Schufa: Ist die neue Transparenz nur Show?
Wiesbaden-Schierstein. Hier sitzt die Zentrale der Schufa, Deutschlands größter Kredit-Auskunftei. Und obwohl der rostrote Betonwürfel mit den weißen Unternehmensfahnen vor der Tür nicht unbedingt nach Transformation schreit, soll sich genau das im Innern gerade abspielen. Die Schufa, Pardon, die „neue“ Schufa, wie sich das Unternehmen selbst betitelt, will transparenter sein, offener, nahbarer und sympathischer. So wird man nun auf der Website geduzt, kann auf Youtube bunte Erklärvideos schauen und Influencer-Beiträge zum Hashtag #schufaklärt abrufen. Zur Transparenzoffensive gehören auch eine Reihe neuer Angebote. Die Schufa will ihr Image aufpolieren, doch bislang scheint das auf ganzer Linie zu misslingen: Der Ruf ist ramponierter denn je.
„Ein Stück näher an Orwell“?
Mal abgesehen von einer blamablen Sicherheitslücke, die Mitte Juli medienwirksam aufflog, ist dafür vor allem einer der neuesten Services der Schufa verantwortlich: Die Auskunftei möchte Verbrauchern erlauben, ihren Score zu verbessern, verlangt im Gegenzug aber Einsicht in die Kontodaten. Ganz zum Ärger von Verbraucherschützern, NGOs und Bürgern. „Wenn unser Staat solche Vorhaben zulässt, sind wir wieder ein Stück näher an Orwell“, findet ein Unterzeichner einer Petition auf der Plattform openpetition. Sie trägt den Titel „Schufa – Finger weg von meinem Konto!“ und zählt bereits 310.000 Unterstützer. „Wo bleibt die Rechtsstaatlichkeit? Der Staat schaut zu und weg…“, kommentiert ein anderer. Die Bürgerbewegung Finanzwende klagt die Schufa an, Konten durchleuchten zu wollen. Doch springen wir noch mal einen Schritt zurück: Wie konnte es so weit kommen?
Die Schufa und der Bonify-Deal
Auffallender Beliebtheit erfreute sich die Schufa im Grunde noch nie. Das bringt gewissermaßen ihr Kerngeschäft mit sich: Das Unternehmen verdient sein Geld in erster Linie damit, Informationen über die Kreditwürdigkeit von Menschen zu sammeln und diese zu verkaufen. An Banken, Online-Shops oder Stromanbieter, die gern wüssten, wie verlässlich ihre potenziellen Kunden in Sachen Rückzahlung sind. Rund 300.000 Bonitätsanfragen beantwortet das Unternehmen nach eigenen Angaben täglich. Insgesamt hat die Schufa Daten von knapp 68 Mio. Menschen in Deutschland gesammelt. Aus diesen errechnet sie für jeden Verbraucher einen sogenannten Basis-Score: einen prozentualen Wert auf einer Skala von 0 bis 100, der Aufschluss über die Kreditwürdigkeit geben soll. Unternehmen und Banken sollen an ihm ablesen können, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein potenzieller Vertragspartner seine Rechnungen zahlen wird. Die Zahl hat damit einen enormen Einfluss auf das tägliche Leben vieler Bürger. Zum Beispiel kann der Schufa-Score darüber entscheiden, ob uns ein Mobilfunkanbieter unter Vertrag nimmt, wie schnell wir einen Kredit bewilligt bekommen und falls ja, zu welchen Konditionen.
Rufe nach mehr Transparenz wurden lauter
Schon vor Jahren forderten Verbraucherschützer und Teile der Politik daher mehr Transparenz von der Schufa. Zuletzt rief etwa im Februar 2022 die Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke die Auskunftei dazu auf, offenzulegen, „welche Informationen sie wie bewertet“, wie sich der Schufa-Score also konkret zusammensetzt. Die Schufa beschloss, dem Wunsch nach Transparenz nachzukommen – und verkündete Ende 2022 feierlich ihre erste Maßnahme: den Kauf des Berliner Fintechs Bonify. Eine Bonitäts-App, die Kunden Einblick in ihre bei der Schufa gespeicherten Daten verschaffen soll. Damit nahm die Misere ihren Anfang.
