Monday Blues – schlechte Stimmung an der Börse?
Was ist der Montagseffekt?
Das Wochenende ist vorbei, der Montag steht vor der Tür – und sorgt oft für keine große Begeisterung. Auch auf dem Börsenparkett scheint die Stimmung zum Wochenauftakt getrübt: Das legt zumindest der sogenannte Montagseffekt nahe, der auch als Wochenendeffekt bezeichnet wird und zu den Börsen-Anomalien zählt. Die Theorie vom Montagseffekt besagt, dass die Aktienkurse nach dem Wochenende tendenziell schlechter performen als an den übrigen Wochentagen. Diese vergleichsweise niedrigere oder unterdurchschnittliche Performance wird von zahlreichen Studien nahegelegt und kontrovers diskutiert.
Dabei sind mögliche Gründe für diese Anomalie schnell gefunden: Zum einen verkünden Unternehmen schlechte Nachrichten oft freitags, kurz vor dem Wochenende, wenn die Börsen schließen. Da am Wochenende kein regulärer Handel stattfindet, können die News erst montags eingepreist werden, was zu fallenden Kursen führt. Zum anderen könnte der Montagseffekt auch eine selbsterfüllende Prophezeiung sein: Bekanntlich werden an der Börse Erwartungen gehandelt. Wenn sich die Börsianer vor dem Montagseffekt fürchten und sinkende Kurse erwarten, verkaufen sie direkt zum Wochenauftakt ihre Anteile, um die Kursrückgänge zu vermeiden. Der Verkaufsdruck führt zu fallenden Kursen, et voilà – die Woche beginnt mit fallenden Kursen.
Widerspruch zur Hypothese vom effizienten Markt?
Doch unabhängig von der Begründung: Der Montagseffekt passt nicht zur Theorie der effizienten Märkte, wonach der aktuelle Preis einer Aktie bereits alle verfügbaren Informationen reflektiert. Dementsprechend lassen sich die zukünftigen Kursausschläge einer Aktie auch nicht vorhersagen, sei es mittels technischer oder fundamentaler Analyse vergangener Daten.
Vielmehr bewegen sich die Kurse zufällig und hängen vom Auftreten bewertungsrelevanter News ab, wie Konjunkturdaten, Arbeitsmarktzahlen, Zinsentscheidungen, Unternehmenszahlen, Kriegen und Pandemien, oder mitunter auch einfach Posts auf Social Media. Diese Ereignisse werden gemäß der Effizienzmarkthypothese direkt in den Kurs eingepreist. Die Nachrichten und Ereignisse sowie deren Auswirkungen auf die Aktien lassen sich nicht genau prognostizieren, sodass die Kurse einen „Random Walk“ an den Tag legen, vergleichbar mit einem Betrunkenen, der unvorhersagbar vor sich hin taumelt.
Demnach haben vergangene Kursdaten keine Auswirkung auf die zukünftige Entwicklung der Aktie. Eine Analyse der vergangenen Performance dürfte demnach keine Aussagekraft für die Zukunft haben. Allerdings ist die Effizienzmarkthypothese auch nur eine Theorie und bietet damit lediglich ein Modell zur Beschreibung der Realität, das nicht immer korrekt sein muss. Treten Trends auf, die sich nicht mit der Effizienzhypothese vereinbaren lassen, spricht man von Börsen-Anomalien – wie eben der Montagseffekt.
Gibt es den Montagseffekt wirklich?
Zahlreiche Studien legen die Existenz der Montagsanomalie nahe, andere Untersuchungen finden hingegen kein solches Muster in den Daten. Seit Langem grübeln Börsianer, ob der Montagseffekt tatsächlich existiert und welche Auswirkungen er auf ihre Handelsstrategien haben könnte. Dabei kommt entscheidend darauf an, welcher Index über welchen Zeitraum betrachtet wird.
