Geld statt Goethe: Wie sinnvoll wäre ein Schulfach „Finanzen“?
„Ich bin fast 18 und hab’ keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann eine Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Acht Jahre ist es her, dass diese Sätze einer Kölner Schülerin auf Twitter auftauchten. Binnen Stunden wurden sie tausendmal geteilt und sogar von der damaligen Bildungsministerin Johanna Wanka aufgegriffen. „Ich bin dafür, in der Schule stärker Alltagsfähigkeiten zu vermitteln“, kommentierte die CDU-Politikerin. „Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu lernen und zu interpretieren.“ Der Tweet von damals traf einen Nerv. Er brachte Fragen auf den Tisch, die schon damals nicht neu waren und heute immer noch im Raum schweben: Gehört Finanzbildung in die Schule? Sollten junge Leute nicht auch lernen, wie sie die Steuererklärung machen, wie sich die gesetzliche Rente berechnet und was ein Aktienfonds ist? Wären solche Dinge nicht mindestens so wichtig wie der Satz des Pythagoras und Goethes Prometheus? So sieht es inzwischen der Großteil der Bevölkerung: In einer Umfrage des Bundesverbands der Banken von 2022 gaben 80% der Teilnehmer an, sich mehr „Wirtschaft“ in der Schule zu wünschen. Trotzdem existieren bis heute größtenteils einzelne Initiativen und Pilotprojekte, über die das Thema seinen Weg ins Klassenzimmer findet. Einzelne Bundesländer wie Baden-Württemberg und NRW führten immerhin „Wirtschaft“ als Pflichtfach ein, in anderen wird seit einiger Zeit „Verbraucherbildung“ unterrichtet.
Von einem eigenen Fach Finanzen sind wir in der Bundesrepublik aber weit entfernt. Das ist kein Zufall: Denn zugleich spricht einiges dagegen, Finanzen auf den Lehrplan zu schreiben. Vielleicht, so die Befürchtung einiger, würde es am Ende sogar mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Was spricht für, was gegen Finanzen auf dem Lehrplan? Eine Übersicht.
Was dafür spricht
Gleiche Chancen für alle
Es überrascht nicht, wenn Aktienlobbyisten für ein Schulfach Finanzen plädieren. Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) tut das schon seit Jahrzehnten. Bereits 1999 stellte der Verband ein Memorandum zur ökonomischen Bildung vor und forderte darin die flächendeckende Einführung des Fachs „Ökonomie“. Anfang Dezember nun, pünktlich zum Tag der Bildung, startete das DAI einen neuerlichen Anlauf. „Finanzbildung ist Lebensbildung“, sagte Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin des DAI. „Nur wer die nötigen Basiskenntnisse mitbringt, kann beispielsweise beim Thema Geldanlage Chancen und Risiken abwägen und somit selbstbestimmte Entscheidungen bei Anlage-, Kredit oder Versicherungsthemen treffen.“
Nun werden die wenigsten an der Wichtigkeit finanzieller Bildung zweifeln. Dass sie handfeste Vorteile bringt, vor Altersarmut schützen und finanziell unabhängig machen kann. Wer versteht, wie die Rente in Deutschland funktioniert, wird sich eher um die eigene Altersvorsorge kümmern. Wer um den Zinseszinseffekt weiß, wird eher einen breit gestreuten Aktienfonds besparen. Und wer weiß, wie Banken und Versicherungen arbeiten, sich keine unrentablen oder gar riskanten Produkte aufschwatzen lassen. Für das DAI spielt aber noch ein weiterer Punkt eine Rolle: das Thema Teilhabe. „Mehr Chancengerechtigkeit durch finanzielle Bildung“, überschrieb das DAI seine jüngste Pressemitteilung. Und gerechter wäre es allemal, wäre die Finanzbildung nicht – wie bislang – Familiensache. Haben Eltern ihre Finanzen im Blick, verstehen Zusammenhänge und kümmern sich selbst um ihre Altersvorsorge, kommen Themen wie Aktien, Rente oder Sparbuch zwangsläufig häufiger auf den Tisch. Das ist insbesondere bei Akademiker-Haushalten sehr viel häufiger der Fall, wie Untersuchungen ergaben. Diese Ungleichheit könnte ein Schulfach Finanzen aus Sicht des DAI beseitigen – und allen die gleichen Chancen in Sachen Finanzbildung geben.
