Das geleaste Zuhause
Wer keine Lust hat auf eine feste Beziehung, sich aber trotzdem eine Weile wie ein Paar aufführen will, verständigt sich auf eine „Situationship“, so nennt man das heute. Eine Beziehung mit Ablaufdatum. Die jungen Leute wollen sich nicht mehr festlegen, schimpft die Elterngeneration bei solchen Begrifflichkeiten. Und vielleicht ist da etwas dran. Jedenfalls existiert in der Welt der Immobilien inzwischen ein Pendant zur Situationship: das Wohnraum-Leasing. Statt direkt zum Notar zu rennen und sich für die kommenden Jahrzehnte eine Ratenzahlung aufzubürden, wird das potenzielle Eigenheim erst mal für ein paar Jahre geleast – und später entschieden, ob man es wirklich kaufen will.
Das Ganze erinnert an das Modell Mietkauf, doch der große Unterschied ist: Man verpflichtet sich beim Leasing tatsächlich zu nichts und bleibt flexibel. Mit diesem Versprechen wirbt seit Kurzem das Hamburger Unternehmen OWNR, gesprochen: „Owner“, also Eigentümer. Durch das Leasing könne man nicht nur „Probewohnen“, sondern sich endlich auch ein Eigenheim „ohne reiche Oma“ leisten, meinen die Gründer. „Unser Ziel ist es, Wohneigentum für mehr Menschen zugänglich zu machen.“, heißt es auf der Website und in den Ohren von Mietern, die den Traum vom Eigenheim angesichts horrender Preise, knappen Angebots und hohen Zinsen bereits abgeschrieben haben, mag das wie Musik klingen. Doch wie man sich denken kann, hat das Ganze seinen Preis.
„Du suchst. Wir kaufen. Du wohnst“
Leasing kennt man eher vom Firmenauto, dabei ist das Konzept auch in der Welt der Immobilien kein Novum. Bloß beschränkte sich der Markt bislang vor allem auf den gewerblichen Bereich, also beispielsweise auf Büroflächen, die von jungen Unternehmen geleast werden. Im Privatsegment hat das Portal OWNR den Markt bislang weitgehend für sich gepachtet. Einziger Konkurrent weit und breit ist die Sparkasse mit ihrem Angebot „flexi“ in Bremen und Umgebung, weitere Städte sollen folgen. Doch wie funktioniert das Immobilien-Leasing nun genau?
Mindestens 24 Monate leasen sind Pflicht
Das Unternehmen OWNR hat selbst mehrere Dutzend Immobilien auf seiner Website veröffentlicht, durch die sich Eigenheim-Interessierte klicken können. Aktuell beschränkt sich das Angebot noch auf die Metropolen Hamburg, Frankfurt und Berlin inklusive Speckgürtel, die Objekte kosten zwischen 200.000€ und 1,2 Mio. Euro.
Dabei fällt auf: Nicht wenige Objekte hätten eine Aufbesserung nötig. OWNR verspricht, man übernehme die Renovierung und achte dabei sogar auf Kundenwünsche. Dieser Service schlägt sich im Preis nieder, doch dazu gleich mehr.
Entscheidet sich ein Kunde für eine Immobilie, tritt das Portal als Käufer auf und vermietet diese anschließend an den Kunden. Dabei gilt – wie bei vielen konventionellen Mietverträgen – eine Mindestlaufzeit von 24 bis 48 Monaten. Nach Ablauf der Frist haben die Leasing-Nehmer drei Möglichkeiten:
- Option 1: Sie kaufen die Immobilie zu einem vorher festgelegten Kaufpreis.
- Option 2: Sie bleiben weiter zur Miete wohnen, solange sie wollen, wobei ein unbefristeter Mietvertrag gilt. Nach Informationen von OWNR stehen die Mieter unter dem Schutz des Deutschen Mietrechts.
- Option 3: Die Mieter ziehen wieder aus, der Leasingvertrag wird gekündigt und es findet kein Kauf statt.
