Gratis in Berlin, vierstellig in Mülheim: Kita-Kosten in Deutschland
Deutschland mag auf der Landkarte eine einheitliche Fläche sein. Politisch dagegen gleicht die Republik einem Flickenteppich, in dem jedes Bundesland seine eigenen Regeln und Gesetze macht. So weit, so bekannt. In kaum einem Bereich aber ist dieser Teppich so unordentlich gewebt wie bei den Kita-Kosten. Wer wie viel bezahlen muss, entscheiden die einzelnen Länder, manchmal auch die Kommunen oder Städte und dann wieder die einzelnen Träger. Dabei legen die Verantwortlichen unterschiedliche Parameter fest, nach denen sich die Gebühren errechnen, und unterschiedliche Regelungen, für wen sie gelten und für wen nicht. Das Ergebnis sind extreme regionale Unterschiede. Während die Kita für Berliner gratis ist, müssen manche Eltern in Bergisch Gladbach einen vierstelligen Betrag hinblättern. Und während die Betreuung in Heilbronn ab drei Jahren nichts mehr kostet, ist in Fürth der August jeden Jahres gebührenfrei. Ein Überblick.
Rund 400.000 Kita-Plätze fehlen
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurden so viele Kleinkinder betreut wie aktuell. Waren es im Jahr 2007 lediglich 15,5% der unter Dreijährigen, die tagsüber eine Kita besuchten, lag die Quote 2023 schon bei mehr als 36%, wie eine Umfrage des Statistischen Bundesamts ergeben hat. Eine Entwicklung, für die es mehrere Erklärungen gibt, etwa: Ein Vollzeitgehalt reicht heutzutage seltener aus, um eine ganze Familie zu versorgen. Zugleich fehlt es in vielen Städten und Regionen an Kita-Plätzen. Einer Berechnung der Bertelsmann-Stiftung von 2023 zufolge bräuchte es im gesamten Land 400.000 zusätzliche Plätze. Damit ist die Lage immerhin halb so prekär wie am deutschen Mietmarkt, wo schätzungsweise 800.000 Wohnungen fehlen.
Doch der Mangel ist ungleich im Land verteilt, wie die Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung ebenfalls zeigt. Während auf der Ferieninsel Rügen 2022 beispielsweise nur knapp 3% der Unter-3-Jährigen keinen Kitaplatz bekamen und in der sächsischen Kreisstadt Meißen 1,8%, waren es im Ost-Allgäu fast 55% und in Duisburg beinahe 62%. In Berlin mussten sich 20,7% der Eltern in Geduld üben, in Frankfurt (Main) 12,7% und in der Region Hannover 26,2%.
Gratis-Kita in (bislang) zwei Bundesländern
Doch noch stärker driftet die Republik in puncto Gebühren auseinander. Während einige Eltern bis zu 1.200€ monatlich für die Kita berappen, zahlen andere gar nichts. Prinzipiell gilt: je wohlhabender die Eltern, je jünger das Kind und je länger die Betreuungszeit, desto höher die Gebühren. Doch von dieser Regel gibt es – man ahnt es schon – etliche Ausnahmen.
Schon seit 2018 muss in der Hauptstadt niemand mehr auch nur einen Cent für die Betreuung des Nachwuchses ausgeben. Lediglich eine Verpflegungspauschale von etwas mehr als 20€ stellt das Land Eltern in Rechnung. In Mecklenburg-Vorpommern sind Kitas und Krippen seit 2020 komplett kostenlos, und das Saarland will nachziehen: Bis 2027 sollen die Kita-Kosten stufenweise sinken und ab dann komplett vom Land getragen werden.
In anderen Bundesländern ist die Kita unter gewissen Bedingungen kostenlos. In Brandenburg etwa müssen Eltern von 3- bis 6-Jährigen ab diesem August keine Beiträge mehr zahlen, wenn ihre Kinder acht Stunden am Tag betreut werden. In Bremen und Niedersachsen gilt das bereits, und in Hessen für sechs Stunden Betreuung am Tag. In Rheinland-Pfalz ist die Kita ab dem zweiten Geburtstag gratis, während Hamburg eine kostenlose Grundbetreuung von fünf Stunden bietet. In NRW und Thüringen sind die letzten beiden Kita-Jahre vor Schuleintritt kostenlos und in Bayern gibt die Landesregierung für Kinder über drei Jahren 100€ dazu.
