Reich durch Kakao?
In den vergangenen Jahren stieg die Kakao-Nachfrage stetig – laut den Vereinten Nationen nahm der weltweite Kakaoverbrauch pro Kopf seit dem Jahr 2000 um 40% zu. Am stärksten war der Anstieg in den Schwellenländern. Und bislang konnte das Angebot die meiste Zeit mithalten. Nicht so im Jahr 2024: Einerseits machte das Wetterphänomen El Niño der Ernte zu schaffen, zugleich fehlte es an genügend gesunden Bäumen. Denn deren Pflege kostet Geld, das den Kleinbauern fehlt. Unter anderem, weil die Bäume erst nach fünf Jahren Früchte tragen.
So passierte, was passieren musste: Der Kakaopreis explodierte und stieg binnen eines Jahres um rund 238%. Vor allem der anfängliche Kursanstieg lockte viele Spekulanten, die ein Stück vom Kuchen haben wollten, indem sie auf steigende Kurse setzten. Auch im Online-Forum Reddit tauschten sich Anleger darüber aus, ob sie etwa gehebelt in Kakao investieren sollten. Doch ist es wirklich klug, auf Kakaopreise zu wetten und, falls ja: Was sollte man dabei beachten?
Gestiegene Nachfrage und schlechte Ernte
Insbesondere in den Schwellenländern nahm durch den gewachsenen Wohlstand die Nachfrage nach Kakao in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zu. Doch auch wir Deutschen essen sehr gerne Schokolade – pro Kopf etwa 9,2 Kilogramm im Jahr. Damit liegt Deutschland mit jährlich 440.000 Tonnen verarbeiteten Kakao weltweit auf dem vierten Platz.
Angebaut wird der Kakao überwiegend von Kleinbauern. Der meiste Kakao wird mit mehr als 65% in Westafrika angebaut, wo der Klimawandel den Kleinbauern merklich zusetzt. Dürren, Starkregen und Überflutungen sowie neue Pflanzenkrankheiten zerstören immer wieder Teile der Ernte. Vorwiegend durch das Wetterphänomen El Niño fehlen allein in diesem Jahr rund 400.000 Tonnen Kakao am Weltmarkt. Dazu hat auch beigetragen, dass die Kleinbauern aus Geldmangel nicht in neue Plantagen investieren konnten. Dabei wäre gerade das bereits vor Jahren nötig gewesen, um die gestiegene Nachfrage zu decken und sich für Missernten zu rüsten. Denn Kakaobäume können erst nach einigen Jahren geerntet werden, da die ersten Blüten erst nach zwei bis drei Jahren kommen und Erträge erst nach fünf bis sechs Jahren.
Kakaopreis to the moon
Wegen des geringen Angebots stieg der Kakaopreis deutlich an. Dies liegt vor allem an den Schokoladenherstellern, die plötzlich fürchteten, nicht genügend Kakao zu erhalten. In einem Marktkommentar der Commerzbank vom 22. März 2024 erklärte man sich die Preisrallye wie folgt: „Der Grund ist unverändert die Angst vor einer Angebotsknappheit“. Am 25. März dann überschritt der Kakaopreis an der Warenterminbörsen in New York (ICE) die magische Grenze von 10.000 US-Dollar. Noch drei Monate zuvor hatte der Kurs bei ungefähr 4.500 US-Dollar – und damit bei weniger als der Hälfte. Am 19. April schließlich knackte er das Allzeithoch in Höhe von 12.697 US-Dollar, bevor es wieder leicht bergab ging. Am 7. Mai wurde Kakao mit einem Kurs von ungefähr 9350€ je Tonne gehandelt. Dies sind rund 238% mehr als noch ein Jahr zuvor.
Gutes Geschäft für die Kakaobauern?
