Das Geschäft mit dem Genuss: Anlegen in Wein
So funktioniert der Weinmarkt
Hochqualitative Weine (im Englischen “Fine Wine”) gehören zu der Anlageklasse der Luxusgüter, zu der unter anderem auch Kunstwerke, Antiquitäten oder Oldtimer zählen. Die Betonung der Qualität ist sehr wichtig, da der 3,50€-Grauburgunder vom Discounter nicht als Anlageprodukt dienen kann – auch wenn er sicherlich manchmal seinen Zweck tut. Nur eine kleine Klasse feinster Weine erfährt über die Jahre einen Wertzuwachs, der sich mit den Renditen des Kapitalmarkts vergleichen lässt (oder zum Teil darüber hinaus geht). Die britische Immobilienberatungsgesellschaft Knight Frank erhebt die Preise genau solcher Weine und bildet daraus den Knight Frank Fine Wine Icons Index, der auf einem diversifizierten Portfolio verschiedener ausgewählter Weine basiert. Dieser erfuhr ein ein Wachstum von circa 8,2% pro Jahr von 2010 bis 2020.
Dieses Wachstum, so meinen die Befürworter einer Geldanlage in Wein, ist relativ abgekoppelt von den Turbulenzen des Kapitalmarkts, was Wein zu einem attraktiven Investment als Renditetreiber und Krisendämpfer machen würde. Etwa in Bezug auf die weltweite Finanzkrise ab 2008 kann man diese Hypothese bestätigen – in früheren Krisen hingegen (etwa in der Ölkrise oder beim Platzen der Dotcom-Blase), so bemerkt Knight Frank es selbst, war das nicht der Fall. Dennoch scheint ein weiteres stabiles Wachstum auch in den kommenden Jahren realistisch zu sein und damit strahlt ein Weininvestment eine gewisse Stabilität aus.
Aber was macht einen wirklich guten, hochqualitativen Wein eigentlich aus? Weine beziehen ihre Qualität aus verschiedensten Faktoren wie dem Anbaugebiet, der verwendeten Traube, der Weinlese, der Verarbeitung usw. In vielen wichtigen Weinbaugebieten wie bestimmten französischen Regionen, Orten in Argentinien oder Südafrika stellen Winzer seit Generationen sehr hochwertige Weine her, die sich als Produkt durchaus auch auf verschiedene (subjektive) Geschmäcker berufen können, so werden etwa Unterschiede zwischen europäischen Weintraditionen und der US-amerikanischen Weinkultur postuliert.
Zwei weitere zentrale Faktoren in der Weinwirtschaft sind überdies Seltenheit und Expertentum. Dass Fine Wines nur stark begrenzt auf den Markt kommen und mit der Zeit besser (und seltener) werden, ist ein notwendiges Kriterium ihres Wertwachstums. Bestimmte Weine oder Jahrgänge werden als etwa “Jahrhundertweine” verstanden und bekommen exzellente Bewertungen von Kritikern und steigen damit immer weiter im Wert. So gilt beispielsweise das Jahr 1934 für spanischen Wein als ein solcher Jahrhundertjahrgang. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass auch sehr gute Weine ein begrenztes Trinkfenster aufweisen, innerhalb dessen diese noch genießbar sind. Die Weine erreichen dieses Fenster oft erst nach 15 bis 20 Jahren nach Abfüllung und nur vor Ablauf des Trinkfensters sind Wertsteigerungen erwartbar.
Der zweite wichtige Faktor ist das Expertentum, die Bedeutung von sehr prestigeträchtigen Publikationen und einzelnen Kritikern, deren Wort ein großes Gewicht bei der Voraussage eines guten Jahrgangs oder der Bewertung eines spezifischen Weins hat – und damit auch für das Weininvestment. Diese Bewertungen (und das Prestige einer Marke) können nämlich dazu führen, dass der Preis eines Weins schon vor dem ersten Verkauf in die Höhe schnellt.
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Über Wein als Geldanlage
Fine Wine gehört zu den sogenannten alternativen Investments. Dieser Begriff umfasst so diverse Investmentmöglichkeiten wie Waldgrundstücke oder Kunstgegenstände. Trotz seiner unbestrittenen Flüssigkeit kann man Wein zudem als eine besonders illiquide Anlageklasse ansehen. Folgende Punkte sind wichtige Zugangshürden:
- Zugänglichkeit. Hochqualitative Weine direkt zu erwerben kann für Einzelanleger schwierig sein – ganz im Gegenteil zu einem Investment in den Kapitalmarkt. Zusätzlich sind die Einstiegspreise bzw. Mindestanlagevolumen im Vergleich zu etwa Aktien relativ hoch. Auch der Verkauf des Weins am Ende des Anlagezeitraums ist schwierig und kann langwierig sein.
- Anlagedauer. Die mindestens notwendige Anlagedauer bei einer Geldanlage in feinen Wein ist recht hoch – Experten raten zu einem Mindestanlagezeitraum von zehn Jahren.