Gemeinschaft motiviert
Wir Menschen schleppen nach wie vor unsere Ur-Instinkte mit uns herum. Allen voran unseren „social proof“, besser bekannt als „Herdentrieb“. Geht jemand vor uns über die rote Ampel, folgen wir ihm intuitiv. Liegt der Wintermantel beim Online-Shopping angeblich schon in fünf anderen Warenkörben, bestellen wir schnell. Und haben wir die Wahl zwischen einem vollkommen leeren und einem gut besuchten Restaurant, betreten wir letzteres. Dieser Herdentrieb kann durchaus nützlich sein – indem er hilft, unberechtigte Vorurteile oder Ängste abzubauen. Lernen Schülerinnen und Schüler in der Klassengemeinschaft über Märkte, Fonds und Zinseszinsen, diskutieren und teilen Erfahrungen, könnte das dazu antreiben, die Altersvorsorge aktiv anzugehen. Und zu sehen, wie das Portfolio des Sitznachbarn Rendite abwirft, dürfte ungleich stärker motivieren als eine Altersvorsorge-Broschüre der Deutschen Rentenversicherung.
Eltern könnten auch dazulernen
Altersvorsorge darf nicht Familiensache bleiben, klagen Fürsprecher eines Pflichtfachs Finanzen oft. Doch vielleicht könnte ein solches Schulfach das Thema Finanzen auch erst zur Familiensache machen. Themen und Diskussionen könnten vom Klassenzimmer in die Wohnzimmer getragen werden und auch Erwachsene inspirieren, sich mit ihrer Altersvorsorge zu befassen. Bedarf gäbe es jedenfalls allemal. Denn in puncto Finanzen herrscht längst nicht nur unter jungen Menschen Ahnungslosigkeit, wie eine Untersuchung der OECD im Jahr 2022 ergab. In Zusammenarbeit mit der Bafin wurden rund 1.000 Deutsche auf ihr finanzielles Wissen geprüft, mussten etwa den Zinseszins erläutern oder angeben, ob sie Kryptowährungen für ein gesetzliches Zahlungsmittel halten. Das Ergebnis: Gerade einmal 21% der Befragten konnten zehn von zehn Fragen richtig beantworten und bekamen ein „umfangreiches Basiswissen“ bescheinigt. In einer Umfrage des Bundesverbands der Banken wussten weniger als die Hälfte der Befragten, was an der Börse geschieht. Rund 42% konnten erklären, wie ein Investmentfonds funktioniert und 17%, was eigentlich ein ETF ist.
Eltern sind überfordert
Wo wir schon mal bei den Eltern sind: Sie gehören mehrheitlich zu den Befürwortern eines eigenen Schulfachs Finanzen. Zuletzt ergab das eine Umfrage des Zahlungsdienstleisters Mastercard in Zusammenarbeit mit dem Start-up Bling. 56% der Befragten sprachen sich für Finanzen auf dem Lehrplan aus. Knapp ein Drittel (31%) wünschte sich sogar, der Umgang mit Geld würde bereits im Kindergarten behandelt. Vielleicht, weil die Eltern selbst nicht gerade von ihren Qualitäten als Finanzcoaches überzeugt sind: In der Mastercard-Studie sahen sich gerade mal 47% in der Lage, die ihrem Nachwuchs den Umgang mit Geld und Finanzen „gut beizubringen“. Jedes fünfte Elternteil gab an, sich „unwohl“ oder „überfordert“ zu fühlen. Die Kinder waren etwas gnädiger: Die Mehrheit sagte, ihre Eltern würden das Thema Finanzen „verständlich vermitteln“.
Was dagegen spricht
Der vollgestopfte Lehrplan
Einer finanziell gebildeten Jugend ist wenig entgegenzusetzen. Wohl jeder würde es begrüßen, wüssten schon Zehntklässler, warum ein Fonds weniger riskant ist als die einzelne Aktie – oder warum aus den versprochenen „30% Rendite in einem Jahr“ vom TikTok-Day-Trading-Profi vermutlich nichts werden wird. Den Kritikern eines eigenen Schulfachs geht es deswegen auch eher um das „Wie“: „Wie soll das bewerkstelligt werden?“. Pädagogen klagen zum Beispiel seit Jahren über hoffnungslos überladene Lehrpläne. Für ein neues Fach wäre schlichtweg kein Platz, lautet eines der meist vorgetragenen Argumente. Wenn kein Platz ist, müsste ein neues Schulfach Finanzen also zwangsläufig ein anderes verdrängen. Doch welches wäre das? Deutsch oder Mathe eher nicht, doch wie sieht es mit Kunst, Sport oder Religion aus? Den Kampf darum, welche Inhalte nun wie relevant sind, kann man sich schon ausmalen.