Da die Kakaobauern ihre Kakaobohnen meist mehrere Monate im Voraus zu einem festen Preis verkaufen, haben sie von den gestiegenen Preisen nicht profitiert. Mehr noch: Durch die geringen Erntemengen und die festen Preise sind einige in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Die beiden Länder Ghana und die Elfenbeinküste wollten daher ihre Bauern unterstützen und erhöhten die Abnahmepreise. In Ghana stiegen sie um 58% und in der Elfenbeinküste um 50%. Allerdings erhalten sie damit weiterhin weniger als 2.500 US-Dollar pro Tonne. Trotzdem ermöglicht das den Landwirten, mehr in die Pflege der Kakaoplantagen zu investieren. Da Ghana und die Elfenbeinküste am meisten Kakao produzieren, kann dies auch Druck aus dem Markt nehmen.
Profitiert haben besonders Spekulanten, die auf steigende Kurse gesetzt hatten. Darunter auch Hedgefonds, die wegen der Wettervorhersagen und der geringen Investitionen in Kakaoplantagen von geringen Ernten ausgegangen waren. Auch im Reddit-Forum sprach sich schnell herum, dass Kakao eine lohnende Anlagechance bieten könnte. So wurde etwa hitzig darüber diskutiert, ob sich nicht ein Hebel-Investment lohnen würde, andere verglichen die Wertentwicklung beim Kakao mit den jüngsten Kurssprüngen der Nvidia-Aktie.
Die Schokoladenhersteller setzten die gestiegenen Preise derweil teils stark unter Druck. Hersteller wie das Schweizer Unternehmen Barry Callebaut hatten ihre Kakaolager mit Terminkontrakten abgesichert, indem sie mit Short-Positionen auf fallende Kurse gesetzt hatten. Als die Lagerbestände plötzlich an Wert gewannen und die Short-Kontrakte massiv an Wert verloren, verlangten Banken für die Absicherung von den Herstellern zusätzliches Kapital. Wer dies nicht länger stemmen konnte, musste seine Position aufgeben. Der Schweizer Hersteller löste das Problem, indem er daraufhin eine Anleihe in Höhe von 600 Millionen Franken herausgab, um frisches Kapital einzusammeln.
Futures statt Kakao zu Hause lagern
In Kakao physisch zu investieren ist gar nicht so einfach, da man sehr viel Platz dafür braucht und es verderblich ist. Bei einem Preis von 9,35 US-Dollar je kg (Stand 7. Mai 2024) benötigt man über 100 kg, um 1.000 US-Dollar anzulegen. Dies ist bei den meisten Rohstoffen der Fall – leichter ist es hingegen bei Gold.
Deswegen bilden Anleger Rohstoffe wie Kakao meist mit Futures ab. Das sind Terminkontrakte auf ein bestimmtes Gut, beispielsweise auf Kakao. Mit einem Future sichert man sich eine vereinbarte Menge Kakao zu einem fixen Preis zu. So haben die Kakaobauern und die Schokoladenhersteller einen Preis, mit dem sie planen können. Wer weder Kakao produzieren noch verarbeiten möchte, kann damit auch spekulieren. Um nicht auf dem Kakao sitzenzubleiben, wird der Future jedoch vor Fälligkeit verkauft.
Wer nicht selbst die Futures kaufen möchte, kann auch passiv über einen Kakao ETC investieren, etwa in den WisdomTree Cocoa ETC. Wie sich der Kurs des ETCs entwickelt hat, zeigt die unten stehende Grafik. Von 2012 bis 2023 lief er weitestgehend seitwärts und erzielte keinen Wertzuwachs. Bis er in diesem Jahr rapide anstieg.
Klingt verlockend – was gibt es zu beachten?
Man kann verstehen, dass die aktuelle Kakao-Kursrallye viele Spekulanten anlockt. Doch sollte man bedenken, dass es für Privatanleger fast unmöglich ist, direkt in Kakao zu investieren. Die Futures stellen zwar eine Lösung dar, doch hat auch die ihren Preis: Einen Terminkontrakt zu verkaufen und sein Geld in einen neuen zu transferieren, verursacht meist Kosten, sogenannte Rollverluste.
Obendrein kannst du nie sicher sein, wie sich der Kakaopreis entwickeln wird. Schließlich wird er von allerlei Faktoren bestimmt: Wie entwickelt sich die Kakao-Nachfrage? Weichen die Kunden vielleicht auf andere Güter aus? Wie gut fällt die Ernte aus? Dabei wiederum sind das Wetter, der Zustand der Kakaobäume und die Handelswege entscheidend.