Wo die Kita (teilweise) kostenlos ist
Bundesland | Regelung |
Rheinland-Pfalz | Keine Gebühren ab 2. Geburtstag |
Hamburg | Gratis-Grundbetreuung von 5 Std. / Tag |
Bremen und Niedersachsen | Gratis 8-Stunden-Betreuung ab 3. Geburtstag |
NRW und Thüringen | Gratis-Betreuung in den letzten beiden Kita-Jahren vor Schulbeginn |
Sonderregelungen und Geschwisterrabatte
Einige Städte entwickelten im Laufe der Jahre ihren eigenen Weg in Sachen Kita-Gebühren. So schaffte die Stadt Heilbronn beispielsweise die Kitabeiträge für alle Kinder ab drei Jahren ab, in München gilt das für bestimmte geförderte Einrichtungen. In den bayerischen Städten Fürth, Regensburg und Ingolstadt wiederum müssen Eltern im Monat August keine Kita-Beiträge bezahlen.
Fast schon der Standard in vielen deutschen Städten sind Geschwisterrabatte: Besuchen mehrere Kinder gleichzeitig die Kita, entfällt in einigen Regionen der Beitrag komplett oder reduziert sich. Teilweise bemisst sich der Beitrag pro Kind an der Gesamtzahl an Kindern in einem Haushalt. In Hamburg beispielsweise sind die Elternbeiträge umso höher, je kleiner die Familie ist.
Wo ist es am teuersten? Das kommt darauf an
Manchmal genügt es schon, eine Straße weiter zu wohnen, damit sich die Kosten vervielfachen. Denn auf Kommunen-Ebene driften die Gebühren teilweise heftig auseinander. Entscheidend ist hier übrigens der Wohnort, das heißt: Den Nachwuchs einfach in der günstigen Nachbarkommune anzumelden, klappt leider nicht.
Wo es am teuersten ist und wo am billigsten, lässt sich ohnehin nicht pauschal beantworten, denn das kommt, wie gesagt, ganz darauf an, in welcher Lage man sich befindet: Wie hoch das Einkommen ist, wie lang das Kind betreut werden soll und wie alt es ist. Das wird deutlich, schaut man sich etwa die Regelungen in Rheinland-Pfalz an. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat für seine Studie die Städte Mainz, Koblenz, Ludwigshafen, Trier und Kaiserslautern verglichen. Basis war eine tägliche Betreuungszeit von sieben Stunden. Während der Höchstsatz in Kaiserslautern 345€ pro Monat beträgt und ab einem Nettoeinkommen von 58.000€ gilt (brutto ca. 100.000€), liegt der Höchstsatz in derselben Einkommensklasse in Mainz bei 670€.
4.000€ dürfen abgesetzt werden
Übrigens: Ein Teil der Kita-Gebühren ist steuerlich absetzbar. Momentan gilt: Zwei Drittel und maximal 4.000€ pro Jahr und pro Kind akzeptiert das Finanzamt als Sonderausgaben. Das gilt sowohl für Kitas als auch für die Betreuung durch eine Tagesmutter. Das höchste Sparpotential hätten demnach Eltern, die im Jahr 6.000€ an Gebühren bezahlen (500€ im Monat). Zwei Drittel davon sind besagte 4.000€. Auf diese müssen keine Steuern gezahlt werden, was sich umso mehr lohnt, je höher das Gehalt ist. Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 80.000€ beispielsweise beträgt die steuerliche Belastung durchschnittlich 29,5%. Von den Kita-Kosten ließen sich in dem Fall grob 1.180€ vom Finanzamt zurückerstatten (4.000 × 0,295).