Wer soll das unterrichten?
Mehr als 25.000 Lehrkräfte sollen bis 2025 in den deutschen Klassenzimmern fehlen, schätzt die Kultusministerkonferenz. Ein lang bekanntes Problem, das die Chancen auf ein zusätzliches Fach nicht gerade verbessert. Woher die Menschen nehmen, die Finanzen unterrichten würden? Abgesehen davon, dass Personal schon jetzt rar ist, haben nur wenige Lehrkräfte ein Studium der Wirtschaftspädagogik oder Vergleichbares hinter sich. Anders gesagt: Sie müssten sich das zu vermittelnde Wissen vermutlich erst einmal aneignen. Sicher, Wissen lässt sich erlernen, und nicht jeder Finanz-Lehrer müsste zuvor für Goldman Sachs Hedgefonds gemanagt oder einen PhD-Titel an der Frankfurt School haben. Mindestens bräuchte es aber fundierte Weiterbildungen, Lehrgänge und Seminare, die Pädagogen auf den Unterricht vorbereiten. All das kostet Geld, das von den Ländern erst einmal aufgebracht werden muss – und die Implementierung von Finanzbildung in Schulen erschwert.
Vieles ändert sich
Beim Deutschen Lehrerverband sperrt man sich nicht gegen Finanzbildung in der Schule. Ein grundsätzliches Verständnis davon, wie die Börse funktioniert oder was eine Aktie ist, sei definitiv sinnvoll, sagt Stefan Düll, Präsident des Verbands und zugleich Schulleiter an einem bayerischen Gymnasium. Ein Grundverständnis über die Zusammenhänge erlernten viele Schülerinnen und Schüler schon jetzt in wirtschaftsspezifischen Fächern oder Sammelfächern wie Wirtschafts- und Rechtslehre. „Was nicht heißen muss, dass das dort vermittelte Wissen immer ausreichend ist“. Dass die Schule konkrete Ratschläge zur Umsetzung gibt, findet Düll weniger hilfreich. Allein schon, weil sich die Umstände laufend ändern. „In den 80ern haben wir gelernt, wie man einen Überweisungsträger ausfüllt. Das braucht heute kein Mensch mehr.“ Ähnlich sei es beim Steuerrecht oder an der Börse, wo dauernd neue Regeln, Freibeträge und Gesetze gelten. „Bestenfalls lernt man in der Schule ein grundlegendes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge im Großen und für den persönlichen Bereich, um sich dann später konkret das eine oder andere selbst beizubringen zu können.“
Ein Einfallstor für Lobbyisten
Das Personalproblem ließe sich freilich auch einfacher lösen. In Banken- und Versicherungskreisen würden sich vermutlich etliche freiwillige Vermittler finden. Doch genauso wenig wie man den CEO von Shell das Thema Klimaschutz unterrichten lassen würde, sollte man Sparkassenberatern und Versicherungsvertretern die Finanzbildung junger Leute überlassen. Dass Konzerne in der Bildung mitmischen, Flyer und Info-Broschüren verteilen oder für den Klassenausflug durch ihr Unternehmen führen, ist zwar nicht neu. Doch würde man ihre Vertreter ins Klassenzimmer stellen, wäre der Interessenkonflikt perfekt. Vertreter der Branche verfolgen schließlich Ziele, sie wollen den Umsatz ihres Arbeitgebers vermehren. Die vermittelten Informationen wären also zwangsläufig weder neutral noch unabhängig.
Lindner und Stark-Watzinger planen „Finanzbildungsstrategie“
Eltern, Lehrer, Ökonomen und Politiker werden wohl noch eine Weile um die Frage kreisen, ob das Thema Finanzen als Pflichtfach in die Schulen gehört. Denn so wie vieles dafür spricht, gibt es auch berechtigte Einwände. Momentan sieht es aus, als würde man sich in kleinen Schritten näher an das Thema herantasten. Zuletzt hatten Finanzminister Christian Lindner und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger im Frühjahr angekündigt, die Finanzbildung als „wesentlichen Teil der Allgemeinbildung“ zu stärken. Klappen soll das unter anderem durch eine „nationale Finanzbildungsstrategie“, kündigten die FDP-Politiker damals an. Was genau das für deutsche Schülerinnen und Schüler verändern soll, beraten die Ministerien aktuell in Zusammenarbeit mit der OECD.
