Scalable Capital schafft Gebühren für alle ETF-Sparpläne ab
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Im Zeitalter der freien Marktwirtschaft ist das für gewöhnlich der Kunde: Bricht zwischen einzelnen Firmen einer Branche der Konkurrenzkampf aus, fallen in aller Regel die Preise. Dann werden die Handytarife günstiger oder Modefirmen hangeln sich von einer Sonderaktion zur nächsten. In der Luftfahrtbranche hat der Preiskampf längst ruinöse Ausmaße angenommen, gibt es doch den Sitzplatz in der Economy-Class mittlerweile ab 5€.
Von so einer Preisschlacht konnten Anlegerinnen und Anleger lange Zeit nur träumen. Das hat sich inzwischen geändert. Mit der Handelsplattform Robinhood in den USA hat 2013 alles begonnen. Mittlerweile mischen auch in Deutschland einige Fintechs den Markt auf - und setzen klassische Depotanbieter zunehmend unter Druck. Eines dieser Fintechs ist das Münchner Unternehmen Scalable Capital, das diese Woche mit einer Kampfansage an die Konkurrenz beendet:
ETF- und Aktiensparer müssen künftig überhaupt keine Gebühren mehr bezahlen und bekommen so viel Flexibilität wie nie zuvor. Die Neuerungen im Überblick:
Fast 2.000 ETFs gratis besparbar
“Alle Hürden sind gefallen”, sagt Erik Podzuweit, Geschäftsführer von Scalable Capital. Und tatsächlich geht es für ETF- und Aktiensparer nicht günstiger: Alle 1.902 ETFs, die Scalable Capital im Angebot hat, sind im Sparplan-Modell ab sofort gebührenfrei - ebenso die Sparpläne auf alle verfügbaren Aktien. Kostenlose ETF-Sparpläne gab es auch vorher schon bei Scalable, der Broker beschränkte sich dabei allerdings auf Produkte von ausgewählten Anbietern.
Weniger als die Hälfte aller von Deutschland aus handelbaren ETFs (bis vor Kurzem waren es noch 1.500) waren über das Modell “Free Broker” vorher gebührenfrei, für alle anderen fielen pro Sparrate 99 Cent Kosten an. Für jeden weiteren Trade, der über den Sparplan hinaus getätigt wird, zum Beispiel wenn man die besparten Anteile wieder verkauft, fallen die 99 Cent Ordergebühr auch weiterhin an - egal, ob es sich dabei um einen ETF oder eine Einzelaktie handelt.
Für Anleger wird es günstiger und flexibler
25€ mussten Anleger mindestens pro Monat in einen ETF- oder Aktiensparplan investieren. Diese ohnehin schon sehr niedrige Einstiegshürde ist jetzt noch tiefer gesunken: Fortan lässt sich bereits mit einer Mindestsparrate von 1€ per Sparplan anlegen.
Konnten Indexfonds bei Scalable bislang nur zu jedem Monatsanfang bespart werden, können Anlegerinnen und Anleger den Turnus nun relativ flexibel anpassen und beispielsweise auch nur jeden zweiten oder dritten Monat ihren Sparplan ausführen lassen. Außerdem können sie zwischen vier unterschiedlichen Ausführungszeitpunkten wählen, an denen die Sparrate investiert wird (2., 9., 16., 23.). Das schafft mehr Freiheiten, denn der Sparplan kann so zum Beispiel an die Gehaltszahlung angepasst werden.
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Wer möchte, kann die Sparrate auch dynamisieren, also mit der Zeit automatisch ansteigen lassen, beispielsweise um 2%, 3% oder auch 10% pro Jahr - je nachdem, welche Beweggründe dahinterstecken: Manch ein Anleger möchte die monatliche Sparrate an die eigenen Lohnsteigerungen anpassen. Erwartet er, dass sein Gehalt im Jahr um etwa 5% steigen wird, könnte er seine Sparrate ebenfalls jährlich um 5% ansteigen lassen. So eine Dynamisierung kann auch ganz einfach genutzt werden, um den Vermögensaufbau langsam zu beschleunigen und die Sparquote zu erhöhen - oder um ihn an die jährliche Inflationsrate anzupassen.
Die Ankunft der Neobroker
Es ist es nicht allzu lange her, dass Scalable Capital überhaupt in den Markt der “Low Cost-Broker” eingestiegen ist. Erst im Juni 2020 hat das vor sieben Jahren als Robo-Advisor gestartete Unternehmen seinen eigenen Neobroker an den Start gebracht. Ein Jahr, nachdem die Umwälzung am deutschen Brokermarkt so richtig begonnen hatte. Denn bis sich 2019 auch hierzulande die ersten Neobroker etablierten, wurde der Markt allein von Filialbanken und Direktbanken regiert, die ihre eigenen (Online-)Broker betrieben. Zu investieren, ohne Ordergebühren zu zahlen, war die absolute Seltenheit und häufig allein auf kurze Marketingaktionen begrenzt. Zwar stießen schon damals vereinzelt agilere “Discount-Broker” in den Markt. Einer der ersten Online-Depot-Anbieter war das Frankfurter Unternehmen Flatex, das im Vergleich zur Konkurrenz spottbillig war: 5€ kostete es für Anleger, eine fünfstellige Summe in einen Fonds zu investieren, während die Konkurrenz mitunter das 20-fache verlangte. Die heutigen Neobroker, die sich deutschlandweit an einer Hand abzählen lassen, stellen nun selbst die einst so modernen Online-Broker vor eine Herausforderung.
