Das Traumhaus unterm Hammer
Die Frage “Mieten oder Kaufen?” ist eigentlich nur relevant für Menschen, die überhaupt eine Wahl haben. Und das werden offenbar immer weniger. So planten 2023 nur noch 6% der Deutschen, sich eine Immobilie zu bauen oder zu kaufen und damit 50% weniger als noch vor zehn Jahren. Das berichtete die Süddeutsche Zeitung vor Kurzem mit Verweis auf eine repräsentative Umfrage der Bausparkasse BHW. Vor allem die vergangenen Monate dürften vielen Deutschen den Traum vom Eigenheim vermiest haben: Zwar gaben die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser im Bundesdurchschnitt zuletzt etwas nach. Doch bleiben sie damit zum einen für die breite Masse unerschwinglich (knapp 9.000€ soll laut der Immobilienagentur McMakler 2023 der Quadratmeter in München im Schnitt kosten, in Berlin waren es zuletzt um die 5.000€). Zum anderen werden die jüngsten Rabatte doppelt und dreifach von den stark gestiegenen Bauzinsen aufgefressen.
Doch es gibt einen Markt, auf dem Eigenheim-Träume scheinbar doch noch wahr werden können: den Markt der Zwangsversteigerungen. Doch gibt es hier wirklich die Eigentumswohnung zum Dumpingpreis oder sind echte Schnäppchen eher die Seltenheit?
Der Großteil sind Wohnimmobilien
1.700 Immobilien wurden im Jahr 2021 in Deutschland monatlich im Schnitt versteigert, wie das Center for Real Estate Studies an der Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB) ermittelt hat. Im Saarland und in den neuen Bundesländern war die Quote mit bis zu 24 Versteigerungen pro 100.000 Einwohnern am höchsten. Sachsen-Anhalt bildete laut dem Marktreport in der Erhebung von 2021 die Spitze. Am häufigsten kamen Wohnimmobilien unter den Hammer, also Eigentumswohnungen und Häuser.
Die Gründe für Zwangsversteigerungen mögen vielfältig sein, haben aber meist mit demselben Konflikt zu tun: Der Schuldner kann (oder will) seine Raten nicht mehr zahlen, die der Gläubiger aber gern beglichen hätte. Bei letzterem handelt es sich in der Regel um eine Bank, die dem Schuldner zuvor ein Darlehen gewährt hat.
Versteigerung beim lokalen Amtsgericht
Um die Verfahren selbst kümmern sich die Amtsgerichte einer Stadt. So wird normalerweise in dem Amtsgericht geboten und ersteigert, das sich im selben Bezirk befindet wie die betroffene Immobilie. Informierten früher vor allem Zeitungsannoncen über anstehende Versteigerungen, sind heutzutage auch die großen Online-Immobilienportale mehr oder weniger überflutet mit Versteigerungsobjekten. Eine Übersicht bieten außerdem die Landesjustizverwaltungen der einzelnen Bundesländer mit einem eigenen Portal für kommende Zwangsversteigerungstermine.
10% vom Verkehrswert als “Sicherheitsleistung”
Formelle Hürden gibt es kaum, um an einer Versteigerung teilzunehmen. 18 muss man mindestens sein und das mit einem Ausweisdokument belegen können. Dazu wird jedoch schon vor Beginn der Auktion eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10% des Verkehrswerts fällig. Diese Art von “Pfand” kann im Voraus ans Gericht überwiesen oder auch erst vor Ort bezahlt werden, beispielsweise über einen Barscheck. Sollte kein Erwerb zustande kommen, erhält man sie im Anschluss zurück. Wer zu zweit, mit dem Partner oder einem Familienmitglied kaufen möchte, kann gemeinsam auf einer Auktion bieten. In diesem Fall werden anschließend beide Teilnehmer als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen.
Gutachter schätzt den Verkehrswert
Eine der wichtigsten Kennzahlen ist der sogenannte Verkehrswert. Er gibt an, welchen Preis die Immobilie nach Einschätzung eines Gutachters wert ist und vermutlich auf dem Markt erzielen wird. Dazu gibt ein Sachverständiger im Voraus ein Urteil über den Zustand der Immobilie ab und wofür sie sich eignet. Etwa, ob es einen Bebauungsplan gibt oder das Grundstück als Wohn- oder Gewerbefläche gedacht ist.