Kurz gesagt: Ein Investment in Kakao ist eine hochspekulative Angelegenheit. Du solltest also besser nicht dein gesamtes Erspartes darauf verwetten, geschweige einen Hebel zu Hilfe nehmen. Wenn du allerdings Spaß daran hast, solche Wetten ab und zu einzugehen, bietet sich vielleicht die Core-Satellite-Strategie für dich an. Dabei investierst du den größten Teil deines Vermögens – rund 80 bis 90% – weltweit gestreut in ETFs. Mit dem restlichen Teil kannst du auf Einzelaktien oder sonstiges setzen, z.B. Kakao.
Kekse statt Schokolade
Was bedeutet all das eigentlich für die Schokoladenpreise im Supermarkt? Auch sie zogen zuletzt stark an. In der Veröffentlichung vom 3. April dieses Jahres sieht Ken Goldmann von JP Morgan bereits, dass Kunden vermehrt auf Kekse und salzige Snacks auswichen. Er gehe davon aus, dass die Verbraucher auf die gestiegenen Preise reagieren und die Nachfrage nach Kakao abnehmen werde. Genauer: Mittelfristig werde der Preis auf rund 6.000 US-Dollar sinken, so die Prognose von JP Morgan. Damit würde sich der Preis auf einem niedrigeren, aber deutlich höheren Niveau als in den Vorjahren einpendeln.
Die Terminstrukturkurve beziehungsweise Terminpreiskurve deutet ebenfalls auf einen fallenden Kakaopreis hin. Die Terminstrukturkurve gibt die voraussichtlichen Preise von Kakao für zukünftige Zeitpunkte an. Wichtig dabei: Es handelt sich nicht um Prognosen, sondern um tatsächliche Marktpreise. Futures mit einer längeren Laufzeit sind dabei günstiger als mit einer kürzeren. Beispielsweise wird ein Future mit einer Fälligkeit gegen Jahresende (12. Dezember 2024) mit einem Preis von 7.432 US-Dollar gehandelt. Ungefähr ein Jahr später (14. Dezember 2025) kostet der Future nur noch 5.916 US-Dollar.
Doch ob es mit den Preisen wirklich in dem Maße bergab gehen wird, bleibt abzuwarten. Das Allzeithoch war in jedem Fall auch von der Angst der Schokoladenhersteller getrieben, zu wenig Kakao für ihre Produktion zu erhalten und die Produktion herunterfahren zu müssen. Im Übrigen werden die Kleinbauern in Ghana und der Elfenbeinküsten durch höhere Abnahmepreise unterstützt. Daher hat sich die Marktsituation wieder etwas beruhigt. Nichtsdestotrotz braucht es Zeit, bis neue Kakaobäume erste Früchte tragen – meist fünf Jahre – und bessere Wetterbedingungen.
Kommentare (3)
A
Anonym
sagt am 12. Mai 2024
Am Ende werden die Hersteller Mittel und Wege finden, um neu Rezepturen mit einem geringeren Kakaogehalt herzustellen bzw. diesen anderweitig zu ersetzen. Das pendelt sich wieder ein und kleine Anleger schauen am Ende in die Röhre, weil Sie das Ganze überhaupt nicht überblicken und einschätzen können. Wenn man damit Erdolg hat ist es nur Glück.
F
Fe
sagt am 10. Mai 2024
Kein Wort zu den äußert prekären Bedingungen unter denen Großteils versklavte Kinder! auf den Kakao-Plantagen Westafrikas arbeiten. https://www.youtube.com/watch?v=ZVJkZZGc6vY
M
MGn
sagt am 10. Mai 2024
Sehr enttäuschend, daß hier ethisch/moralische Themen komplett ausgeblendet werden. Das sollte wenigstens kurz angerissen werden, auch wenn Die Entscheidung dann wie immer beim Inverstor liegt und es wahrscheinlich viel nützlicher ist auf Schokolade & Co zu verzichten.
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