„Sei der Erste in der Schlange“
In der Tat bietet das Leasing einige Vorteile. Wer beispielsweise noch nicht genügend Eigenkapital zusammen hat, um sich ein Eigenheim zu finanzieren, kann sich Zeit zum Ansparen verschaffen – und wohnt trotzdem schon in seinem Wunschobjekt. Das Probewohnen, wirbt OWNR, sei außerdem hilfreich, um sich einen Rundum-Eindruck von der Immobilie zu verschaffen. Also erst einmal zu prüfen, ob einem die Nachbarschaft und das Objekt wirklich gefallen und ob man hier die nächsten Jahrzehnte verbringen will.
Dazu sollen sich potenzielle Käufer die übliche Rangelei auf dem Immobilienmarkt sparen, wie man sie besonders in den großen Metropolen kennt. „Sei der Erste in der Schlange, wenn es darum geht, ein zum Verkauf stehendes Objekt zu besichtigen“, verspricht OWNR. Kurzum: Das Leasen soll auch jenen die Tür zum Eigenheim öffnen, die – aus welchen Gründen auch immer – mal eben 50.000€ Eigenkapital oder mehr auf den Tisch legen können, um überhaupt eine Finanzierung ins Rollen zu bringen. Denn zumindest die Erwerbsnebenkosten von schätzungsweise 10% des Kaufpreises verlangen viele Banken als Sicherheit, bevor sie einen Kredit vergeben.
4.919€ für das Apartment in Berlin-Mitte
Was sich schnell zeigt: Auf einem Schnäppchenmarkt ist man bei OWNR nicht gelandet. Für die Zweizimmerwohnung mit 69 m² in der Hauptstadt beträgt die Leasingrate schnell mal 1.500€, und selbst bei Einzimmerwohnungen landet man selten unter 1.000€. In Hamburg und Frankfurt sind die Preise ähnlich, 55 m² in Altona-Nord gibt es beispielsweise für 1.626€ pro Monat, und in Frankfurt-Sachsenhausen landet man für einen 70er-Jahre-Bau mit 65 m² sogar bei 1.730€. Nach oben hin sind keine Grenzen gesetzt. Das aktuell teuerste Angebot ist ein Apartment in Berlin-Mitte für schlappe 4.919€. Was man dabei nicht vergessen sollte: Die Leasingrate ist noch nicht die Warmmiete, hinzu kommen also Kosten für Heizen und Strom, was – je nach Größe – gut und gern ein paar Hundert Euro sein können.
Auch wenn OWNR also verspricht, „mehr Menschen in die eigenen vier Wände zu bringen“: Für den schmalen Geldbeutel ist auch hier wenig dabei. In Hamburg und Berlin beginnt die günstigste Leasingrate bei 823€, in Frankfurt bei 776€ (für 54 m² in Maintal, das eigentlich nicht mehr zu Frankfurt gehört).
Im Schnitt liegen die Leasingraten etwa 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete, sagte OWNR-Gründer Nils Kohle in einem Interview mit dem Finanzmagazin Finance Forward. Dafür gibt es Gründe: Die Leasingrate setzt sich aus dem Kaufpreis der Immobilie und weiteren Kosten zusammen, wie etwa den Kreditzinsen, eventuellen Renovierungskosten, Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Maklerprovision.
10% der Miete werden angerechnet
Immerhin: Was während des Leasings jeden Monat vom Konto abgeht, verschwindet nicht gänzlich in den Taschen Dritter. Zumindest 10% der gezahlten Miete werden auf den späteren Kaufpreis angerechnet. Wovon jedoch nur profitiert, wer das Ganze durchzieht: Wird der Vertrag gekündigt und findet kein Kauf statt, geht das eingezahlte Geld verloren.