1.110€ in Bergisch Gladbach, 150€ in Hamm
Deutschlandweit an der Spitze der höchstmöglichen Gebühren thront laut IW-Studie die Stadt Bergisch Gladbach in Nordrhein-Westfalen. Neun Stunden Betreuung kosten Eltern eines unter-2-jährigen Kindes unter Umständen 1.220€, bei acht Stunden sind es 1.110€. Das ist der Höchstsatz für Spitzenverdiener, zu denen laut Tabelle Elternpaare mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 100.000€ zählen. Wer weniger als 35.000€ brutto verdient, zahlt überhaupt nichts für die Betreuung, bei unter 50.000€ sind es lediglich 105€, bis zur Grenze von 75.000€ 215€ und bis 100.000€ 305€. Echte Schnäppchenpreise erwarten Eltern dagegen eine Autostunde entfernt in der Stadt Hamm. Selbst in der höchsten Einkommensklasse kostet die Acht-Stunden-Betreuung lediglich 150€ im Monat, in der niedrigsten Stufe sind es 19€. Knapp 100 Kilometer in Mülheim an der Ruhr zahlen Spitzenverdiener 1.009€ für die Kita von unter-2-Jährigen, 93€ sind es, liegt das Bruttoeinkommen unter 35.000€.
In Niedersachsen führt die Universitätsstadt Göttingen mit 624€ Höchstsatz pro Monat die Liste an, gefolgt von Oldenburg (512€) und Wolfsburg (496€). In Hessen rangiert Frankfurt (Main) mit 225€ pro Monat auf Platz Eins, ab dem zweiten Geburtstag fallen die Gebühren aber komplett weg.
Land, Kommune oder Träger: Wer setzt die Kosten fest?
Wer hat eigentlich die Oberhand über die Gebührenordnungen? Auch darauf gibt es nicht die eine Antwort für die gesamte Bundesrepublik, wie ein Blick auf die Kitas freier Träger zeigt, also auf jene Einrichtungen, die von Kirchen, Vereinen oder Elterninitiativen betrieben werden. In Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa haben die einzelnen Kommunen das Sagen. In Brandenburg und Thüringen dagegen schlagen die Träger selbst die Preise vor, welche im Anschluss von den Kommunen abgesegnet werden müssen. In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen wiederum haben die Träger die volle Macht über die Gebühren.
Bleibt die Frage, wie fair der deutsche Föderalismus in Sachen Kita-Gebühren ist. Wäre es nicht besser, in allen Bundesländern würden die gleichen Regeln und Sätze gelten? So sieht es das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW): „Im Sinne einer Chancengleichheit wäre der Besuch von Kitas idealerweise bundesweit einheitlich geregelt und für alle Kinder in den letzten Jahren vor der Einschulung kostenlos“, kommentiert Dr. Wido Geis-Thöne, Ökonom am IW, den Report. „Hohe Beiträge müssen vermieden werden, da sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren“, findet Geis-Thöne, räumt aber zugleich ein, dass dies „aufgrund der aktuellen Haushaltslage der Länder und Kommunen nicht überall umsetzbar“ sei.
Sind Gratis-Kitas gerechter? Nicht unbedingt.
Doch von der Finanzlage der Kommunen einmal abgesehen: Auf welchen Betrag sollte man sich einigen, der fortan für jede Region, Kommune oder Stadt in Deutschland gelten würde? Schließlich bestehen zwischen den Regionen auch Einkommensunterschiede, und was beispielsweise in der Münchener Isarvorstadt manch einer für ein Schnäppchen hält, könnte in der Jenaer Vorstadt fast schon an Wucher grenzen.
Apropos Einkommen: Sollte man die Gebühren nach dem Berliner Vorbild nicht lieber gleich für alle Eltern abschaffen, ganz egal, wie viel diese verdienen? Im Gegenteil finden einige, darunter Katharina Spieß, Bildungsexpertin des DIW. Eine Gratis-Betreuung für alle nannte Spieß 2018 in einem Interview mit dem Spiegel „sozial ungerecht“. Denn dadurch würden, so die Begründung, vor allem Besserverdienende entlastet. Geringverdiener hätten schließlich auch schon vorher verhältnismäßig wenig für die Kita gezahlt, teilweise auch gar nichts. Fraglich wäre zudem, aus welchen Mitteln die Gratis-Kita langfristig finanziert werden sollte. Je nach Gemeinde und Bedarf könnte ein solches Projekt leicht einen Berg an Steuermitteln verschlingen, die in der Konsequenz für andere Vorhaben fehlen würden – etwa, um die Zustände in den Kitas zu verbessern oder dem Personal mehr zu bezahlen. Zumal man bedenken sollte, dass von den Empfängern eben viele Sehr-gut-Verdiener in der Lage und durchaus gewillt wären, die Gebühren selbst zu bezahlen.
