Krieg der Lebensmittel-Giganten
In den Regalen von Rewe, Edeka und Co. klaffen derzeit Lücken: Die Supermärkte liegen sich nicht nur mit den eigenen Angestellten in den Haaren, sondern auch mit vielen Herstellern.
„Wir lieben Lebensmittel“, beteuert Edeka nach jeder Fernsehwerbung. Dabei sind so manche Produkte zuletzt beträchtlich in der Gunst des Händlers gesunken. Neben diversen Schokoriegeln warf der Konzern in den vergangenen Monaten auch Kaugummis, Cornflakes und Katzenfutter aus seinen Regalen. Mit romantischem Herzschmerz hat das aber nichts zu tun. Dahinter stecken knallharte wirtschaftliche Interessen: Im Supermarkt-Universum der Bundesrepublik tobt ein Preiskampf zwischen Herstellern und Händlern, der sich immer weiter zuspitzt. Zugleich liegen die Supermarkt-Konzerne mit ihren Angestellten im Clinch. Und keine dieser Auseinandersetzungen bleibt den Kunden verborgen – denn sie wirken sich unmittelbar auf den Einkauf aus. Doch, von vorn.
Streik in den Lagern
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Schiebt er seinen Einkaufswagen durch den Supermarkt, landen am Ende meist die immergleichen Produkte darin. Diese Loyalität ist ein Segen für Hersteller und Händler – doch wird sie momentan gewaltig auf die Probe gestellt. Immer öfter klaffen Lücken in den Warenregalen von Rewe, Edeka, Netto und Co, manche Produkte sind seit Monaten nicht mehr erhältlich.
Ein Grund dafür sind Streiks in den Zentrallagern der Hersteller. Hinter jedem Einzelhändler stecken ein paar Dutzend Logistikdrehkreuze, von denen aus wiederum ein paar Tausend Märkte beliefert werden. Jedenfalls normalerweise. Die Gewerkschaft Verdi rief in den vergangenen Monaten mehrmals Mitarbeiter in Zentral- und Großhandelslagern dazu auf, ihre Arbeit niederzulegen. Gesagt, getan. An etlichen Standorten wurde dieses Jahr stundenlang gestreikt, was vorwiegend kleineren Geschäften zu schaffen macht. Denn sie können nur begrenzt frische Ware zwischenlagern und sind auf die regelmäßigen Lieferungen der Zentrallager angewiesen. Mehrere Medien hatten zuletzt über Umsatzrückgänge der Betreiber berichtet.
Mehr Löhne für die Angestellten
Den Streikenden geht es ums Geld: Die Gewerkschaften wollen höhere Löhne für die Angestellten durchsetzen. Und anfangs bestand sogar noch Hoffnung auf schnelle Einigung, denn die Arbeitgeberverbände stellten sich zunächst nicht komplett quer. Sie machten Angebote – doch kamen die nicht besonders gut an. Die Gewerkschafter empfanden sie eher als Beleidigung denn als Entgegenkommen. Sie gingen „an der Lebensrealität und den Existenznöten der Beschäftigten völlig vorbei“, heißt es auf der Website von Verdi. Und reichten längst nicht, um die Verluste der Mitarbeiter wegen gestiegener Lebenshaltungskosten abzufangen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) hält selbstredend dagegen. Auf seiner Website betont der Verband die „schwierige wirtschaftliche Lage“, welche die Tarifrunde „herausfordernd“ mache. Inflation, Krise und zurückhaltende Kunden belasteten die Handelsunternehmen. Womöglich könnten sich die Engpässe sogar bis ins Weihnachtsgeschäft ziehen.
Zoff mit den Produzenten
Knausrigkeit wird den Händlern noch aus einem anderen Lager vorgeworfen. Denn parallel stehen einige Supermärkte und Discounter mit Produktherstellern auf Kriegsfuß. Hersteller wie Coca-Cola, Mondelez, Mars und Kellogg wollten ihre Produkte erneut verteuern, Begründung: Die Energie- und Rohstoffpreise stiegen schließlich weiter. Zogen die Supermärkte bislang mehr oder weniger mit und setzten die Forderungen der Hersteller um, riss ihnen vor einigen Monaten der Geduldsfaden. Die Preisforderungen seien überzogen, klagten mehrere Märkte gegenüber Medien und ließen die Argumente der Konzerne nicht gelten. Die Markenhersteller wollten lediglich „auf der Inflationswelle mitreiten“, hieß es mitunter. Hinter der Weigerung der Märkte steckt die Furcht, Kunden an die Konkurrenz zu verlieren. Vermutlich aber auch die Angst vor schrumpfenden Gewinnen. Denn verlangen Hersteller höhere Einkaufspreise von den Händlern, werden diese oft nicht unmittelbar an die Kunden weitergereicht. Was letztlich bedeutet, dass die Supermärkte weniger Marge machen.