Je kürzer die Mietzeit, desto höher die Leasingrate
Zugleich zahlen Leasing-Nehmer einen Preis für die Flexibilität: Je kürzer sie sich ans Leasing binden wollen, desto höher fällt die Rate aus. Für eine 4-Zimmer-Wohnung im Süden Berlins beträgt diese bei 48 Monaten Mindestlaufzeit beispielsweise 1.478€ pro Monat. Bei nur 24 Monaten sind es 1.626€. Auch der Renovierungsbedarf macht einen Unterschied: Stellt man bei besagter 4-Zimmer-Wohnung den Regler auf „Basis“ (laut OWNR steht das für minimale Renovierungsarbeiten wie Streichen, Reinigung, Silikon im Bad erneuern) liegt die Rate 100€ niedriger, als würde man von „hohem“ Renovierungsbedarf ausgehen (Wände verputzen, neue Küche, Badrenovierung, neuer Boden).
Kaufpreis steigt mit der Zeit
Der Kaufpreis, zu dem die Immobilie einmal erworben werden kann, ist ein Festpreis, das heißt: Trotz all der Flexibilität haben Leasing-Nehmer eine gewisse Planungssicherheit. Was jedoch nicht bedeutet, dass sie zwangsläufig ein gutes Geschäft machen. Denn damit das Ganze für die Plattform selbst nicht zum Minusgeschäft wird, rechnet OWNR in den künftigen Kaufpreis eine potenzielle Wertentwicklung ein. Dabei orientiert sich das Unternehmen an der Entwicklung der üblichen Preisindizes für Wohnimmobilien, mit anderen Worten: an den Preissteigerungen der Vergangenheit. Was macht das konkret mit dem Preis? OWNR rechnet es beispielhaft an einer 120 m² Wohnung in Hamburg vor:
Liegt der Kaufpreis aktuell bei 650.000€ und least der Mieter für drei Jahre, erhöht sich der Kaufpreis in dieser Zeit auf 769.330€. Eine Steigerung um 18% in drei Jahren. Je nachdem, was die Zukunft bringt, kann sich das für den Leasing-Nehmer durchaus als guter Deal entpuppen. Rein theoretisch kann es passieren, dass der Wert der Wohnung weit stärker steigt als um 18%. Der Leasing-Nehmer würde die Immobilie in dem Fall „billig“ von OWNR abkaufen. Doch auch der umgekehrte Fall ist möglich und das Haus oder die Wohnung könnten im Wert fallen. Völlig unrealistisch ist das nicht, wie der Blick auf die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts zeigt. Demnach verbilligten sich Wohnimmobilien im Jahr 2023 um ganze 8,4% im Vergleich zum Vorjahr.
Einige Nebenkosten fallen doppelt an
Wer least, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit insgesamt mehr zahlen als der Direktkäufer, welcher sein Eigenheim auf klassischem Weg finanziert. Zwar zahlen Leasing-Nehmer einen Teil des Kaufpreises bereits im Voraus ab, sodass sie beim Kauf weniger Eigenkapital aufbringen müssen. Doch bezahlen sie dafür zugleich in der Leasingzeit mit einer etwas höheren Rate. Hinzu kommt: Sowohl die Provision als auch die Notarkosten und die Grunderwerbsteuer fallen für Käufer doppelt an: Einmal, sobald OWNR das Objekt kauft (hier werden die Kosten auf die Leasingrate draufgeschlagen). Und zum zweiten Mal, sobald der Leasing-Nehmer das Objekt von OWNR erwirbt (hier werden sie zum Kaufpreis hinzuaddiert).
Sparkasse Bremen zahlt das Geld zurück
Die Sparkasse Bremen wirbt für ihr „flexi“–Konzept zunächst mit denselben Rahmenbedingungen wie OWNR: „Du ziehst ein und wohnst zur Probe, bis Du bereit für den Kauf bist. Dabei kannst Du Dir den Traum vom eigenen Zuhause früher erfüllen und bleibst gleichzeitig so frei und flexibel wie ein Mieter.“ Doch in einigen Belangen macht „flexi“ seinem Namen alle Ehre: Die minimale Leasingdauer kann bis zu fünf Jahre betragen (bei OWNR sind es nur vier), außerdem gibt es das Geld für die erworbenen Anteile später zurück, sollte doch kein Kaufvertrag zustande kommen. Hinzu kommt: Je nach monatlicher Rate können während der Leasingdauer bereits bis zu 15% des Kaufpreises abbezahlt werden. Zur Erinnerung: Bei OWNR sind es lediglich 10%. Von Leasing ist übrigens an keiner Stelle die Rede, man spricht stattdessen von einem „Mietoptionskauf“.
