
Emerging Markets: Gehören Schwellenländer noch ins Portfolio?
Was sind Schwellenländer?
Bevor wir uns mit den Chancen und Risiken befassen, gilt es, zunächst zu klären, was Schwellenländer eigentlich ausmacht. Schwellenländer befinden sich – wie der Begriff schon andeutet – im Übergang: Sie stehen zwischen den Industriestaaten und den weniger entwickelten Volkswirtschaften. Auf der Website des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung findest du typische Merkmale: Diese Länder durchlaufen einen „umfassenden Wandlungsprozess“, was sich vor allem in einem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum und einem steigendem Pro-Kopf-Einkommen äußert.
Allerdings hinkt die soziale Entwicklung häufig hinterher. Metriken wie durchschnittliche Lebenserwartung, Säuglingssterblichkeit oder der Bildungsgrad entsprechen oftmals nicht dem Wirtschaftswunder, das ihre Bilanzen vermuten lässt. Die ungleiche Einkommensverteilung und stark schwankende politische Rahmenbedingungen machen das Bild zusätzlich vielschichtig. Als Beispiele nennt das Bundesministerium Brasilien, China und Indien.
Performance ausgewählter MSCI Emerging Markets ETFs
Name | YTD in % |
---|---|
ISIN IE00B3Z3FS74 | +4,46 % |
ISIN IE00B0M63177 | +3,02 % |
ISIN IE00B5SSQT16 | +2,53 % |
Quelle: finanzfluss.de/informer/etf/suche/
Auch die Indexanbieter MSCI und FTSE stufen diese Länder als Schwellenländer ein, aber es gibt auch Unterschiede zwischen den beiden: Anbieter wie MSCI oder FTSE definieren Schwellenländer anhand von Kriterien wie Liquidität, Marktzugang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. So gehören für MSCI beispielsweise 24 Staaten zur Kategorie der Emerging Markets. Bei FTSE Russell wird sogar noch zwischen „Advanced Emerging“, „Secondary Emerging“ und „Frontier Markets“ unterschieden – Länder wie Peru, Polen oder Südkorea werden bei MSCI als Schwellenländer geführt, während FTSE hier andere Länder auswählt.
Land | MSCI Emerging Markets | FTSE Emerging Markets |
---|---|---|
Südkorea | ✅ | ❌ |
Pakistan | ❌ | ✅ |
Rumänien | ❌ | ✅ |
Brasilien | ✅ | ✅ |
China | ✅ | ✅ |
Griechenland | ✅ | ✅ |
Wieso ist es entscheidend, wie ein Land von Indexanbietern eingestuft wird?
Die Einstufung eines Landes durch Indexanbieter wie MSCI oder FTSE Russell spielt eine zentrale Rolle für dich als Anleger, denn sie beeinflusst direkt, welche Märkte in den jeweiligen Index aufgenommen und wie sie gewichtet werden.
So enthält beispielsweise der MSCI World nur Unternehmen aus 23 Industrieländern – den sogenannten Developed Countries wie den USA, Japan, England, Schweiz, Kanada oder Frankreich. Im Gegensatz dazu bildet der MSCI Emerging Markets ausschließlich Aktien aus Ländern ab, die laut der MSCI-Definition als Schwellenländer gelten, etwa China, Taiwan, Indien, Südkorea, Brasilien oder Saudi-Arabien. Der MSCI ACWI kombiniert beide Kategorien mit einer Gewichtung von etwa 90% Industrieländern zu 10% Schwellenländern.
Auch FTSE Russell bietet entsprechende Indices, wie den FTSE All-World, sowie separate Developed- und Emerging-Indizes – inklusive Varianten, die einzelne Länder ausschließen, wie den FTSE All-World ex US oder den MSCI Emerging Markets ex China.
Diese klar definierten Kategorien helfen dir, die Weltwirtschaft in deinem Portfolio authentisch abzubilden und die Auswirkung regionaler Krisen zu reduzieren. Letztlich entscheidet die Einstufung darüber, welche Länder in welchem Index wie stak gewichtet werden und wie dein Investment langfristig performt.
Vor- und Nachteile von Emerging Markets im Portfolio
Was sind Gründe dafür, um überhaupt in Schwellenländer zu investieren? Es gibt mehrere gute Gründe dafür, die aber auch mit einigen Risiken einhergehen.