Edeka verklagt Kellogg
Die Antwort der Hersteller fiel jedenfalls eindeutig aus: Man verhängte Lieferstopps, von denen einige bis heute anhalten. Allein aus den Edeka-Regalen sollen seit Frühjahr dieses Jahres mehrere Hundert Markenprodukte verschwunden sein. Ein Friedensschluss ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Seit Neuestem klagt Edeka gegen die amerikanische Kellogg Company und fordert Schadenersatz für die entgangenen Einnahmen der letzten Monate. Nach Schätzungen der Lebensmittel-Zeitung sollen sich die Forderungen schon jetzt auf rund 10 Mio. Euro summieren. „Die großen, internationalen Konzerne nutzen jedes noch so ferne Argument, um ihre Preise in die Höhe zu treiben“, sagte Edeka-Chef Markus Mosa in einer Titelgeschichte des Focus Magazin. Die Unternehmen seien „gieriger und marktmächtiger als je zuvor“.
Die Gewinner und Verlierer des Tauziehens zwischen Industrie und Handel scheinen schnell ausgemacht: Profitieren dürften jene, die sich aus den Streitigkeiten weitgehend heraushalten, also etwa Konkurrenten wie Lidl, Real oder Kaufland. Wer die Frühstücksflocken oder Schokoriegel noch im Sortiment führt, kann dafür nun schließlich einiges verlangen – jetzt, wo sie gewissermaßen Mangelware sind. Profitieren könnten auch Online-Lieferdienste, die den Supermarkt-Einkauf direkt vor die Haustür bringen. Und wer weiß, vielleicht werden letzten Endes auch die Supermarktketten einen Nutzen aus der aktuellen Preisschlacht ziehen. Immerhin gelang es ihnen in den vergangenen Wochen ziemlich gut, ins Kostüm der redlichen Preishüter zu schlüpfen, die lediglich das Wohl der Kunden im Sinn zu haben scheinen.
Verlierer der Rangeleien sind in erster Linie die Verbraucher, die sich durch den Preiskrieg mit einer beschränkten Auswahl begnügen müssen. Die gute Nachricht ist: Zoffereien zwischen Produzenten und Händlern sind nichts Neues. Und bislang wurden sie allesamt früher oder später beigelegt.
Danach sah es nicht immer aus: 2008 zogen scharenweise Milchbauern in die Städte und blockierten mit Kühen die Eingänge von Supermärkten, um gegen sinkende Milchpreise zu protestieren. Begleitet von Lieferboykotts und Traktorenkorsos. 2013 entflammte ein „Butterstreit“ zwischen der Rewe-Group und dem britischen Verbrauchsgüter-Hersteller Unilever. Der Hersteller wollte den Preis um einen zweistelligen Prozentsatz erhöhen, Rewe hielt das für überzogen – und Unilever stoppte die Lieferung. Ein Jahr später verweigerte der Spirituosenhersteller Pernod Ricard die Lieferung von Ramazzotti an Rewe. Anstelle von Kräuterlikör fanden die Kunden im Schnapsregal nur rechtfertigende Briefe.
Kommentare (5)
D
Dubby Hauser
sagt am 25. November 2023
Aus meiner 20 jährigen Berufserfahrung in der Lebensmittelindustrie kann ich Euch berichten, dass die Forderung der Hersteller absolut begründet sind. Das zeigt, dass Mittelständler seit vielen Jahren insolvent gehen oder deren Betriebe und Marken von großen internationalen Konzernen übernommen werden. Die Macht liegt beim Handel, der in jeder Phase und in jedem Jahr immer Geld mit den Herstellerprodukten verdient. Man darf nämlich in Deutschland nicht unter Einstand verkaufen wogegen Hersteller durchaus Verlustjahre überstehen müssen. Das ist auch alles OK. Mich widert bloß diese Scheinheilig der großen Handelsketten an, welche sich immer heroisch als Anwalt der Verbraucher präsentieren. Kaufland meldet wieder Gewinne ohne Ende aus einem Infaltionsjahr heraus! Da ist es auch kein Wunder, dass der mit Abstand reichste Deutsche Dieter Schwarz heißt. Seines Zeichens Inhaber von Lidl und Kaufmann. Die Albrecht Familien (ALDI) können auch nicht klagen.
M
Max Muster
sagt am 24. November 2023
Sollen sie sich doch streiten , sie verdienen sich doch dumm und dämlich, es ist einfach nur lächerlich, anstatt Verantwortung zu zeigen und uns gut zu versorgen streiten sie sich, das sagt doch schon alles. hoffe sie verlieren ein stück macht und im besten fall kehrt es wieder an den Landwirt zurück, aber dazu sollte die politk mitspielen, die sind wohl aber auch unfähig.....
A
Axel F
sagt am 24. November 2023
Immoment reiten viele Unternehmen die Inflationswelle. Ist nicht gut. Und wenn die großen aus den Regalen mal ne Zeit verschwinden hat die Stunde der kleinen geschlagen. Von daher gutso Edeka und Konsorten!
J
Jonas G.
sagt am 24. November 2023
Sehr guter Artikel. Nur eines verstehe ich nicht: Im Text heißt es "Ein Grund dafür sind Streiks in den Zentrallagern der Hersteller.", die Bilder sind aber von Streiks in den Zentrallagern der Händler, oder sehe ich das falsch?
A
Anonym
sagt am 28. Dezember 2023
Korrekt, mMn ein Fehler im Artikel. Scheinbar werden die Kommentare hier nicht aktiv gelesen...
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