Man kann also festhalten: Das Leasing-Modell für Immobilien hat insbesondere in angespannten Großstadt-Märkten sicher seine Berechtigung. Das Probewohnen schenkt Flexibilität und schützt vor Fehlkäufen, die am Immobilienmarkt im schlimmsten Fall zum finanziellen Ruin führen können. Schließlich lässt sich ein Reihenhaus nicht einfach reklamieren wie ein verschnittener Pullover. Zudem verschafft das Konzept all jenen mehr Zeit zum Ansparen von Eigenkapital, die noch keine hohen Summen auf der Seite liegen haben, und könnte damit vielleicht tatsächlich mehr Menschen in die eigenen vier Wände bringen.
Doch sollten sich Leasing-Nehmer stets bewusst sein, dass sie für diese Flexibilität an anderer Stelle bezahlen. Vor allem dann, wenn der Kauf letzten Endes nicht stattfindet. Sich nicht festzulegen, hat eben auch seinen Preis.
Kommentare (3)
N
Nils T. Kohle
sagt am 03. Mai 2024
Vielen Dank für den interessanten Artikel über unser Produkt. Generell nicht ganz schlecht recherchiert, hier nur ein paar kleine Anmerkungen von meiner Seite: - In den Großstädten in Deutschland gibt es nur geringe Eigentümerquoten (zwischen 15 und 27%, je nach Stadt), unser Ziel bei OWNR ist es diesen Weg dorthin zu ermöglichen. Der kritischste Faktor ist das Thema Eigenkapital (auch durch die ganzen Zusatzkosten wie Makler, Renovierung etc.), welches wir mit OWNR lösen, der Eigenkapital-Anteil ist beim Kauf von uns im Normalfall mehr als deutlich geringer. - Das größte Problem beim Immobilienkauf ist, das niemand vorher testen kann und das eine Fehlentscheidung im Nachhinein extreme Probleme bereiten kann. Genau dieses umgeht man mit unserem Leasing #Probewohnen - Die Mindestdauer gibt es deshalb, weil wir für eine uns zu dem Zeitpunkt unbekannte Person eine Immobilie für mehrere einhunderttausend Euro kaufen und uns natürlich etwas absichern müssen. Das Modell würde nicht funktionieren, wenn wir für jemanden kaufen und nach zwei Monaten erfolgt die Kündigung. - Die Leasingraten bei uns hängen zu einem sehr großen Teil vom Kaufpreis ab, den wir nur in Teilen beeinflussen können. Wenn also ein Verkäufer für eine 60m² Penthouse Wohnung 1,2m Euro aufruft, dann ist die Leasingrate sehr hoch (auch wir zahlen Zinsen). Die muss niemand leasen und auch wir würden solche Objekte eher nur im Ausnahmefall erwerben. Generell versuchen wir halt eine grobe Leasing-Raten-Indikation für alle sich auf dem Markt befindlichen Objekte zu erstellen, damit der potenzielle Leasingnehmer ein Gefühl dafür bekommt. - Zu unseren lieben Kollegen von Flexi würde ich sagen, dass ihr besser mal direkt mit denen sprecht, ich denke unser Modell ist da etwas interessanter aufgestellt :-). Mit besten Grüßen Nils T. Kohle
C
Cornelia May
sagt am 28. April 2024
Ein Aspekt fehlt noch: Die Leasingnehmer:innen wissen nicht welchen Zinssatz sie zum Kaufzeitpunkt von einer Bank bekommen werden. Damit ist der spätere Kauf nicht vorher kalkulierbar.
N
Nils Kohle
sagt am 03. Mai 2024
Das stimmt, allerdings kaufe ich ein Objekt in dem ich wohne, das ist für die meisten Banken ein ziemlicher Vorteil, der sich auch sehr oft positiv in den Zinskosten niederschlägt.
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