DAX zeigt keinen Montagseffekt
Wieland Staud, Geschäftsführer der Staud Research GmbH, hat für die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Kursentwicklung des DAX je nach Wochentag zwischen 1987 und 2024 untersucht. Das Ergebnis: Der Montag war nicht der schlechteste Tag. So lief es beim deutschen Börsenbarometer zum Wochenauftakt sogar etwas besser als freitags. Die Unterschiede liegen allerdings im Promillebereich (montags +0,035%, freitags -0,015%) und stellen nur einen Durchschnitt mit teils großen Ausreißern dar. Die besten Tage sollen Stauds Analyse zufolge Dienstag und Mittwoch sein, aber auch hier werden die Durchschnittswerte von einer hohen Schwankungsbreite begleitet.
Montags-Investoren im S&P 500 sind fast pleite
Im Gegensatz zur vorherigen Untersuchung stellt der Analyst Sven Lehmann von HQ Trust in seiner Analyse von 2020 ernüchternd fest: „Der Montag ist mit großem Abstand der schlechteste Börsentag der Woche.“ Lehmanns Studie umfasst die Zeitspanne von 1927 bis 2020 und untersucht folgendes Szenario: Was wäre aus 100$ geworden, wenn man sie jeden Montag aufs Neue in den S&P 500 investiert hätte?
Dazu simulierte er die Performance, wenn ein Anleger den Index jeweils freitagabends zum Schlusskurs gekauft und montags zum Schlusskurs wieder verkauft hätte. Transaktionskosten blieben dabei unberücksichtigt. Aus den 100$ wären nach fast 100 Jahren kümmerliche 55 Cent geworden. Zum Vergleich: Mit derselben Methode wären dienstags 529$, mittwochs 2.684$, donnerstags 541$ und freitags 847$ zustande gekommen.
Montags lag der Mittelwert der Performance bei -0,116%, mittwochs bei +0,07%. Erneut nur Abweichungen im Promillebereich, aber durch den sehr langen Anlagezeitraum von fast 100 Jahren wirken sich auch solche marginalen Unterschiede exponentiell aus und führen zu großen Differenzen bei den Endbeträgen.
Aufgelöste Anomalie
Eine sehr viel umfangreichere Analyse von den Ökonomen Gaurav Kumar und Bhartendu Singh aus dem Jahr 2024 kommt zum Résumé: Der Montagseffekt wurde inzwischen vermutlich ausradiert. In ihrer Metastudie werten sie 29 Studien zu Wochentagseffekten aus, die zwischen 1973 und 2023 erschienen sind. Dabei wurden über verschiedene Zeiträume unterschiedliche Märkte betrachtet, wie die der S&P 500, der indische BSE und Nifty sowie breiter gestreute Indizes wie der MSCI ACWI und der MSCI Emerging Market Index.
Die früheren Studien zeigen eine klare Tendenz: Montags wurden tatsächlich niedrigere, teils negative Renditen dokumentiert als freitags. In jüngeren Studien lässt sich hingegen gar kein Effekt mehr erkennen – oder teils sogar ein gegenteiliger Effekt: Hier war plötzlich der Montag der Tag mit der besten Performance, sodass sich die Anomalie aufgelöst oder sogar umgekehrt hat.
🚀
Alles eine Frage der Statistik?
Die Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, denn sie untersuchen verschiedene Indizes und Zeiträume. Zudem zeigt sich ein weiteres Manko von Statistiken: Wenn man nur lange genug in Datenreihen sucht, findet sich immer ein Muster. Ob es sich dabei um eine zufällige Korrelation oder einen kausalen Zusammenhang handelt, lässt sich nicht immer so leicht beurteilen.
Die Aussagekraft der Analysen ist ohnehin gering, denn es handelt sich um Durchschnittswerte über lange Zeiträume hinweg. Die Schwankungsbreite in den Daten ist groß, so kann es auch zahlreiche Montage gegeben haben, die den Investoren Freude bereitet haben, während die restlichen Tage der Woche miserabel liefen. Außerdem handelt es sich um Daten aus der Vergangenheit; niemand vermag zu prognostizieren, ob sich die Muster zukünftig so fortsetzen.