- Lagerung und Transport. Dieser Punkt ist sehr stark abhängig von der Art der Anlage in Wein, aber auch bei Fonds oder anderen Anteilen muss an irgendeinem Punkt der Kette der physische Wein tatsächlich fachgerecht gelagert und transportiert werden.
- Expertise. Dies ist eher eine “geistige” Zugangshürde. Den richtigen Wein zu finden, in den ein Investment sich lohnt, ist ungleich schwieriger als etwa ein passives Investment in ETFs und erfordert Vorarbeit und Expertenwissen.
- Kosten. All die oben genannten Punkte verursachen hohe Kosten für Anleger. Fraglich ist, ob sich die erhöhten Kosten auch in einer erhöhten Rendite niederschlage, wie also das Kosten-Risiko-Verhältnis ist.
Manche Anlageprodukte versuchen (etwa Weinfonds oder Weininvestment mit Blockchain, siehe weiter unten im Ratgeber) explizit, diese Zugangshürden abzubauen und Wein auch für Kleinanleger attraktiv zu machen. Allerdings muss dabei bedacht werden, dass sich ein solcher Abbau natürlich in erhöhten Kosten des Anlageprodukts (für Management und Verwaltung) niederschlägt.
Im Gegensatz zum typischen Kleinanleger haben sogenannte Family Offices (also die Vermögensverwaltungen sehr wohlhabender Familien oder High Net Worth Individuals) und andere Vermögensverwalter die Ressourcen, nicht nur in den frei verfügbaren Aktienmarkt zu investieren, sondern auch in Anlageklassen mit hohen Zugangshürden zu gehen – alles das, um die Diversifikation des investierten Vermögens der Kunden zu erhöhen. Deswegen ist es für solche Offices sehr typisch, nicht nur Venture Capital-Investitionen, sondern auch Sammlerstücke oder Wein (oder Weingüter) zu kaufen. Ein ganzer Apparat an Analysten kann hier die jeweiligen Investments durchleuchten und Experten hinzuziehen.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei der Betrachtung einer Fine Wine-Geldanlage ist das Risiko und sein Verhältnis zur erwarteten Rendite. Der Forscher Thomas Nahmer fasst 2018 in einer Studie zu Fine Wine als Beimischung zu einem diversifizierten Anlageportfolio ernüchternd zusammen: “Die Beimischung von Fine Wine führt auf Indexebene lediglich zu einer leichten Verbesserung der [...] Rendite aber gleichzeitig zu einer Erhöhung des Risikos.” Insbesondere weist er auf die hohen Kosten einer realen Geldanlage in Wein, die in vielen Studien zum Thema nicht berücksichtigt sind (weswegen diese oftmals Wein ein vorteilhaftes Rendite-Risiko-Profil attestieren). Außerdem macht er darauf aufmerksam, dass bis heute kein Fine Wine-Indexfonds besteht und existierende Fonds mit hohen Kosten und einem gewissen Maß an Intransparenz agieren.
Wege zum Wein
Mittlerweile gibt es eine recht breite Palette an Möglichkeiten, in Fine Wine zu investieren – auch wenn sie im Vergleich zu anderen Anlageklassen immer noch eher begrenzt ist.
Physischer Wein
Dies ist die Art, die einem vermutlich als erste in den Sinn kommt: Weinflaschen gelagert zuhause im Weinschrank oder -keller, ab und zu entstaubt und nach vielen Jahren weiterverkauft. Diese Art von Investment steht natürlich jedem Kleinanleger theoretisch offen, ist aber mit großen Kosten und Einstiegshürden verbunden (wie oben bereits beschrieben). Von der Weinauswahl bis zum Einkauf über die fachgerechte Lagerung und Lieferung bis zum Verkauf ist eine solche Art der Geldanlage in Wein teuer und schwierig und steht im Grunde nur Kennern der Materie offen, wenn die Weine tatsächlich dauerhaft in Wert steigen sollen. Der Einkauf wird für Kleinanleger meist über bekannte Weinauktionshäuser wie Winebid abgewickelt. Die Vorteile sind aber auch klar: Die Beschäftigung mit Wein bringt für viele einen Lustgewinn und die Anlageobjekte sind jederzeit physisch verfügbar. Und im Notfall lässt sich die erworbene Flasche Wein einfach entkorken und austrinken – einen solchen Rausch kann einem wohl kein ETF bieten.
Weinfonds
Investmentfonds, die in bestimmte Edelweine, Weingüter oder -sorten investieren, sind eine weitere Möglichkeit der Anlage in Wein. Ein Beispiel hierfür ist der seit 2011 existierende, geschlossene Wine Source Fund. Die meisten Fonds dieser Art sind geschlossene, aktiv verwaltete Investmentfonds, die eine bestimmte Summe von den Anlegern einsammeln, bevor sie anfangen zu investieren. Probleme dieser Fonds sind intransparente Anlagekriterien, hohe Kosten durch das aktive Management und hohe Zugangshürden (zum Beispiel durch hohe Mindestanlagesummen). Zu den Vorteilen kann man aber die gebotene Expertise und potentielle breite Streuung der Geldanlage zählen.