Kommentare (14)
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Philipp
sagt am 02. Februar 2024
Der Wert, den Finanzbildung in der Schule bringt, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die staatliche Rente wird mit Ansage auf ein Niveau von gerade mal 48% sinken. Das sind Fakten und keine Meinungsmache. Jetzt wird jedem auffallen, dass ein Schnitt von über der Hälfte des zur Verfügung stehenden Einkommens, worauf auch noch Sozialbeiträge und Einkommenssteuer erhoben werden, zu massiven Einschnitten in der Lebensqualität führen wird. Ich finde: Allein dieser Umstand zeigt mehr als genug, dass es höchste Zeit ist, jungen Menschen in der Schule beizubringen und Perspektiven aufzuzeigen, wie sie über die staatliche Rente hinaus eigenes Kapital aufbauen und sich für das Alter absichern. Und es geht ja nicht nur ums Alter. Auch zu Zeiten, in denen die Menschen noch jung sind, ist es zwar sinnvoll zu sparen und nicht mit vollen Händen alles auszugeben, was man hat aber übermäßiger Verzicht sollte ebenso wenig auf der Tagesordnung stehen. Ich würde sogar dafür einzahlen, wenn eine Schule bspw. privat einen Dozenten beschaffen würde, der dieses Thema an der künftigen Schule meines Kindes lehrt.
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Roderich Resch
sagt am 04. Januar 2024
Natürlich ist das Fach Finanzen notwendig und wichtig. Das ein Fach dafür gestrichen werden muss sehe ich nicht. Es ist eine Sache von Prioritäten und Entrümpelung bestehender Fächer. Das geht bestimmt wenn man will. Das problem von "Wer soll das unterrichten" ist schon grösser. Auf keinen Fall aber Lobbyisten aus der Bank und Versicherungsbranche. Das sich vieles ändert, ist nur eine billige Ausrede. Der Unterricht kann praxisnah gestaltet werden! Ein wesentlicher Bestandteil wären Risiken und Kosten von Anlageformen, Fristigkeiten. Praxisnah wäre die Berechnung und Beurteilung von gängigen Produkten aus der Finanzindustrie, z.b. Was sind die Kosten und Rendite Erwartungen der Riesterrente im Vergleich zu einem breitgetreten ETF auf die Laufzeit von 20 Jahren. Vergleichsrechnung zu Haus kaufen und Haus mieten, usw...). Natürlich entsteht auch ein Schaden, bei den Banken, die sich dann schwer tun überteuerte Schrottprodukte an den Man/Frau zu bringen.
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Jürgen
sagt am 22. Dezember 2023
Kathrin kann bei Finanztip Unterlagen Für die Schule über Finanzbildung beziehen.
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Kathrin
sagt am 22. Dezember 2023
Ich bin der Meinung, dass Finanzbildung für die Schule als Fach sehr, sehr sinnvoll ist! Für mich ist lediglich die Frage, wo und wie ich mich als Lehrerin für dieses Fach gut (!) qualifizieren kann. Gibt es dazu einen guten Hinweis?
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Jürgen
sagt am 22. Dezember 2023
Hallo Kathrin, bei Finanztip kann man Lehrunterlagen über Finanzbildung für die Schule bekommen. Eine Freundin, ehemalige Konrktorin, hat die Unterlagen angeschaut und Ihren Ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Ihrer Schule empfohlen.