Vor- & Nachteile
- Diversifikation: durch den Anteil von Schwellenländern in deinem Portfolio streust du dein Risiko geografisch. Sollten einzelne Regionen oder Industrieländer eine Krise erleben, können Investitionen in Emerging Markets zum Ausgleich beitragen.
- Wachstumspotenzial: Schwellenländer haben oft ein deutlich höheres Wirtschaftswachstum als Industrieländer. Gerade am Globalkontext gemessen spielen sie eine zentrale Rolle, denn sie tragen einen entscheidenden Beitrag zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt bei und haben zusätzlich das Potenzial, diesen Anteil in den kommenden Jahrzehnten weiter zu steigern.
- Realitätsnahe Abbildung der Weltwirtschaft: Wenn du die gesamte Weltwirtschaft in deinem Portfolio abbilden möchtest, dann gehören Schwellenländer nun mal dazu.
- Politische Risiken: Einige Schwellenländer wirken durch autokratische Regime, heftige politische Umbrüche oder überraschende Regulierungsmaßnahmen unsicher. Diese politischen Unsicherheiten können zu Börsenschwankungen führen. Zudem können Schwellenländer auch als Konkurrenten für heimische Produkte gelten und durch Handelsstreitigkeiten können die Kurse nach unten gehen.
- Wirtschaftliche Instabilität: Neben strukturellen Problemen wie Korruption oder hohen Staatsschulden gibt es oft auch Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Reformen, die das Wirtschaftswachstum dauerhaft sichern könnten.
- Volatilität: Während die langfristige Entwicklung durchaus Chancen bietet, zeigen Schwellenländer-Indizes häufig starke Schwankungen. So erlebten sie zum Beispiel in den späten 1990ern und nach 2007 Phasen extremer Abwärtsbewegungen, gefolgt von Wiederaufschwüngen.
Für dich als Investor ist es wichtig, dass du die Vor- und Nachteile von Schwellenländern im Portfolio abwägst. Wenn du auf hohe Renditen hoffst, musst du ein gewisses Maß an Risiko in Kauf nehmen – während Stabilität und Sicherheit oft mit einem stärkeren Fokus auf entwickelte Märkte einhergehen.
Wie haben sich die Indices in der Vergangenheit entwickelt?
Ein zentraler Aspekt, wenn du darüber nachdenkst, ob du Schwellenländer in dein Portfolio aufnehmen solltest, ist die historische Entwicklung der entsprechenden Indizes. Wenn du den MSCI World – der ausschließlich aus Industrieländern besteht – mit dem MSCI Emerging Markets vergleichst, wird ein interessantes Bild sichtbar.
Betrachtest du den Zeitraum von Dezember 1987 bis Januar 2025, bekommt ein Investment in den MSCI Emerging Markets dank des langfristig höheren Wachstums einen Multiplikator von rund dem 28-fachen – während der MSCI World sich etwa 18-fach vermehrt hätte. Daran lässt sich ablesen: Über einen Zeitraum von mehr als 35 Jahren haben Schwellenländer durchaus große Renditepotenziale gezeigt.
Doch Achtung: Der Startzeitpunkt spielt eine zentrale Rolle bei solchen Simulationen. Seit 1994 zum Beispiel hat sich der Vergleich drastisch verändert: Hätte man 1994 investiert, so hätte sich das investierte Geld in den Schwellenländern nur verfünffacht – während der MSCI World das Investment sogar verzehnfachte. Langfristig haben Schwellenländer also durchaus performt, doch in den letzten Jahren (bezogen auf konkrete Zeiträume wie ab 2010) blieb deren Rendite hinter der von Industriemärkten zurück.
Welche Anlagestrategien gibt es?
Grundsätzlich gibt es verschiedene Wege, Emerging Markets sinnvoll in dein Portfolio zu integrieren – je nachdem, ob du aktiv in die Gewichtung eingreifen möchtest oder lieber auf einen ETF setzen möchtest.
Zwei der gängigsten Ansätze sind:
- Gewichtung nach Marktkapitalisierung: Jedes Land oder jede Region fließt in dein Portfolio mit einem Anteil ein, der dem jeweiligen Gesamtbörsenwert (also der Summe der Marktkapitalisierungen der dort notierten Unternehmen) entspricht. Das bedeutet, dass Industriestaaten mit großer Börsenpräsenz – wie die USA oder Japan – bei einem Weltindex stark gewichtet sind.
