Von Ruinen ruiniert: Der Anlageskandal um die German Property Group
Gewieftes Geschäftsmodell
Historische Gebäude kaufen, sanieren und als Wohnungen gewinnbringend weiterverkaufen – das war das Geschäftsmodell der GPG, die 2008 unter dem Namen Dolphin Capital mit Sitz in Niedersachsen gegründet wurde. Klingt auf den ersten Blick nicht besonders aufregend. Doch es genügte immerhin, um die Aufmerksamkeit etlicher Investoren zu gewinnen.
Und das war das Ziel, denn jene Investoren sollten – so die Idee von GPG – die Immobilienkäufe und -sanierungen finanzieren. Die German Property Group hatte es dabei vorwiegend auf Investoren aus Großbritannien und Asien abgesehen. Man warb zum Beispiel mit Steuervorteilen, denn wegen des Denkmalschutzes der gekauften Immobilien besteht die Möglichkeit von Sonderabschreibungen, die zu Steuererleichterungen führen können. Beachtlich war aber vor allem das Renditeversprechen: Investoren sollen ihr eingezahltes Geld zurückerhalten, zuzüglich einer Verzinsung von ca. 15% pro Jahr. Bei einer solchen Rendite hätte sich das angelegte Kapital innerhalb von fünf Jahren verdoppelt.
Der Clou an der Sache: Die hohe Rendite sollte nahezu ohne Risiko daherkommen, denn als Absicherung diene laut German Property Group eine zugunsten der Investoren ins Grundbuch eingetragene Grundschuld. Damit solle das Grundstück als Gegenwert dienen, falls die GPG bei der Rückzahlung der Investition in Schwierigkeiten gerät. Die Eintragung einer Grundschuld ist prinzipiell nichts Außergewöhnliches und zum Beispiel auch bei Banken üblich: Leiht sich ein Kreditnehmer bei einem Kreditinstitut im Rahmen einer Baufinanzierung Geld, lässt sich die Bank als Kreditgeberin eine Grundschuld ins Grundbuch eintragen. Falls der Kredit nicht zurückgezahlt wird, hat die Bank damit das Recht, die Immobilie zu verwerten, um so die Restschuld zu bedienen.
What could possibly go wrong?
Die versprochene Absicherung per eingetragener Grundschuld wirkt auf die interessierten Anleger offenbar beruhigend. Was soll schon schiefgehen? Im schlimmsten Fall werden die Wohnungen eben nicht verkauft, die Anleger hätten aber dank der Grundschuld immerhin noch ein Grundstück und eine Immobilie mit Wert. So wiegen sich die Investoren in Sicherheit. Über die Jahre sollen laut Medienberichten wohl mehr als eine Milliarde Euro an die GPG geflossen sein, überwiegend von 15.000 - 25.000 ausländischen Privatinvestoren.
Und siehe da: In den ersten zehn Jahren scheint das Geschäft zu florieren: Die Zinsen werden pünktlich an die Kapitalgeber gezahlt und immer mehr Rendite-hungrige Investoren springen auf den Zug auf. Um die Akquise kümmern sich Finanzvermittler, die dafür saftige Provisionen kassieren. Die Geldgeber werden nach Deutschland eingeladen, um sich vor Ort von dem Konzept zu überzeugen. Bis heute existieren Werbevideos auf Youtube, untermalt mit quietschigen Delfin-Geräuschen, wohl um das Corporate Design der GPG, ehemals Dolphin Capital, auch akustisch zu zelebrieren.
Laut Information des Magazins Business Insider hat es bereits 2015 eine Betriebsprüfung durch das zuständige Finanzamt gegeben, die zwar Skepsis an dem Geschäftsgebaren der GPG hegte, aber keine weiteren Ermittlungen nach sich zog. Doch plötzlich keimen 2018 auch bei den Anlegern erste Zweifel auf, als die Zinszahlungen ins Stocken geraten. Läuft doch nicht alles so quietschfidel in dem Immobilien-Imperium des Gründers Charles Smethurst?
Die Fassade beginnt zu bröckeln
Immer mehr auf ihr Geld wartende Investoren beschweren sich, woraufhin Medien mit der Recherche starten und hinter die Fassade der Immobilienfirma blicken. Die erschreckende Entdeckung: Die als Absicherung angepriesenen Grundschulden im Grundbuch sind nahezu wertlos – denn sie übersteigen die Werte der Immobilien um ein Vielfaches. Ein spektakuläres Beispiel ist das Schloss Dwasieden auf Rügen: Der mittlerweile zur Ruine verfallene Bau wurde für 18 Millionen Euro von GPG gekauft. Ein Blick ins Grundbuch offenbart indes eine eingetragene Grundschuld in Höhe von sagenhaften 117 Millionen Euro.