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DocTrader
sagt am 22. Dezember 2023
Zweifelsfrei ist Allgemeinbildung wichtig. Jedoch ist diese „spezielle Schulklugheit“ gegenüber der „Lebenstüchtigkeit“ und „Straßenschlauheit“ aufgrund von überfrachteten und tradierten Schullehrplänen, historisch und politisch gewachsen, längst überbewertet. Egal welches Ministerium, jedes Ministerium – besonders kann ich die realitätsfremde Politik des Gesundheitsministeriums beurteilen - verharrt im hektischen Stillstand. Und wenn einmal Bewegung zu sehen ist, dann ist sie derart langsam mit vollmundigen, markigen Sprüchen und Schlagworten, dass die Ziele nie rechtzeitig, d.h. für den Bürger und die Gesellschaft spürbar „sozio-mental und gewinnbringend“ erreicht werden. Der englische Philosoph Francis Bacon (1561-1626) wollte im „Zeitalter der Aufklärung“ mit Erkenntnissen und Methoden der Naturwissenschaft den Menschen „in einen höheren Stand seines Daseins“ bringen. Aus seinen „Meditationes sacrae“ stammt die Formulierung „Nam et ipsa scientia potestas est“ „Denn auch die Wissenschaft selbst ist Macht“. Daraus ist das im Deutschen geflügelte Wort „Wissen ist Macht“ zurückzuführen. Dieses geflügelte Wort muss aus meiner Sicht nunmehr an die heutige Zeit angepasst werden in „Angewandtes Wissen ist Macht“ oder „Wer macht hat Macht“, d.h. Eigeninitiative zeigen und einfach beginnen. Denn wer auf die Politik wartet und sich auf die Politiker: innen verlässt, ist nach meiner Erfahrung als Arzt und Unternehmer im Gesundheitswesen verlassen und zwar auf lange Zeit, wie ich in meinen fast 40 Berufsjahren erfahren habe. Zum „richtigen Umgang mit Geld“, umfassender mit „Finanzbildung“ ausgedrückt, gehört zusätzlich die Vermittlung von „Werten“ wie beispielsweise (eiserne) Disziplin (!) und (bewusster) Verzicht (!). Aus bescheidenen Verhältnissen einer Arbeiterfamilie stammend, förderten und trainierten die Sätze im Elternhaus „Das ist zu teuer. Wir müssen sparen. Das können wir uns nicht leisten.“ meine Disziplin zu sparen und meinen Verzicht, unabhängig mir nicht alles kaufen zu können auch nicht alles kaufen zu wollen, bis heute recht resistent und sehr kritisch u.a. gegenüber Konsumwerbung, Werbeversprechen, Bankversprechen über sogenannte „lukrative“ Anlagen zu sein. Sehr viel Glück hatte ich und dafür bin ich sehr dankbar, dass für meine Eltern Bildung und Gesundheit an erster Stelle standen und sie mir als große Vorbilder Werte vermittelt und vor allen Dingen vorgelebt hatten. In der Politik sehe ich schon lange keine Vorbilder mehr oder doch? Natürlich, alle Politiker: innen halten Bildung und Gesundheit nur verbal für wichtig, jedoch handeln sie dann gänzlich anders. Durch Fehlplanung in Prestigeprojekte werden sehr viele Milliarden Steuergelder versenkt oder bei der desaströsen Klimapolitik passt wohl besser „verbrannt“. Wohin Lobbyismus führt, war aktuell bei der Weltklimakonferenz zu sehen. Den Wolf als Hüter der jungen, unwissenden, frommen Schafe zu machen, ist der falsche Weg. Zu jammern, dass es zu wenig Lehrer gibt, hilft auch nicht weiter. Von den Lehrer: innen zu verlangen, einfach auch „Finanzbildung“ unterrichten zu können ist genauso ein frommer Wunsch wie von einem Arzt zu erwarten, dass er die Medizin „allumfassend“ beherrscht. Naja, hier kommt ein weiterer Wert ins Spiel „Eigenverantwortung“. Eigenverantwortung, Disziplin und Verzicht sind schon einmal sehr gute Voraussetzung zu lernen „mit Geld erfolgreich umzugehen“. Wer wirklich will, hat heute ein sehr breites Angebot, sich „finanziell zu bilden“ Dieses Angebot wahrzunehmen ist Voraussetzung in den Startblock eines Endlaufes zu kommen. Das garantiert noch keinen Sieg. Allerdings ist sicher, wenn ich den Startschuss ignoriere und im Startblock sitzen bleibe und erst gar nicht loslaufe, bin ich zum einen die/der Letzte und zum anderen erreiche ich erst gar nicht mein Ziel. Die Eltern einzubinden, funktioniert sehr gut, da sie „für ihre Kinder das Beste wollen“ und sie somit intrinsisch motiviert sind, so meine damaligen Erfahrungen am Gymnasium meiner Tochter bei einem engagierten Studiendirektor.
C
Christoph Schmidt
sagt am 22. Dezember 2023
Man könnte ja auch die Elternschaft "mit ins Boot holen" - jemand aus der Eltern- oder Schulpflegschaft könnte 1-2 mal in der Woche zum Thema Finanzbildung referieren... vielleicht mit Hilfe von Videos (Finanzfluss) oder "Gastredner:innen" von Finanzfluss oder Finanztip, die ich ebenfalls als neutral und hilfreich ansehen würde.
