NFTs: Doch mehr als eine Blase?
Etwa neun Monate ist es her, dass das Londoner Auktionshaus Christie's wegen einer bis dato einzigartigen Versteigerung in die Medien geriet. Das Londoner Traditionshaus hatte für sage und schreibe 69 Mio. USD eine digitale Collage versteigert. Genauer: ein Non-Fungible Token, kurz “NFT”, das dem Besitzer fälschungssicher die Echtheit bescheinigt. Für Christie’s waren es die ersten Gehversuche am NFT-Markt, auf dem schon im Frühjahr 2021 enorme Summen hin- und hergeschoben wurden. Optimistische Beobachter sprachen von einer “Revolution” am Kunstmarkt und einer Wende für die digitale Szene. Skeptiker taten das Ganze als kurzlebigen Trend ab.
Und heute? Kooperiert Christie’s mit der größten NFT-Plattform Open Sea und hat insgesamt mehr als 150 Millionen Dollar mit der Krypto-Kunst umgesetzt. Derweil der Sportartikelhersteller Adidas seine eigene NFT-Fashion-Kollektion gelauncht und für knapp 20 Mio. Dollar versteigert hat, während Konkurrent Nike virtuelle Turnschuhe für Avatare entwickelt. Ganz frisch ist in einem Pariser Auktionshaus der digitale Code der allerersten SMS der Welt für mehr als 100.000 USD unter den Hammer gekommen. Versteigert wurde das NFT von Vodafone, die Erlöse sollen an ein Flüchtlingshilfswerk gehen. Nicht nur die Geldmengen in dem Markt sind gestiegen, die digitale Kunst hat sich auch als solche weiterentwickelt. Sie ist komplexer und professionellerer geworden, zunehmend verknüpft sie sich mit der realen Welt. Ein Ausflug in den NFT-Markt von heute.
💡
Der Markt erfindet sich neu
Virtuelle Burger, Fußball-Sammelkarten und Trainingsanzüge
Knapp 26,9 Milliarden USD wurden 2021 nach Angaben des Blockchain-Unternehmens Chainalysis zwischen NFT-Tradern hin und hergeschoben. Solche Summen dürften in erster Linie dafür verantwortlich sein, warum inzwischen auch Großkonzerne in das Geschäft mit den virtuellen Vermögenswerten eingestiegen sind. Coca Cola hat in diesem Sommer eine virtuelle Jacke versteigert, der Vfl Wolfsburg virtuelle Sammelkarten und die Fastfood-Kette McDonalds einen digitalen McRib. Und der Filmregisseur Quentin Tarantino streitet sich aktuell mit einer Produktionsfirma, ob er unveröffentlichte Szenen aus seinem 1990er-Jahre Erfolg “Pulp-Fiction” nicht als NFT versteigern darf. Für Aufsehen sorgten aber vor allem die NFT-Kampagnen von Nike und Adidas, deren digitale Trainingsanzüge und Sneaker mitunter für den Einsatz in einer Art virtueller Parallelwelt gedacht sind: der sogenannten Metaverse.
NFTs für ein Leben in der Metaverse
Einige der in diesem Jahr entwickelten NFTs lassen sich in der sogenannten Metaverse verwenden. Das ist der Oberbegriff für digitale 3D-Räume, in denen Nutzer in Gestalt von Avataren per Virtual Reality aufeinandertreffen und interagieren können. Schon vor Jahrzehnten haben Sci-Fi-Autoren eine solche alternative Welt erschaffen - beispielsweise Neal Stephenson mit seinem Roman “Snow Crash”, der 1991 erschienen ist. Die Idee ist also nicht neu, soll jetzt aber Wirklichkeit werden: Vor allem Silicon Valley-Größen wie Mark Zuckerberg und Epic Games-CEO Tom Sweeney glauben an das Zukunftsprojekt (Facebook heißt jetzt Meta). Noch steckt die Metaverse in der Entwicklungsphase und mehrere IT-Unternehmen versuchen sich an einer Version der virtuellen Welt. Was wiederum digital affine Menschen motiviert, in NFTs zu investieren, die dadurch einen konkreten Anwendungsbereich erhalten. Bestücken lässt sich so eine Metaverse übrigens mit unzähligen Dingen: Neben Avataren und Kleidung für die Avatare zum Beispiel mit Grundstücken oder Häusern. Eine digitale Yacht, bestehend aus nichts als kryptografischen Zeichen, ist kürzlich für schlappe 650.000 USD versteigert worden.