Auf ein ausführliches Wertgutachten vonseiten des Sachverständigen sollten sich die Bieter allerdings nicht einstellen. In vielen Fällen ist kaum etwas über das zu versteigernde Objekt bekannt, über möglichen Schimmelbefall genauso wenig wie über marode Dachbalken oder veraltete Heizungssysteme. Um nicht völlig blind die Katze im Sack zu kaufen, können potenzielle Käufer im Voraus versuchen, in Eigenregie Informationen aufzutreiben, mit Nachbarn zu sprechen oder gar mit den aktuellen Bewohnern der Immobilie. Einen Anspruch auf Innenbesichtigung gibt es nicht, selbst die zur Bewertung eingeschalteten Gutachter haben die Immobilie oftmals nie betreten. Einige Eigentümer räumen den Interessenten dennoch ein solches Recht ein.
Kaufpreis häufig weit über Verkehrswert
Nun ist für den Preis einer Immobilie bekanntlich vor allem eines entscheidend: die Lage. Wie gut oder schlecht das Objekt an Schulen, öffentliche Verkehrsmittel und Restaurants angebunden ist, entscheidet also ebenfalls über den letztendlichen Preis, auch bei Versteigerungen. Und so können zwischen Verkehrswert und tatsächlichem Kaufpreis unter Umständen Welten liegen. Insbesondere in Großstädten können Angebot und Nachfrage den letzten Preis weit über den vom Gericht ermittelten Verkehrswert steigen lassen. Der Verkehrswert ist deswegen viel mehr eine erste Orientierung für Interessenten.
Verfahrenskosten müssen durch Mindestgebot gedeckt sein
Auch wenn das eine schöne Vorstellung ist: Eine Immobilienversteigerung darf nicht bei null starten. Deswegen verliest der Rechtspfleger zu Anfang der Auktion das Mindestgebot, mit dem das Bieterverfahren startet. Es ist dazu gedacht, mindestens die Kosten für die Zwangsversteigerung wieder reinzuholen.
Wer das meiste bietet, bekommt den Zuschlag – eigentlich
Nach Verlesung der Eckdaten beginnt die Bietzeit. Mindestens 30 Minuten muss sie per Gesetz betragen. Und wie bei jeder anderen Auktion erhält den Zuschlag, wer nach Ablauf der Bietzeit das höchste Angebot gemacht hat. Dieses muss dreimal wiederholt werden (zum Ersten, zum Zweiten, ...). Drängt sich kein Konkurrent mehr dazwischen, wird das Gebot angenommen. Doch heißt das noch nicht, dass der Höchstbietende jetzt Eigentümer wird.
Erst muss die Gläubigerbank das Angebot annehmen. Und das wird sie nur tun, wenn es hoch genug ist, die Ansprüche der Bank zu befrieden. Beträgt es beispielsweise weniger als 70% des Verkehrswerts, hat der Gläubiger schon während der Versteigerung die Möglichkeit zu beantragen, dass der Zuschlag nicht erteilt werden soll. Liegt er nur bei 50% des Verkehrswerts oder gar darunter, darf wiederum das Gericht gar keinen Zuschlag erteilen.
In dem Fall wird ein Zweittermin ausgemacht, die Versteigerung also wiederholt. Die 70%- und 50%-Wertgrenzen gelten dann nicht mehr, die Immobilien können also theoretisch auch nur zu einem Bruchteil ihres Verkehrswerts den Besitzer wechseln. Einzig für den Fall, dass beim ersten Termin überhaupt nicht geboten wurde, gelten auch beim zweiten Versuch noch die Wertgrenzen.
Manchmal ersteigert man die Bewohner mit
Als Mitbietender sollte man sich eher nicht darauf freuen, nach Kauf die Koffer zu packen und sein neues Reich zu beziehen. Denn dass die ersteigerte Wohnung direkt leer steht, ist eher die Ausnahme. Eigentümer müssen sich an die gesetzlichen Kündigungsfristen halten, möglicherweise bestehen sogar Verträge über eine lebenslange Nutzung oder ein Nießbrauchrecht, sodass die Immobilie nie selbst genutzt werden kann. Derartige Informationen können aber in den öffentlichen Verzeichnissen nachgelesen werden, in dem Fall im Grundbuch. Dort sollten auch – falls vorhanden – offene Hypotheken oder andere Schulden aufgelistet sein.
