und herausgefunden: 64% aller Nicht-Aktienbesitzer trauen sich nicht ausreichend Finanzwissen zu, fast jeder zweite glaubt außerdem, das Ganze sei viel zu umständlich und lässt es deswegen lieber gleich. Und zwei Drittel waren außerdem überzeugt, nicht genügend Geld zum Anlegen zu haben. Apropos Geld: Wie erfolgreich ist die Generation Aktie an der Börse?
Finanzfluss-Anleger machten 2021 10% Rendite
7,1% hat der Median aller Trade Republic-Nutzer im Jahr 2021 an der Börse gemacht - das heißt, die Hälfte aller Anleger konnte mehr als 7,1% und die andere Hälfte weniger als 7,1% Rendite machen.
Jedoch: Die Anleger aus dem Finanzfluss-Radius konnten diese Messlatte noch überspringen. Vor Inflation haben sie im Median 10% Rendite erzielt. Zumindest errechnet sich dieser Wert aus den Antworten, die wir von unseren Befragten bekommen haben. Sofern niemand geflunkert hat, liegt die Community mit diesem Medianwert knapp 3% über den Renditen der Trade Republic-Anleger. Soviel zum Durchschnitt. Wie aber sieht es in den einzelnen Portfolios aus?
Die Renditen im Jahr 2021 der Finanzfluss-Community
Wie die Verteilung zeigt, haben die meisten Finanzfluss-User vergangenes Jahr zwischen 7 und 10% Rendite gemacht. Einen Verlust von 10% oder mehr mussten gerade einmal 1,3% unserer Nutzer hinnehmen, dagegen gelang es sogar mehr als 2%, eine Rendite von 46% und mehr einzufahren.
Das klingt zunächst, als hätte die “neue Generation Aktie” ein glückliches Händchen. Wäre sie jedoch ein aktiver Investor, der versucht, besser als ein Index zu sein, hätten die meisten versagt. Ein einfacher ETF auf den MSCI World brachte im selben Zeitraum nämlich ganze 22% Rendite ein. Mit einem schlichten 70/30-Portfolio (Industrieländer + Schwellenländer) wären 15% Rendite vor Inflation drin gewesen.
Mit einem simplen Weltportfolio hätten die meisten mehr Rendite
Hängt die dann doch vergleichsweise ernüchternde Rendite mit der hohen Quote an Erstanlegern zusammen? Schon möglich: Trade Republic-Anleger, die bereits mehr als ein Jahr Börsenerfahrung mitbrachten, haben in 83% der Fälle eine positive Rendite erzielt. Wohingegen es unter den Erstinvestoren nur 63% waren. Die durchschnittliche Rendite der Fortgeschritteneren belief sich 2021 auf 11,1%. Auch bei Finanzfluss trafen die Neulinge die schlechteren Investmententscheidungen und erzielten im Median 8% Rendite - die erfahrenen Anleger brachten es auf 14% Jahresrendite.
Überstehen die Neuanleger auch Abschwünge?
“Hype or New Normal?” fragt das DIW auf der ersten Seite seiner Trade Republic-Studie. Und die Frage ist nicht unberechtigt - denn es bleibt abzuwarten, wie viele Vertreter der “Generation Aktie” langfristig dabei bleiben werden. Wer - wie viele Erstinvestoren - 2020 mitten im Corona Crash zum ersten Mal in den Markt eingestiegen ist, hat mit einem simplen, breit gestreuten Welt-ETF im Jahr binnen weniger Monate bis Jahresende 47% Rendite und bis Februar 2022 63% Rendite eingefahren.
Entwicklung des MSCI World seit dem Corona-Crash
Buy and Hold zu betreiben bedeutet vor allem, sich in Geduld zu üben, längere Phasen der Stagnation und auch mal ernüchternde negative Wertzuwächse zu ertragen, ohne direkt die eigene Strategie infrage zu stellen oder sich einer neuen Anlageklasse zuzuwenden, von der man sich rasantere Aufschwünge erhofft. Wird die Generation Aktie das schaffen? Jüngste Zahlen sagen etwas anderes: Nach dem Aktionärs-Boom 2020 haben 280.000 Anlegerinnen und Anleger ihre Fondsanteile und Aktien inzwischen wieder verkauft. War es also doch nicht mehr als ein Hype, der die Deutschen für die Börse begeistern konnte? Nein, keine Sorge. 2,4 Mio. der Neuanleger von 2020 sind auch jetzt noch dabei.
Kommentare (4)
C
Chris
sagt am 21. März 2022
Naja, nur weil man mit dem ein oder anderen Begriff (noch) nichts anfangen kann, ist doch die Frage nicht schlecht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten eine Rendite zu berechnen. Zum Beispiel in dem man nicht nur Anfangs- mit Endkapital vergleicht, sondern auch die Dauer berücksichtigt, die das Kapital investiert ist. Google is your Friend ;) Ich glaube es ist jedoch ziemlich egal, ob so oder gerechnet wurde...
F
Freya
sagt am 27. Februar 2022
Danke Arminius Da stimme ich Dir vollumfänglich zu ;) Die Kommentare machen nur Sinn, wenn die community auch was daraus lernen kann…
A
Arminius
sagt am 25. Februar 2022
Na du bist ja mal ein ganz Schlauer...vielleicht bringst du deine weisen Worte in eine auch für Anfänger verständliche Wortwahl. Falls es dir natürlich nicht zu viel Umstände macht vom hohen Ross herunter zu steigen.
C
Christoph
sagt am 25. Februar 2022
Zitat: "Ein einfacher ETF auf den MSCI World brachte im selben Zeitraum nämlich ganze 22% Rendite ein. Mit einem schlichten 70/30-Portfolio (Industrieländer + Schwellenländer) wären 15% Rendite vor Inflation drin gewesen." Wie sahen denn die Fragen aus? Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Befragte entweder simpel den Gewinn gegen das eingesetzte Kapital rechneten oder den IZF nutzten für die Renditeberechnung. Wenn man aber nicht alles Kapital bereits zum 01.01. im Portfolio hatte, dann wäre der TTWROR die korrektere Methode um die Vergleichbarkeit mit einem MSCI World oder 70/30 Portfolio zu gewährleisten.
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