Kommentare (9)
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sagt am 01. Oktober 2024
Schaut man sich zudem den Länderfinanzausgleich, so scheint es, dass die Menschen in den Bundesländern mit hohen Gebühren zudem noch die Kosten der anderen Bundesländer mittragen.
B
Björn
sagt am 29. August 2024
Wir wohnen im Rhein-Main Gebiet (zwischen Frankfurt und Wiesbaden) und bei unserer Kita (kirchl. Träger) kostet ein U3 Platz gestaffelt je nach Dauer zwischen 368€ (bis 14 Uhr) und 538€ (bis 17 Uhr). Hinzu kommen Essensbeiträge von ca. 100€ / Monat (finde ich okay, dafür gibt es Frühstück, Mittag und Snack am Nachmittag, täglich im Haus frisch gekocht). Der U3-Preis ist unabhängig vom Gehalt. Ab Kindergarten (Ü3) ist der Preis dann von der Dauer und dem Gehalt abhängig und liegt zwischen 11,25 und 96,25 zzgl. Essen. ABER: erstmal muss man überhaupt einen Platz bekommen. Unsere Stadt hat knapp über 40.000 Einwohner und zum Stand 1.8.24 stehen auf der Warteliste ganze 513(!) Kinder für Kita und Kindergartenplätze.
K
Karl
sagt am 28. August 2024
Liebe Mona, habe ich das richtig verstanden? Bergisch Gladbach, 8h Betreuung eines Kindes unter 2 Jahre: - ab 35k € Einkommen 105€ Gebühr, - ab 50k € sind es 215 €, - ab 75k € dann 305 € und - ab 100k € Einkommen bezahlt man **1110 €**. Was ist das bitte für eine Staffelung? Bist du sicher, dass die Daten korrekt sind? 100k € brutto sind ca. 58k € netto, also gut 4800 € im Monat. Damit gingen mehr als 20% vom Monatsnetto für die Kita drauf, wenn man diese Einkommensschwelle gerade so überschreiten würde! Bitte verlinke einmal die Studie. Mir fehlen grad die Worte.
E
Edwin
sagt am 23. August 2024
Mülheim und NICHT MüHlheim a.d.R. bitte!
A
Adrian
sagt am 23. August 2024
Danke für diesen tollen Artikel! Sehr lesenswert und informativ. Eine Karte dazu wäre toll aber natürlich aufwändig. Gerne mehr davon 😊
A
Anonym
sagt am 23. August 2024
Privatisieren und dem Markt überlassen. Die ständigen Eingriffe des Staats führen nur ins Verderben.
B
BF81
sagt am 23. August 2024
Das das Kinderbetreuungssystem aber mit Milliarden subventioniert wird von der öffentlichen Hand und die Elternbeiträge nur einen kleinen Teil ausmachen ist ihnen aber schon bekannt. Bei einer Privatisierung werden diese Plätze unbezahlbar. Gerne vorher mal überlegen bevor man solche Aussagen tätigt, die fern jeder praktischen Umsetzung sind.
P
Patrick
sagt am 23. August 2024
Das ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar und traurig für ein Land wie Deutschland, dass wir hier keinen einheitlichen Standard hinbekommen. Angesichts von Fachkräftemangel sollte es höchste Priorität sein alle verfügbaren Arbeitnehmern möglichst schnell die Rückkehr zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Das setzt ein niederschwelliges Kinderbetreuungsprogramm voraus.
A
Anonym
sagt am 23. August 2024
Kostenlose und ausreichende Kitaplätze fördern die Berufstätigkeit besonders der gut ausgebildeten Mütter. Diese Fachfrauen fehlen unserer Wirtschaft.
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