Kein garantiertes Schnäppchen
Bleibt die Frage, ob sich im Auktionssaal wirklich Schnäppchen schießen lassen – oder man hier einfach nur die Katze im Sack bekommt und dafür trotzdem ein Heidengeld bezahlt. Die Immobilienplattform Immoscout, auf dem sich ebenfalls reichlich Versteigerungsobjekte tummeln, meint: “In vielen Fällen wechseln Immobilien für rund zwei Drittel des eigentlichen Wertes – oder für noch weniger – den Besitzer”, heißt es auf der Website. Belege nennt der Anbieter dafür keine.
Es stimmt erst mal, dass die in den Versteigerungen angegebenen Verkehrswerte teils weit unter den Angebotspreisen auf Immobilienportalen liegen – also den Wunschpreisen, die Verkäufer am freien Markt gern für ihr Objekt bekommen würden. Konkrete Zahlen liefert der Marktreport der Steinbeis-Hochschule Berlin, die sich die Relation von Verkehrswerten und Angebotspreisen für das Jahr 2021 genauer angesehen hat. Im bundesweiten Median, so eine der Kernerkenntnisse, lagen die Verkehrswerte bei 62% des Angebotskaufpreises. Bei Eigentumswohnungen waren es im bundesweiten Schnitt 146.536€, Einfamilienhäuser kamen auf durchschnittlich 248.645€ Verkehrswert. “Diese unterliegen aber erheblichen Schwankungen, sodass auch Spitzenwerte bei 1.880.000€ für Wohnungen und 4.100.000€ für Häuser verzeichnet wurden”, ergänzen die Forscher dazu.
In Metropolen werden Verkehrswerte oft überboten
Doch selbst wenn die meisten Verkehrswerte im Schnitt unter den Preisen am freien Markt liegen, heißt das noch nicht, dass Käufer wirklich sparen. Am Amtsgericht Hamburg-Mitte etwa treiben die Bieter den Preis in der Regel weit über den Verkehrswert: “In ca. 75% der Versteigerungsverfahren wird ein Meistgebot über dem festgesetzten Verkehrswert erreicht”, sagt eine Sprecherin des Oberlandesgerichts auf Nachfrage. An drei von zwölf Berliner Amtsgerichten war das - zumindest bis vor Kurzem - ebenfalls noch die Regel, wie eine Sprecherin der Berliner Zivilgerichte auf Anfrage mitteilt. Doch seit Ende 2022 geht die Tendenz in die andere Richtung: Mit den steigenden Zinsen hat offenbar auch die Nachfrage nach versteigerten Objekten abgenommen, verteuern sie doch die Finanzierung teilweise erheblich. Ähnliches beobachtet ein Rechtspfleger am Kölner Amtsgericht: Bis Ende 2022 sind dort rund 80% der versteigerten Immobilien über dem Verkehrswert versteigert worden. Mit dem Jahr 2023 drehte sich auch dort der Wind: Für einige Objekte habe sich überhaupt kein Bieter gefunden oder es wurden Gebote unterhalb des Verkehrswertes erzielt, heißt es aus der Pressestelle.
Eine Ausnahme bildeten Objekte mit sehr hohem Verkehrswert im siebenstelligen Wert: “Hier wird auch aktuell noch über, teilweise sogar weit über dem Verkehrswert zugeschlagen.” Das deckt sich mit den Ergebnissen auf Bundesebene. Einige besonders teure Objekte kommen laut Marktreport weit oberhalb des Angebotskaufpreises unter den Hammer: “Die teuersten 10% der Immobilien in Zwangsversteigerung beginnen 109% des Angebotskaufpreises. Hierbei dürfte es wohl eher um Premiumobjekte handeln”, heißt es in dem Bericht.
Wer sind die Bieter?
In den ausgewählten Amtsgerichten in Köln, Hamburg und Berlin bieten mehrheitlich Privatpersonen bei den Versteigerungen mit, teilen die Pressestellen mit. In Köln ist zudem ein Trend zu beobachten. So sei der Anteil der gewerblichen Bieter in den vergangenen Jahren “beständig zurückgegangen”. Das läge möglicherweise an der in NRW zu entrichtenden Grunderwerbssteuer in Höhe von 6,5 %, die im Fall eines Weiterverkaufs ebenfalls entrichtet werden muss, schätzt die Sprecherin. Denn “ein Erwerb zum Verkehrswert oder darüber” sei “nicht wirtschaftlich.”