Deswegen sind Neobroker so günstig
Anders als klassische Online-Broker, wie es sie schon um die Jahrtausendwende gab, sind Neobroker sehr viel schlanker aufgebaut: Es müssen keine teuren Filialen unterhalten werden, wie sie große Geschäftsbanken betreiben, beim Servicepersonal können Neobroker ebenfalls sparen. Das ist ein Grund, warum Neobroker ihre Preise immer weiter herunterschrauben können und mitunter Welten zwischen den Preisen der Neobroker und denen der klassischen Broker liegen. Auch erhalten Neobroker sogenannte Kickback-Provisionen von dem jeweiligen Börsenplatz, den diese anbieten. Dazu später mehr.
Neobroker besitzen in der Regel keine eigene Banklizenz, sondern schließen Verträge mit Partnerbanken, die für ihre Kundinnen und Kunden die Wertpapiere verwahren. Scalable Capital beispielsweise arbeitet mit der Baader Bank zusammen, das Startup Trade Republic mit der Berliner SolarisBank.
Als einziger klassischer Depotanbieter unter dem Dach einer Bank bietet die größte Direktbank Deutschlands, die ING, inzwischen alle ihre ETF-Sparpläne kostenlos an. Bei der DKB muss pro Ausführung jeweils eine Gebühr von 1,50€ auf die investierte Summe gezahlt werden, bei dem S-Broker der Sparkasse sind es 2,50% - sofern mehr als 25€ investiert werden. Bei einem monatlichen Sparplan über 500€ sind das immerhin 150€ Gebühren im Jahr. Nach 20 Jahren Anlagedauer ganze 3.000€
Anlegerinnen zahlen an anderer Stelle drauf
Für jeden Auftrag, den ein Neobroker weiterleitet, erhält dieser von der Börse beziehungsweise dem Handelsplatz eine sogenannte Rückvergütung, die sogenannte Kickback-Provision. Das ist die Haupteinnahmequelle der Neobroker. Die neue Generation der Broker steht für ihr Geschäftsmodell deswegen auch immer wieder in der Kritik: Die Kickback-Provision erhalten die Broker im Gegenzug dafür, dass diese den jeweiligen Handelsplatz exklusiv anbieten. Anleger können bei den Neobrokern nicht großartig wählen, über welche Börse sie ihre Wertpapiere handeln möchten und sich somit auch nicht die Börse mit den für sie besten Konditionen aussuchen. Über Neobroker wie Scalable Capital und Konkurrent Trade Republic können Anleger darüber hinaus auch handeln, wenn andere Handelsplätze, wie zum Beispiel XETRA schon geschlossen haben. Den Brokern kommt das entgegen, denn außerhalb der Öffnungszeiten fällt der sogenannte Spread - also die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis eines Wertpapiers (Geld-/Briefkurs) häufig sehr viel höher aus. Anleger dagegen laufen Gefahr, ihre Aktien oder Fonds zu schlechteren Kursen einzukaufen, also mehr Geld zu zahlen, als eigentlich notwendig wäre.
Investieren ist so günstig wie nie
Die Gründer aus München sind nicht die einzigen auf dem Markt der Neobroker, die gerne zur führenden digitalen Investmentplattform Deutschlands werden würden.
Andere Broker wie Flatex und das Berliner Fintech Trade Republic haben ebenfalls bereits mehr als 1.000 kostenlos besparbare ETFs im Angebot - Tendenz steigend. Depotführungsgebühren erhebt heutzutage kaum noch ein Depotanbieter, selbst die meisten Direkt- und Filialbanken verzichten inzwischen darauf.
Das Tor zur Börsenwelt öffnet sich für Privatanleger also schon seit einiger Zeit immer weiter.
Mehr und mehr Fragen erübrigen sich durch das neue Angebot - zum Beispiel, ob ein bestimmter ETF nun kostenlos besparbar ist oder bei welchem Broker es ihn am günstigsten gibt. Wenn die Online-Broker von Filial- und Direktbanken früher Sparpläne umsonst angeboten haben, dann häufig nur für ein paar Monate als Belohnung für Neukunden - die anschließend das Depot wechseln oder künftig Gebühren bezahlen mussten.
Mehrere Million Deutsche vertrauen inzwischen Neobrokern. Die Konditionen sind so attraktiv wie nie. Was soll also noch kommen? Tatsächlich besteht an mancher Stelle noch Nachholbedarf. Neobroker bieten weniger Börsenplätze an als klassische Online-Broker, die eine eigene Wertpapierhandelsbank im Rücken haben, entsprechend geringer ist insgesamt die Auswahl an Produkten. Die Kleinanleger-Welt darf also weiter gespannt bleiben, welche Innovation der Markt der Neobroker als nächstes hervorbringt.
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