Das Problem dabei: Zwar dürfen prinzipiell so hohe Grundschulden eingetragen werden, allerdings bieten sie in dem Fall keine Sicherheit mehr, da der Gegenwert fehlt. Von den Medien wird auch aufgedeckt, dass einige von GPG als Investments ausgegebene Objekte überhaupt nicht von GPG gekauft worden waren und deswegen gar nicht als Sicherheit herhalten können. Viele der tatsächlich erworbenen Objekte wurden entgegen aller Versprechen nie saniert, sondern liegen stattdessen seit Jahren brach und verrotten. Entsprechend warfen sie auch nie die versprochenen Renditen ab. Nur wenige der Immobilien wurden überhaupt saniert und vermarktet.
Wo ist das Geld geblieben?
Wenn das Geld der Anleger nicht in sanierungsbedürftige Bauten floss – wohin dann? Profiteure der Investments dürften zunächst die Finanzvermittler gewesen sein, welche bis zu 20% Provision von den Einzahlungen kassierten. Spätere Ermittlungen deuten darauf hin, dass ein Teil des Geldes auch bei Smethursts Gattin gelandet ist, die ein Modegeschäft und einen Online-Shopping-Kanal betreibt und großzügige Rechnungen an GPG ausgestellt hat.
Diese Verwendung der Investorengelder hat wenig mit der ursprünglichen Investitionsthese gemein. Sie erklärt auch bei Weitem nicht den Verbleib von insgesamt weit über einer Milliarde Euro, die über die Jahre von ahnungslosen Anlegern an die GPG geflossen sind. Die Vermutung liegt nah, dass es sich bei Smethursts gesamten Konstrukt um ein Ponzi-Schema handelte und die Investoren zu Opfern eines Betrugs von ungeahntem Ausmaß geworden sind.
Ein Ponzi-System, das auch schon Bernie Madoff zu unrühmlicher Bekanntheit verhalf und Anlegern Milliardenverluste bescherte, stellt eine ausgeklügelte Betrugsmasche dar. Dabei wird Anlegern eine imposante Rendite in Aussicht gestellt, wenn sie ihr Geld bei der vermeintlich seriösen Firma anlegen. Es wird mit einer Investmentstrategie geworben, die spektakuläre Renditen liefern soll. Allerdings werden die Einzahlungen nicht gewinnbringend investiert, sondern genutzt, um die Zinszahlungen der anderen Investoren zu bedienen. Deshalb ist das System stets auf neue Gelder von Anlegern angewiesen, um es am Laufen zu halten.
Überschüsse werden mittels undurchsichtiger Transaktionen aus dem eigentlichen Unternehmen geleitet und landen in den Taschen der Betrüger. Im Fall von GPG sind wohl über eine Milliarde Euro in Smerthursts ominösem Konstrukt versickert. Die genaue Zahl ist nicht klar, denn die Insolvenzverwalter und Ermittler können die Geldflüsse aufgrund chaotischer Buchführung, verschachtelter Firmenkonstellationen und fehlender Jahresabschlüsse nicht rekonstruieren.
Zusammenbruch und Aufarbeitung
All dies wird erst sukzessive ab 2020 bekannt, nachdem die Firma Insolvenz anmelden muss. Die bröckelnde Fassade des Immobiliensanierers bricht nun endgültig in sich zusammen. Übrig bleibt ein undurchdringbarer Scherbenhaufen aus obskuren Geldflüssen, verzweigten Firmengeflechten mit über 200 Tochterfirmen sowie zahllosen Dokumenten und Ordnern in der Firmenzentrale, garniert mit einer dubiosen und mangelhaften Buchführung, welche die Aufarbeitung nahezu unmöglich macht.
Während die Ermittler, Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter vor der beinahe aussichtslosen Aufgabe der Aufklärung des Falls stehen, bangen die Investoren um ihre Gelder. Die Insolvenzforderungen belaufen sich auf über 1,4 Milliarden Euro, die Aussicht auf eine Rückzahlung des Geldes ist gering. Zu undurchsichtig und verschachtelt sind die Transaktionen und Geldabflüsse aus dem Unternehmen an die zahlreichen Tochterfirmen, die sich aufgrund der katastrophalen Buchführung nicht mehr nachvollziehen lassen. Die wenigen Immobilienruinen im Eigentum der Firma reichen bei Weitem nicht aus, um die Schulden zu begleichen, ganz zu schweigen von den Grundschulden, die so wertlos sind wie die Renditeversprechen.
Nach über vier Jahren Ermittlung erhob die Staatsanwaltschaft Hannover nun Mitte Oktober 2024 Anklage gegen den ehemaligen Geschäftsführer Smethurst. Der Vorwurf: Gewerbsmäßiger Betrug in 27 Fällen, wobei davon 22 Fälle jeweils zu einem Vermögensverlust großen Ausmaßes geführt hätten. Der Schaden wird in der Anklage auf 56 Millionen Euro beziffert. Insgesamt dürften der Schaden und die Zahl der Betrugsfälle noch wesentlich höher sein, allerdings konzentriert sich die Staatsanwaltschaft bei dieser Anklage zunächst nur auf wenige Fälle und umfasst nicht die Tausenden Geschädigten.