Aktien von Weinunternehmen
Der Erwerb von Aktien von Unternehmen, die in der Weinherstellung tätig sind, ist eine Möglichkeit, in Edelwein zu investieren. Auch gibt es einige Indizes, die in der Produktion von alkoholischen Getränken tätige Unternehmen abdecken. Allerdings sind beide Arten der Aktiengeldanlage sehr indirekt – sie sind nicht ganz das, was man mit einem Investment in Wein meint. Zudem geben viele weinproduzierende, kleinere Unternehmen überhaupt keine Aktien heraus und sind damit unzugänglich für einen solchen Ansatz.
Eine Alternative könnten theoretisch Zertifikate sein, die Körbe von Aktien von weinproduzierenden Unternehmen abdecken. Allerdings gibt es diese bisher nur vereinzelt (etwa von der Raiffeisen Centrobank, AT0000454202), im Gegensatz zu beispielsweise ETFs haben Zertifikate immer ein größeres Emittentenrisiko und die Informationen über die enthaltenen Wertpapiere sind noch dünner.
Genussscheine
Dem Vernehmen nach gewinnen Genussscheine zunehmend an Beliebtheit. Das Prinzip ist einfach: Investoren geben einem Weinunternehmen Geld, das Zinsen in Form von Wein ausbezahlt. Das Unternehmen kann dadurch laufend Kosten decken und Investitionen tätigen und die Genussscheinbesitzer erhalten regelmäßig Wein. Allerdings fällt dieses Modell nicht wirklich unter das Prinzip Geldanlage, weil keine tatsächliche Rendite ausgeschüttet wird. Bei einer Insolvenz des Genussschein ausgebenden Unternehmens ist für die Anleger ein Totalausfall zu erwarten. Viel eher sind Genussscheine eine schöne Art des Marketings und der Kundenbindung, von der sowohl die “Investoren” als auch die Unternehmen profitieren.
Fine Wine per Blockchain
Eine neue und innovative Art der Anlage in Fine Wine bietet die Blockchain, auf deren Prinzip Kryptowährungen wie Bitcoin aufbauen. Die dezentrale Technologie erlaubt es, Vermögenswerte ganz einfach in kleine Anteile aufzuteilen. Dieses Prinzip wurde bereits öfter auf Immobilien angewandt, weniger aber auf edle Weine oder andere Luxusgüter. Das Hamburger Startup Finexity will das ändern und bietet auf Blockchain-Technologie basierende Investments in edle Weine (und andere alternative Investments) ab einem vergleichbar niedrigen Einstiegsvolumen. Das Unternehmen berechnet keine direkten Gebühren, sondern die Kosten werden von der zu erwartenden Rendite abgezogen. Das macht die Kostenstruktur einer solchen Geldanlage recht intransparent. Zwar ist das Aufbrechen von Einstiegshürden begrüßenswert, aber dennoch ist fraglich, ob sich eine solche Geldanlage unter Berücksichtigung von realen Kosten und dem Risiko für Kleinanleger als Beimischung lohnt.
Soll ich in Wein anlegen?
Für Kleinanleger ohne spezielle Expertise ist eine Anlage in Wein nicht empfehlenswert. Selbst als Beimischung zu einem diversifizierten Aktienportfolio (ob als Kryptoinvestment oder per Weinfonds) sind die Kosten hoch und das Risiko kann die mögliche Zusatzrendite nicht unbedingt aufwiegen. Zudem könnte man eine Anlage in Wein als eine Art Nischen-Sektorwette verstehen, da etwa in einem global gestreuten ETF-Portfolio bereits Firmen vertreten sind, die im Weinmarkt partizipieren und von seiner Wertentwicklung profitieren. Vielleicht werden die kommenden Jahre die Einführung von Wein-ETFs bringen, was die Kosten massiv senken und wohl auch das Rendite-Risiko-Verhältnis beeinflussen würde.
Auch für Kleinanleger, die das nötige Fachwissen mitbringen, ist ein Wein-Investment eher eine (spekulative) Lifestyle-Entscheidung als die Grundlage für eine solide Anlagestrategie und sollte die letztere nicht dominieren. Gerade beim Einzelflaschenerwerb sollten zudem die Kosten für Lagerung und Transport unbedingt einkalkuliert werden. Aber natürlich ist bei einem solchen Investment möglich, bei einem guten Jahrgang und gut getimten Kaufzeitpunkt sehr hohe Renditen für diese Einzelflaschen zu erzielen – Renditen, die die durchschnittlichen des Kapitalmarkts bei weitem übertreffen.
Kommentare (1)
L
Lucas Marchal
sagt am 09. Januar 2022
Interessanter Artikel, vor allem der Wortwitz mit der Liquidität der Weine hat mir sehr gut gefallen.
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