Physische NFTs
Zusätzlich sieht es so aus, als würden die virtuelle und reale Welt allmählich miteinander verschmelzen. Einige NFTs werden inzwischen etwa als Begleitung zu realen Produkten entwickelt. Dieses Feld der sogenannten “physischen NFTs” möchte unter anderem der Sportartikelhersteller Nike beackern. Mitte Dezember gab der Konzern bekannt, das 2020 gegründete Unternehmen Artefakt (RTFKT) übernommen zu haben. Der Kaufpreis blieb geheim, vor dem Kauf war das Unternehmen Medienberichten zufolge allerdings 33 Mio. USD wert. Artefakt ist ein Kreativstudio, das sich auf die Entwicklung virtueller Fashion-Sammlerstücke fokussiert hat, darunter beispielsweise Sneaker, die sich dann als NFT erwerben lassen. Auf der Plattform OpenSea bietet das Designunternehmen bereits mehrere virtuelle Sneaker zum Kauf an, darunter ein Turnschuh für stolze 2 Mio. USD (das entspricht etwa 500 Ether). Schon 2020 hat sich Nike seine “Tokenisierung” von Turnschuhen patentieren lassen und plant nun, zu jedem realen Paar Schuhe ein paar virtuelle Nikes dazu zu geben, die dann in der Metaverse getragen werden können. Werden die echten Schuhe wieder verkauft, wechselt auch das NFT seinen Besitzer.
NFTs werden dynamisch
Anders als noch vor einem Jahr, existieren inzwischen nicht mehr nur starre JPEG-Bilder, GIFs und Sammelkarten oder Videoclips, die stets ein und dieselbe Szene zeigen. Viele der neuen NFTs sind dynamisch, können sich also weiterentwickeln und optisch verändern - und durch Entwicklungen in der “realen Welt” in ihrem Wert steigen oder fallen. Grob gesagt funktioniert das, indem die Smart Contracts, auf denen die NFTs basieren, mit externen Echtzeitdaten angereichert werden. Ein Sammelbild-NFT könnte beispielsweise von der Performance eines Profi-Fußballers abhängen. Gelingt dem Spieler eine bestimmte Leistung in der “echten” Welt, könnte das in dem Smart Contract einen Befehl auslösen, der die Auflage an NFTs für ebendiesen Spieler verknappt. Das NFT gewinnt dadurch an Wert. Für den NBA-Basketballer LaMelo LaFrance Ball existiert beispielsweise bereits ein solches dynamisches NFT.
Neue Plattformen erobern den Markt
Nach anfänglicher Skepsis sind nun auch mehrere Krypto-Handelsplätze auf den Geschmack der NFTs gekommen. Noch im Sommer 2021 verglich Coinbase-Mitgründer Fred Ehrsam den NFT-Hype mit der Dotcom-Blase der 1990er Jahre. Ende Oktober nun ließ sein Unternehmen verlauten, Wallet-Besitzern den Handel mit NFTs erleichtern zu wollen. Realisiert werden soll das unter anderem über einen eigenen Marktplatz, den Coinbase NFT, den die Krypto-Plattform schon bald an den Start bringen möchte. Nutzer sollen dort einfacher NFTs entdecken, kaufen und prägen (minting) können, heißt es dazu auf dem Coinbase Blog. Der Anbieter Binance hat einen solchen Marktplatz bereits geschaffen, auf dem Nutzer entweder mit der Kryptowährung Ether oder mit Binance Coin (BNB) und Binance USD (BUSD) bezahlen können. Die Wallet wird dafür mit dem Binance Marktplatz verknüpft, und schon können Nutzer Gebote für NFTs abgeben oder sie zum Festpreis kaufen.
Zwischen Kategorien wie “Kunstdrucke”, “Malerei” und “Textilkunst” findet sich inzwischen selbst bei dem eher konservativ anmutenden Ebay das Segment “NFT-Kunst”. Die digitalen Kunstwerke können dort zum Beispiel in Euro gekauft werden, müssen anschließend aber auf einer Wallet deponiert werden.