Geringere Nebenkosten
Zumindest bei den Kaufnebenkosten ist der Rabatt garantiert. Sowohl die Notargebühren (ca. 1,5%) als auch die Maklerkosten (i.d.R. zwischen 5 und 7%), die sich Käufer und Verkäufer normalerweise teilen, entfallen bei der Zwangsversteigerung, die Kosten fürs Gutachten übernimmt das Gericht. Andere Kaufnebenkosten bleiben dagegen bestehen, etwa die Grunderwerbsteuer, die je nach Bundesland zwischen 3,5% und 6,5% des Kaufpreises beträgt. Zudem erhebt das Amtsgericht eine Zuschlagsgebühr in Höhe von etwa 1,5%. Im Großen und Ganzen sind die Kosten dennoch niedriger als beim herkömmlichen Immobilienerwerb.
Unendlich viel Risiko
An den deutschen Amtsgerichten lassen sich also durchaus tolle Schnäppchen schießen – oder gewaltige Nieten ziehen. Die Risiken sind dabei theoretisch unendlich. Schließlich lassen die Gutachten oftmals nur erahnen, ob Asbest hinter der Tapete schlummert, Risse durch die Wand laufen oder der Keller feucht ist. Gewährleistungen oder Garantien existieren keine, auch reklamieren lässt sich im Nachhinein nichts mehr. Wurde der Zuschlag einmal erteilt, gibt es kein Zurück, jedes getätigte Gebot gilt als rechtlich bindender Vertragsschluss. Wenn also schon beim konventionellen Immobilienkauf mit Makler einiges schiefgehen oder unentdeckt bleiben kann, sprengt das Risiko bei der Ersteigerung jede Skala.
Kommentare (7)
A
Alex I
sagt am 07. September 2023
wie sieht es eigentlich mit Rechtlichen Risiken aus? wie z.B. Schulden bei Handwerkern.
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Michael
sagt am 13. Juni 2023
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John
sagt am 01. Juni 2023
Ja das ist wahr. "In der Versteigerung sollte man immer einen kühlen Kopf bewahren. Das Gutachten gilt es kritisch zu lesen und sich einen eigenen Wert bilden. Dabei hilft es das Objekt wenigstens einmal von außen zu betrachten."
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plietsch! Steuerberatung
sagt am 26. Mai 2023
In der Versteigerung sollte man immer einen kühlen Kopf bewahren. Das Gutachten gilt es kritisch zu lesen und sich einen eigenen Wert bilden. Dabei hilft es das Objekt wenigstens einmal von außen zu betrachten. Diese interne Preisgrenze sollte man dann in der Versteigerung nicht überschreiten, auch wenn andere sich um Kopf und Kragen bieten. Und wenn vor dem Saal schon eine Traube mit 50 Teilnehmern steht: Der Termin ist dann wohl eher zum üben. Die Wahrscheinlichkeit, dass andere - ohne Preisgrenze im Kopf - mehr bieten, ist sehr hoch.
C
Christoph
sagt am 26. Mai 2023
…dann siehts es düster aus. Sollte man anderweitig keinen Kredit organisieren können, kann man die entstandenen Forderungen nicht bedienen und im schlimmsten Fall ist die nächste Zwangsversteigerung für das Objekt nicht mehr weit.
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leo
sagt am 26. Mai 2023
hallo, danke zunächst für den tollen Artikel obwohl er schon bisschen zurückhaltend ist. In der wirtschaft sollte man Menschen motivieren zu riskieren, denn wer nicht riskiert gewinnt auch nicht viel, stattdessen kann man 40 Jahre knechten und dann die mickrige Rente beziehen, jap, das funktioniert in der Regel ohne Komplikationen;). Aber was mich zu Zwangsversteigerung interessieren würde, wäre folgender Fall: man zahlte das 10%, hat den Zuschlag (vorläufig hatte man schon bei der Bank informiert wie viel man als Kredit bekommt) und jetzt geht es ins eingemachte und die Bank verweigert den Kredit. Was passiert dann?
C
Christoph
sagt am 26. Mai 2023
…dann ist die nächste Zwangsversteigerung zu terminieren 🤷♂️
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