Verbraucher können ihren Schufa-Score einsehen
„Erhalte kostenlos Einblick in deine Bonitätsdaten, optimiere deine Finanzen“, verspricht die Website der App Bonify. Was steckt dahinter? Verbraucher müssen sich zunächst registrieren, das ist kostenlos. An erster Stelle erscheint die Möglichkeit, sich mittels Personalausweis zu identifizieren, aber auch eine Identifizierung über die Bankdaten ist möglich. Doch hierbei würden nur Kontoinhaber und IBAN zum Zwecke der Identitätsprüfung verarbeitet, betont Tanja Panhans, Leiterin der Kommunikationsabteilung. „Die Kontobewegungen der Verbraucher spielen hier keine Rolle“. Nach erfolgreicher Registrierung können Verbraucher ihren Schufa-Score online sehen. Dabei gilt ein Wert von über 97,22% laut der Schufa beispielsweise als „hervorragend“, Werte zwischen 93,54% und 97,21% als „gut“ und ein Score von unter 29,99% als „ungenügend“. Doch was bedeutet das nun konkret? Bei welcher Note kann man sich den neuen Ratenkredit nun abschminken? Auf solche Fragen wird es wohl nie eine pauschale Antwort geben. Denn jedes Kreditinstitut stellt unterschiedliche Ansprüche. „Einige Banken sind risikofreudiger als andere“, erklärt Tanja Panhans. Außerdem spielten neben dem Schufa-Score in der Regel noch andere Informationen eine Rolle, die die Banken abfragen, etwa das Einkommen oder die berufliche Tätigkeit. Dazu können sich die geforderten Voraussetzungen auch ändern. Jüngst hätten zum Beispiel viele Institute ihre Risikopolitik verschärft. „Mit unseren Score-Klassen können wir Richtungswerte geben“, so Panhans.
Simulator zeigt, wie der Score zustande kommt
Dafür können Verbraucher seit Neuestem ihre schauerlichsten Schufa-Albträume durchspielen – oder sich virtuell in Bonitäts-Musterschüler verwandeln. Denn eine weitere Innovation der Schufa nennt sich Score-Simulator. Mit ihm sollen Nutzer austesten können, wie sich einzelne Gegebenheiten auf die Kreditwürdigkeit auswirken. Etwa die Anzahl an Kreditkarten oder Girokonten, Informationen über abgeschlossene Ratenkäufe oder laufende Immobilienfinanzierungen. Dazu fragt der Simulator die wichtigsten Faktoren ab, die die Kreditwürdigkeit beeinflussen und erläutert, warum und wie sie auf den Schufa-Score wirken. „Wir werden von vielen als Blackbox gesehen“, erklärt Tanja Panhans die Maßnahmen. Eben das wolle man nun ändern. „Wir wollen klarer und verständlicher nach draußen sprechen und zeigen, wie wir arbeiten.“ Dazu gehöre, das Scoring einfach und nachvollziehbar zu erklären.
Relevante Informationen, die den Schufa-Score beeinflussen
Verbraucher sollen ihren Score verbessern können – durch Zusatzdaten
All das klingt nicht verwerflich und das ist es auch nicht. Doch bringt ohnehin etwas anderes das Blut der Kritiker in Wallungen. Die Schufa hat sich nämlich noch etwas ausgedacht: Ab nächstem Jahr sollen Verbraucher – zumindest nach bisherigen Überlegungen – zusätzlich die eigene Kreditwürdigkeit verbessern können. Nach Ansicht der Schufa kommt die Auskunftei damit einem langgehegten Kundenwunsch entgegen: „Die am häufigsten gestellte Frage an die Schufa lautet, wie man seinen Score verbessern kann“, sagt Tanja Panhans. Funktionieren soll das über „Zusatzdaten“: Verbraucher sollen dem Unternehmen einerseits einwilligen können, dass bestimmte Daten länger gespeichert werden. „Langjährige Verträge wirken sich positiv auf den Score aus“, sagt Panhans. Also etwa ein Girokonto, das schon viele Jahre genutzt wird oder eine Kreditkarte. Derlei Informationen müsse die Schufa im Falle eines Kontowechsels oder der Kündigung einer Kreditkarte normalerweise löschen. „Obwohl sie sich positiv auf den Score auswirken würden“, bemerkt Panhans. Mit einer Einwilligung könnten diese Positivdaten künftig länger von der Schufa berücksichtigt werden.