Warum Befürworter in NFTs mehr sehen als einen temporären Hype
Die Welt der NFTs hat sich professionalisiert, sie ist komplexer geworden - und das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass der einst als kurzlebig abgestempelte Trend sich nun doch als ziemlich robust erweist. Die Art der Wertschöpfung hat sich verändert, aus statischen, verpixelten JPEGs sind bewegliche 3D-NFTs geworden, deren Wert sich teilweise durch reale Entwicklungen verändert. Auf ein neues Level wird der Markt auch durch die Entwicklung von Metaverse-Welten gehoben, wodurch NFTs einen konkreten Nutzen erhalten. Manch einer zieht sogar schon den Vergleich mit einer realen Volkswirtschaft: Was dort die Waren und Dienstleistungen sind, stellten in der Metaverse die NFTs dar. Es sind also längst nicht mehr nur die Einzigartigkeit und Fälschungssicherheit der NFTs, die die digitalen Produkte von herkömmlichen Sammelobjekten unterscheiden und in den Fokus von Investoren rücken lassen.
NFTs: Die nächste große Blase oder eine gute Geldanlage?
Diese Frage drängt sich beinah auf, wenn man durch NFT-Plattformen wie Open Sea stöbert und die Summen bestaunt, zu denen die digitalen Bildchen teilweise über den virtuellen Tresen gehen. Was dabei gern vergessen wird: Während einige NFT-Trader den großen Reibach gemacht haben oder machen, verlieren im selben Moment unzählige Anlegerinnen und Anleger Geld, weil sie keine Abnehmer mehr für ihre virtuellen Waren finden.
Das Risiko, dass ein NFT an Wert verliert und der Besitzer immense Summen in den Sand gesetzt hat, besteht immer. Ebenso kann es passieren, dass der gesamte Markt von einem auf den anderen Tag in sich zusammenfällt. Denn die Basis bildet allein das Spiel aus Angebot und Nachfrage. NFTs bergen hohe Gewinnchancen, aber eben auch immense Verlustrisiken. Und damit sollten sie dir als Anleger allenfalls dazu dienen, mit übrig gebliebenem Spielgeld die eigenen Adrenalinwerte zu steigern - nicht aber, und das kannst du dir vermutlich schon denken - als Altersvorsorge.
Kommentare (9)
A
Alex
sagt am 11. Februar 2022
Ich bin mir auch sicher, dass NFT das nächste große Ding sein wird. Hier können erstmals alle denkbaren Vermögenswerte (Kunstgegenstände, Immobilien, Musik, Unternehmensanteile, Spiele, Musik, etc.) fälschungssicher "tokenisiert" bzw. digitalisiert werden und jeder hat die Möglichkeit auf einfache Art und Weise sich Anteile daran zu sicher. Allein das Feld Play-To-Earn ist seit November 2021 dermaßen gewachsen, dass man hier noch nicht mal von der Spitze des Eisberges sprechen kann, da hier gerade ein völlig neuer Eisberg entsteht! Wer jetzt NFT als als Hype belächelt (genauso wie Bitcoins zu seiner Zeit), der wird die nächste große Chance verpassen, da bin ich mir zu 1000% sicher!
L
Leon
sagt am 31. Januar 2022
Sehr cooles Video, sehr guter Artikel. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber darauf hinweisen, das weit mehr Blockchains mit NFTs gibt, Ethereum ist nur eine davon. Eine die sich in letzter Zeit als DIE Blockchain für sogenannte "Smart NFTs" herausgebildet hat ist Phantasma Chain mit der Coin SOUL. Smart NFTs zu herkömmlichen NFTs kann man in etwa wie ein Smartphone mit einem alten Nokia Handy vergleichen. Das Team hat innerhalb von drei Jahren eine komplett neue Blockchain vom Grund auf erschaffen mit klaren Focus auf NFT und Gaming. Ich lass euch hier den Link zur Webeite da https://phantasma.io/
T
TObi
sagt am 31. Dezember 2021
Liebes Finanzfluss-Team, vielen Dank für den Artikel durch den ich das Thema zum ersten Mal ein bisschen besser verstanden habe :) Privatpersonen die in (Kunst) NFTs investieren hoffen also darauf, dass der NFT nach einer gewissen Haltedauer an Wert zunimmt? Oder geht es ums "flexen" im Metaverse á la ich hab den angesagtesten NFT, nach dem TESLA nun das neue Statussymbol für "Visionäre" sozusagen? Oder ist es nach Amazon FBA der nächste "Get Rich Quick" Scam, bei dem mit der Hoffnung der Leute auf schnellen Reichtum viel Geld verdient wird? Ich begreife irgendwie noch nicht, welche Motive es für eine Investition in einen NFT geben kann...