Eine Lektion für Privatanleger
Der Schock dürfte bei den betrogenen Anlegern tief sitzen. Ihr investiertes Geld ist verschwunden, untergegangen in den skurrilen Firmenkonstrukten, verschleiert von nicht ordnungsgemäßer Buchführung und begraben unter den Trümmern des zusammengebrochenen Ponzi-Systems. Welche Lehren können Privatanleger aus diesem Finanzskandal ziehen, um sich vor solchen Betrügereien zu schützen?
Zunächst sollte unbedingt das Prinzip der Diversifikation beherzigt werden. Man stelle sich nur vor, man hätte als Anleger dem Immobilienkonzern sein gesamtes Erspartes anvertraut. Nach dem Platzen des Ponzi-Konstrukts wären das gesamte Vermögen und die Altersvorsorge verloren, was den finanziellen Ruin bedeuten kann. Deshalb: Niemals sein gesamtes Geld auf ein Investment setzen, egal, wie verlockend die Rendite scheint und wie glänzend die Verkaufsprospekte sein mögen.
Bei Investments sollte man sich ohnehin nicht von hohen Renditeversprechen blenden lassen. Rendite geht immer mit Risiko einher. Je höher die erwartete Rendite, desto höher ist in der Regel auch das damit verbundene Risiko. Im Fall von GPG wurde eine irrsinnig hohe Rendite zu einem geringen Risiko beworben. Zwar suggerieren Immobilien Sicherheit und Werterhalt, und durch die Grundschuld wurde eine raffinierte Art der Absicherung versprochen. Doch bei einer Kombination aus hoher, zweistelliger Rendite und angeblich geringem Risiko sollten bei Investoren die Alarmglocken schrillen.
Kommentare (5)
C
Christian aus Hamburg
sagt am 10. Januar 2025
Nach der gerechten Schelte für die Gauner und die naiven, gierigen Investoren sollten auch die Finanzvermittler nicht umerwähnt bleiben: Respekt, dass es Ihnen wieder einmal gelungen ist, Müll an ahnungslose Bürger zu verkaufen. Das wird nicht zur Verbesserung ihrer Reputation beitragen.
W
Wilfried Schnedermann
sagt am 10. Januar 2025
"Gier frisst Hirn" hat sich wieder einmal bewahrheitet. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Menschen auf solche Machenschaften hereinfallen, obwohl sich jeder mit wenig Aufwand umfassend informieren könnte .....
J
Julia
sagt am 10. Januar 2025
Hi. Ich habe zwei Fragen zum Artikel. Normalerweise lässt sich die Bank eine Grundschuld eintragen zur Absicherung der gegebenen Kredite. Dazu prüft sie den Wert der Immobilie und die Höhe des Kredit, die Sie bereit ist zu geben. Frage 1: zu welchen Gunsten wurden in diesem Fall die Grundschulden ausgestellt? Zugunsten aller Anleger als Ganzes? Oder wer war Gläubiger? Frage 2: zum Zeitpunkt der Grundschuldbestellung waren die Häuser ja noch nicht saniert. Kann trotzdem ein höherer Wert (also z.B. der angenommene nach Vollendung der Sanierung) eingetragen werden? Welche Regeln gibt es grundsätzlich zur Höhe Eintragung einer Grundschuld? Würde mich sehr über eine Antwort freuen
A
Alexander
sagt am 10. Januar 2025
Zu Frage 1: Die Grundschulden werden zu Gunsten von GPG eingetragen. Die Kunden von GPG haben nur über die ihnen vertraglichen zugesagten Zinsen Anspruch darauf, aber eben nur indirekt. D.h. jeder unzufriedene Kunde muss erst GPG auf Zahlung ihrer vertraglichen Zusagen verklagen, bevor das Gericht eine Verwertung der Sicherheiten anordnet. Zu Frage 2: Das Grundbuch-Amt ist kein Dienstleister und prüft daher nur die Formalitäten; also ob der Besitzer dieses Grundstücks dieser Grundschuld zugestimmt hat. In Berlin haben "arabische Clans" es durch Schauspieler geschafft, den Ämtern vorzuspielen, dass die angeblichen Grundstücksbesitzer anwesend seien. Einige Grundstücksbesitzer haben davon nur durch Zufall erfahren, weil dadurch die Versicherung gekündigt wurde und der Versicherungsvertreter nachgefragt hat, warum die realen Grundstücksbesitzer denn kündigen würden. Das kann man sich gar nicht ausdenken, was da passiert ist! Ich gehe daher davon aus, dass das Amt die Höhe nicht prüft. Wahrscheinlich gibt es Regeln für Grundschulden, aber eben beschränkt auf die formal-juristische Ebene.
G
Grüsse aus der Schweiz
sagt am 10. Januar 2025
Ein bisschen Schrott kaufen, glänzend verpacken und dann mit „sicheren“ Renditen winken. In einer Zeit, in der selbst digitale Währungen nur noch im Dschungel aus NFTs und Meme-Coins überleben, ist es fast schon charmant, wie man mit ein paar Ruinen mehr als eine Milliarde an ahnungslosen Investoren abgreifen kann. wer braucht schon ein solides Fundament? Die wahre Innovation liegt doch im „Verwalten“ von Ruinen...
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