G
Gerhard
sagt am 22. Dezember 2023
Der beamtete Lehrer mit seinem „rundherum versorgt“ Mindset und verbunden mit einem gehörigen Schuss „Kapitalismuskritik“ wird sich schwertun ein Thema wie „Aktienanlagen für die Altersvorsorge“ sachgerecht zu unterrichten. (war 43 Jahre als Lehrer an einer Berufsschule tätig und habe u.a. Wirtschaftslehre unterrichtet)
A
Anonym
sagt am 22. Dezember 2023
Genauso ist es. Es sei denn der eigene Sohn ist Lehrer und unterrichtet Politik und Wirtschaft an einem Gymnasium und legt selbst in ETFs an. Diese Klassen lernen etwas über Finanzen, weil sie zufällig Glück haben ...
K
Karsten
sagt am 22. Dezember 2023
Ich begrüße so ein Fach sehr, auch zulasten anderer Inhalte, würde es aber auf grundlegende, unmissverständliche Zusammenhänge begrenzen. Vor allem auf so Sachen wie den Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko, Streuung, Anlagezeitraum, Liquidität. Dass man einfach mal gehört hat, dass hinter 100% Rendite in einem Monat Wetten auf Hoch spekulative Anlagen gestanden haben, aber auch, dass es in vielen Lebensunständen deutlich besser geht als eine Kapitallebensversicherung, und dass ein Depot zu haben nicht gleich bedeutet, dass man der Wolf of Wallstreet sein will, sondern vielleicht einfach nur ein labgfristig orientierter prognosefreier Sparer. Ich selbst komme aus einem so genannten Bildungshaushalt, aber meine Finanzbildung war extrem gering, und das hat mich viel Rendite gekostet in jungen Jahren.
S
Sven
sagt am 22. Dezember 2023
Das ist genau das Phänomen was in "Rich dad, poor dad" beschrieben wird, das hast Du richtig erkannt (auch eigene Erfahrung): klassische Bildung heißt noch lange nicht das man mit Geld umgehen kann. Dafür benötigt es eben finanzielle Bildung und wer das heute nicht nebenher sich beibringt oder Eltern, Freunde mit solchen Kenntnissen hat schaut in die Röhre...
E
Eric
sagt am 22. Dezember 2023
Der Lobbyismus ist die allergrößte Gefahr. Finanz“institute“ sind nicht von ungefähr die größten Befürworter von mehr „Finanzbildung“, die sie - wirklich neutral und objektiv angeboten - letztlich gar nicht wollen. Ängstliche und informierte Verbraucher sind schließlich die besten Kunden von Versicherungen und Banken. Die Verbraucherzentralen wären die besseren Lehrer
M
Marc Thomas
sagt am 22. Dezember 2023
Ich kann dem Vorschlag viel abgewinnen. Für mich wären die Verbraucherzentralen auch die erste Wahl, um die „Lehrkräfte“ für ein solches Fach zu stellen, das mir schon seit Jahres im Curriculum fehlt. Meine Tochter hat gerade an ihrem bilingualen Gymnasium auf französisch das deutsches Renten-, Sozial- und Sozialversicherungssystem durchgenommen. Schräg, das auf Französisch zu lernen, aber immerhin. Mit fehlt seit Jahren an weiterführenden Schulen noch ein anderes Fach: Lebenslauf und Bewerbungen schreiben sowie Bewerbungsgespräche erfolgreich führen.
S
Sven
sagt am 21. Dezember 2023
Wo man finanzielles Wissen unterbringen kann, wie im Artikel erwähnt ist eigentlich ganz einfach. Man streicht erstmal aus den Lehrplänen sinnlose Inhalte (ich glaube jedes Fach hat da einiges zu bieten, ich muss da immer an die 1000 verschiedenen Zeiten und Fälle in Deutsch denken, aber mir fällt da auch noch anderes ein). Wenn da nur 10% frei werden, tadaaaa. Eine Stunde "Finanzwissen und Bildung" ist möglich. Besser als nix. Wenn man das dann noch schafft, den Schülern in Verbindung mit Prozent und Bruchrechnen beizubringen (Praxisbezug von Mathematik in der Finanzwelt), hätte die erste Generation die das lernt, gewonnen.
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