P
Patrick
sagt am 02. Januar 2022
Gebe dir recht Lukas. Für mich ist NFT auch nur eine Spielerei der reicheren Gesellschaft. Der Zins ist immer noch am Boden und wenn die Altienmärkte mal schwanken muss etwas geschaffen werden worin man investieren kann um schneller reich zu werden. Es steckt absolut kein Mehrwert dahinter, wenn man sich anschaut wer da alles so investiert und handelt. Mit dem Geld könnte man soviel tolles Anrichten auf der Welt. Stattdessen wird ein „Schwachsinn“ nach dem anderen erfunden, aus dem die „normalen“ Bürger*innen weiterhin ausgeschlossen bleiben. Es gibt soviel tolle Use Cases für die Blockchain: dezentrale Stromversorgung, Gesundheitsdaten sicher speichern, Artneimittelfälschungen verhindern etc. Währenddessen einige Milliardäre sich ins All schießen, bauen andere ihre Traumwelt auf der Erde mit dem Sinn noch mehr Daten zu sammeln und noch mehr Kapital anzuhäufen. Das ist der einzige Kick daran 😉
K
Kyu
sagt am 23. Dezember 2021
NFTs nur auf den Kunstmarkt zu beschränken, halte ich für eine Untertreibung der Möglichkeiten. Denn sie eröffnen die Möglichkeit, verschiedene Güter für die Masse in einer digitalen Welt verfügbar zu machen. Folgende Beispiele: - Digital erworbene Videospiele z.B. über Steam versauern ungespielt in der Bibliothek. Durch NFTs wären diese „gebrauchten“ Games wieder verkäuflich. - Dieser Marktplatz lässt sich beliebig erweitern, z.B. mit digitalen Zusatzinhalten der Spiele, die handelbar sind - Der spannendste Gedanke wäre aber NFTs auf handelbare Aktien. Man könnte direkter Eigentümer seiner Anteile sind, ohne einem Broker als Zwischenhändler, der Schindluder betreiben könnte. Unternehmen könnten sogar NFTs als Dividenden ausschütten und Aktionäre bei der Stange halten. Ich glaube, dass die Möglichkeiten noch lange nicht ausgedacht sind und wir noch einige Neuigkeiten hören werden.
L
Lukas Maier
sagt am 23. Dezember 2021
Ich bin noch etwas zurückhaltend bei dem Thema und beobachte den Markt die nächste Zeit. Ist hier nicht auch die Gefahr gegeben, dass eine Menge Schwarzgeld mit NFTs noch einfacher gewaschen werden kann? Persönlich hoffe ich trotzdem durch mein ETH Investment indirekt durch das Smart Contracting zu profitieren.
Mona Linke
Autorin
sagt am 23. Dezember 2021
Hi Lukas, ja, einige Skeptiker haben in Sachen Geldwäsche Bedenken geäußert. Klarheit wird vermutlich erst dann geschaffen sein, wenn tatsächlich jede Plattform, auf der NFTs gehandelt werden, strikt gegen Geldwäsche vorgeht und entsprechende Maßnahmen umsetzt, um solche Geschäfte von vornherein zu vermeiden.
F
Ferhat Badur
sagt am 23. Dezember 2021
NFTs sind keine Revolution in der Kunst-Szene, wenn man sich die Reaktionen von echten Künstlern zu dem Thema anguckt. Es werden sogar Bilder von Künstlern geklaut, um sie als NFT zu verkaufen. Also, als mehr als eine riskante Geldanlage sehe ich NFTs nicht.
Mona Linke
Autorin
sagt am 23. Dezember 2021
Danke für deinen Kommentar! Ja, es ist tatsächlich umstritten, wie viel der Kunstszene damit geholfen ist.
Kommentar schreiben