Andererseits sollen Verbraucher der Schufa auch Daten liefern können, die die Auskunftei bislang nicht kennt. Zum Beispiel Kontoinformationen. Sollte sich der Score der Verbraucher durch die Zusatzdaten verbessern, könnten diese Informationen an die Schufa-Plattform weitergeleitet werden. „Verbraucher würden erst sehen, ob und wie der Einfluss auf den Score wäre und könnten dann die Daten per Einwilligung an die Schufa geben“, sagt Panhans. Dabei interessierten die Schufa nur kreditrelevante Daten, etwa: Handelt es sich um ein aktives Konto? Gibt es laufende Einnahmen?
„Im Innern lauern Gefahren“
Was zunächst wie ein großmütiges Angebot klingt, hat einen Haken: Um die Daten nachzureichen, müssten Verbraucher vermutlich Einsicht in ihr Konto gewähren. Ein Skandal findet die Bürgerbewegung Finanzwende, da hierbei Transaktionsdaten und damit sensible Informationen geteilt würden. „Mitgliedsbeiträge (…) ermöglichen recht leicht Rückschlüsse auf die politische Überzeugung oder Gewerkschaftszugehörigkeit der Kontoinhaber*in“, schreibt die NGO auf ihrer Website. Das geplante Angebot sei ein „trojanisches Pferd“: Von außen sehe es aus „wie ein Geschenk, im Inneren lauern aber Gefahren“.
Doch welche sind das konkret? Was wäre so verheerend daran, der Schufa Zugriff auf das eigene Konto zu gewähren? Das Unternehmen könne dadurch „noch mehr Macht und Einfluss auf den Alltag von Verbraucher*innen gewinnen“, schreibt das Team hinter der Bürgerbewegung. Und weiter: „Wenn die Schufa Kontoinformationen durchleuchtet, kann sie damit Persönlichkeitsprofile erstellen und auswerten.“
„Es gibt nicht mal ein konkretes Konzept“
Die Schufa lässt die Vorwürfe nicht unkommentiert im Raum stehen. Man wolle weder Konten durchleuchten noch Verbraucher ausspähen, heißt es in Stellungnahmen von dem Unternehmen. Zumal die Vorwürfe viel zu früh kämen, da das Ganze noch „Zukunftsmusik“ sei, wie Tanja Panhans gegenüber Finanzfluss sagt. Zwar plane man, die Verbraucher stärker einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den eigenen Score zu verbessern. Und möglicherweise würde das über die Weitergabe spezifischer Kontodaten funktionieren. „Aber Stand jetzt gibt es noch nicht mal ein konkretes Konzept für die Lösung.“ Doch sollte sie kommen, würden entsprechende Datenfilter verhindern, dass sensible Informationen geteilt werden“, so Tanja Panhans.
Nur eine scheinbare Wahlfreiheit?
Das Angebot der Schufa soll – wenn es denn kommt – freiwillig sein, wie das Unternehmen betont. Auch das wollen die Gegner der Schufa nicht abkaufen: „In der Praxis wird wohl kaum jemand die Einsicht verweigern können“, schreibt der Verein Campact, der ebenfalls eine Petition gegen die Pläne der Auskunftei unterstützt. „Ob Wohnungssuche oder Kreditvertrag: Wir alle sind auf eine gute Schufa-Bewertung angewiesen.“ Hätten Verbraucher also in Wahrheit keine echte Wahl? Würde der Markt sie dazu zwingen, ihre Privatsphäre aufzugeben, um in einer überlaufenen Großstadt eine Wohnung zu finden? Die Schufa erklärt dazu: Bonitätsauskünfte, die Verbraucher ihren Vermietern vorlegen, wiesen ohnehin keinen Score aus. Der Vermieter erfahre lediglich, ob Zahlungsstörungen vorliegen oder nicht. „Das gilt auch für Auskünfte an Immobiliengesellschaften, die Wohnungen vermieten.“
„Unklar, wie Schufa die Daten nutzen will“
Anreize, der Schufa noch mehr Daten zu liefern, würde der neue Service aber sehr wohl schaffen. Was wiederum die Frage aufwirft, welchen Nutzen sich die Auskunftei von den Daten verspricht. In Kritikerkreisen tappt man scheinbar selbst noch im Dunkeln: „Bislang scheint es unklar, ob und wie die Schufa selbst diese hochsensiblen Informationen nutzen will“, schreibt die Bürgerbewegung Finanzwende auf ihrer Website. Frage an die Schufa: Welche wirtschaftlichen Überlegungen stecken hinter den Plänen, Verbraucher den Score aufbessern zu lassen?