Das Ergebnis der Metastudie ist besonders bemerkenswert, denn demzufolge hat sich der Montagseffekt verflüchtigt. Denn das ist das Problem mit solchen erwartbaren Effekten: Würden sie wirklich existieren, dann hätten sie sich längst selbst ausgelöscht. Geht das Gros der Anleger davon aus, dass die Kurse am Montag sinken, dann verkaufen sie schon Freitagnachmittag ihre Papiere, um sie montags günstiger zurückzukaufen und dienstags den Aufschwung mitzunehmen. Das würde aber bedeuten, dass montags die Kurse tendenziell höher liegen als an anderen Wochentagen. Daraus könnte man schlussfolgern: Der Montagseffekt existiert nicht (mehr), weil Anleger nach ihm gehandelt haben. Die Montagsanomalie könnte sich also selbst kannibalisiert haben.
Was bedeutet das alles für Privatanleger?
Unabhängig davon, ob der Montagseffekt nun existiert oder nicht: Privatanleger sollten ihre Anlagestrategie ohnehin nicht von statistischen Anomalien und daraus resultierenden altklugen Börsenweisheiten abhängig machen. Selbst wenn der Montagseffekt noch in gewissen Märkten sein Dasein fristen sollte, gestaltet es sich schwierig, als Privatinvestor aus dieser Anomalie Profit zu ziehen.
Denn zunächst müssen die Trading-Kosten berücksichtigt werden, da diese die Rendite erheblich beeinträchtigen können. Zwar gibt es auch kostenlose Broker mit niedrigen oder sogar ohne Ordergebühren, aber über den Spread zahlt man beim Handel doch immer etwas drauf. Außerdem muss man den Zeitaufwand für das Traden bedenken, den es benötigen würde, von solchen etwaigen Anomalien zu profitieren.
Und dann müsste man das Ganze auch noch über einen sehr langen Zeitraum konsequent umsetzen, da sich der Effekt – wenn überhaupt – nur im Durchschnitt über einen langen Zeitraum zeigt. Denn die Montagsanomalie bedeutet nicht, dass die Kurse garantiert jeden Montag fallen. Aus Tausenden Datenpunkten wurde lediglich ein Durchschnitt gebildet, der eben je nach Index und Zeitraum montags eine unterdurchschnittliche Performance aufweist. Es kann aber dennoch einzelne Montage geben, die gut laufen – oder noch schlechter.
Es nutzt ohnehin nicht viel, sich Gedanken über den richtigen Kaufzeitpunkt beim Investieren zu machen. Wann der „perfekte“ Einstieg ist, lässt sich immer nur in der Rückschau feststellen. Deshalb lautet die Devise grundsätzlich: Time in the market beats timing the market. Wer einfach regelmäßig und automatisch per Sparplan investiert, muss sich ohnehin keine Sorgen über die Wahl des richtigen Einstiegszeitpunkts machen.
Kommentare (2)
A
Anonym
sagt am 17. Januar 2025
Hallo zusammen! Mich würde tatsächlich interessieren, ob es irgendwelche Studien dazu gibt, welche Unterschiede es in der Performance über die letzten 50+ Jahre gibt, wenn man montags, dienstags oder an irgendeinem anderen Wochentag einen Sparplan eingerichtet hätte. Kristallisiert sich da der "Beste" Wochentag zum sparen heraus? Habt jemand da Informationen zu? Dasselbe (natürlich auf viel kurzfristigere Sicht) wäre für Bitcoin bzw. Kryptowährungen interessant, da diese ja auch am Wochenende gehandelt werden können.
A
Anonym
sagt am 17. Januar 2025
Hallo Team von Finanzfluss. Ich danke euch für den interessanten Artikel zum Montagseffekt. Von mir aus gerne mehr Beiträge zu Börsenweisheiten, denn mal ehrlich, wer nur gelegentlich große Beträge investiert, berücksichtigt alle Weisheiten, die man kennt.🤭
Kommentar schreiben