Tanja Panhans meint, es ginge der Schufa in erster Linie darum, den Menschen mehr Kontrolle über ihre Daten zu geben und transparenter zu werden. Die neuen Services seien vielmehr eine Reaktion auf Forderungen aus der Vergangenheit. Beispielsweise jene aus der Politik, aber auch solche aus der Mitte der Bevölkerung: „Die Leute schicken uns teilweise ungefragt Kontoauszüge in der Hoffnung, ihre Bonität verbessern zu können“, so Panhans. Zumal auch die direkten Kunden der Schufa, also Banken, Händler und Stromanbieter, am Ende Verbraucher seien. „Deswegen begrüßen auch sie es, wenn wir transparenter werden“.
Fraglich, ob die Pläne nicht noch gekippt werden
Wie könnte also das Resümee lauten? Nun, sicher ist nicht alles schlecht, was sich die Schufa unter ihrer neuen Führung in den vergangenen Monaten ausgedacht hat. Den eigenen Score einsehen zu können, seine Zusammensetzung zu verstehen und zu wissen, welche Informationen wirklich relevant sind, kann für Verbraucher durchaus nützlich sein. So sieht es auch die Verbraucherzentrale: Es sei „unkritisch, die App für das Abrufen einer kostenlosen Schufa-Auskunft zu nutzen“, kommentierte zum Beispiel Dorothea Mohn, Finanzmarkt-Expertin der Verbraucherzentrale die Pläne gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wenn auch mit Einschränkungen: „Dem Kontozugriff einzuwilligen, würde ich allerdings niemandem empfehlen.“
Doch sicher ist auch, dass bislang nichts sicher ist. Im Augenblick gibt es weder ein konkretes Konzept noch ausreichend Details, die ein abschließendes Urteil zuließen. Und so lässt sich die Schufa – Stand jetzt – weder als hinterlistiger Datenräuber anklagen noch von jeglichen fraglichen Absichten freisprechen. Für solche Beurteilungen ist es zu früh.
Ohnehin bleibt abzuwarten, ob überhaupt etwas aus den Plänen wird. Schließlich musste die Schufa schon einmal ein ähnliches Pilotprojekt auf Eis legen, nachdem sie dafür reichlich Gegenwind geerntet hatte. Ende 2020 wollte die Schufa mit dem Produkt „CheckNow“ Verbrauchern ermöglichen, durch Einsichten in ihr Online-Bankkonto die eigene Bonität zu verbessern. Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ kam heraus, dass offenbar ein einziges Häkchen genügt hätte, um der Schufa außerdem zu erlauben, die Daten „umfangreich auszuwerten“. Zum Nachteil der Kunden, wie Verbraucherschützer damals befürchteten.
Kommentare (4)
G
GO
sagt am 18. Oktober 2023
Danke für den Beitrag, das hat mir sehr geholfen!!
J
Jürgen
sagt am 06. Oktober 2023
Dem Artikel fehlt das Wesentliche: Die Schufa wurde durch ein EuGH-Urteil gezwungen, relevante Daten nach angemessener Zeit zu löschen. Damit ist ihr Geschäftsmodell kaputt und sie kann zumachen. Jetzt versucht sie die "Kunden" (eigentlich eher Opfer) zu überreden, ihre Daten freiwillig speichern zu lassen und versucht ihnen vorzugaukeln, sie hätten dadurch Vorteile (was bei Einzelnen sicher auch zutrifft).
A
Anonym
sagt am 06. Oktober 2023
Die Schufa ist Gesellschafterin der Forteil GmbH. So wie es bei der Crefo aussieht, sogar zu 100%, die anderen Gesellschafter sind raus. Und nun?
A
Anonym
sagt am 06. Oktober 2023
bonify wird von der Forteil GmbH betrieben und zeigt nicht den Schufa-Score sondern den Boniversum-Score an. Lasst die Finger von bonity. Die Schufa ist und bleibt ein Saftladen.
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