Der Nachteil: Die Marktkapitalisierung spiegelt nicht zwangsläufig die reale Wirtschaftskraft eines Landes wider. Beispielsweise kann ein Land mit vielen mittelständischen Unternehmen, die nicht an der Börse notiert sind, im Index unterrepräsentiert sein. - Gewichtung nach Bruttoinlandsprodukt (BIP): Hier stellst du die reale wirtschaftliche Stärke eines Landes in den Fokus. Mit dem BIP fließt die tatsächliche wirtschaftliche Leistung ein – selbst wenn nicht alle Unternehmen börsennotiert sind. Diese Methode führt zu einer stärkeren globalen Diversifikation und vermeidet häufig das Klumpenrisiko, das bei einer reinen Marktkapitalisierungs-Gewichtung entstehen kann.
Der Haken: Die Börse liefert die Rendite – und nicht die reale Wirtschaftsleistung. So kann selbst ein Land mit hoher BIP-Zahl wenig relevante börsennotierte Unternehmen haben, was sich negativ auf deine Rendite auswirken könnte.
Auf Basis dieser Ansätze empfehlen einige Experten eine Mischstrategie, die als 70/30-Regel bekannt geworden ist. Dabei wird bewusst ein etwas höherer Anteil an Emerging Markets in das Portfolio integriert, als es die bloße Marktkapitalisierungs-Gewichtung zulassen würde – um der gesamten Realwirtschaft Rechnung zu tragen. Doch wenn du dich nicht zu sehr mit der Frage der optimalen Gewichtung aufhalten möchtest, sind ein All-World-ETF (wie etwa der FTSE All-World oder der MSCI ACWI) eine gute Wahl. Diese enthalten in der Regel bereits einen gewissen Anteil an Schwellenländern (ca. 10–15%) und bieten dir so ein gutes Startpaket, ohne dass du ständig dein Portfolio rebalancen musst.
Performance ausgewählter MSCI ACWI ETFs
Name | YTD in % |
---|---|
ISIN IE00B6R52259 | +1,85 % |
ISIN IE00B44Z5B48 | +2,03 % |
ISIN IE000716YHJ7 | +1,83 % |
ISIN IE0000QLH0G6 | +1,84 % |
Quelle: finanzfluss.de/informer/etf/suche/
Gehören Schwellenländer noch ins Portfolio?
Abschließend stellt sich die Kernfrage: Solltest du Schwellenländer in dein Portfolio aufnehmen? Die Antwort ist nicht pauschal, sondern hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Bedenke dabei:
- Langfristige Perspektive: Emerging Markets haben über lange Zeiträume beeindruckende Renditen erzielt. Auch wenn in den letzten Jahren – je nach Startpunkt – der MSCI World eine Outperformance zeigte, gibt es Prognosen, die Schwellenländern wieder stärkere Wachstumschancen zuschreiben. Gerade Länder wie China oder Indien haben das Potenzial, in den kommenden Jahrzehnten wieder aufzuholen.
- Persönliche Risikotoleranz: Wenn du ein eher konservativer Anleger bist, der kurzfristige Schwankungen nicht so gut aushalten kann, kann ein niedrigerer Anteil an Schwellenländern sinnvoll sein.
- Diversifikation: Selbst, wenn Emerging Markets aktuell nicht die höchste Rendite liefern, können sie den Einfluss regionaler Krisen in den Industriestaaten abfedern. Gleichzeitig kannst du mit etwas Geduld womöglich von globalen Wachstumsimpulsen profitieren – die sich allerdings oft erst über mehrere Jahrzehnte entfalten.
- Strategische Gewichtung: Ob du einen One-ETF-Ansatz wählst oder mehrere Produkte kombinierst, ist Geschmackssache. Wichtig ist nur, dass du nicht in die Falle tappst, versucht zu sein, einzelne Marktbewegungen perfekt timen zu wollen. Eine kontinuierliche, langfristige Anlagestrategie ist auf Dauer der Schlüssel zum Erfolg.
Viele Diskussionen in unserer Community zeigen: Es gibt keine universell „richtige“ Strategie. Entweder du entscheidest dich dafür, mit einem All-World-ETF automatisch einen Schwellenländeranteil zu erhalten – oder du baust diesen gezielt über weitere Produkte auf. Wichtig ist, dass du an deiner Strategie festhältst und dein Portfolio regelmäßig überprüfst, um es den sich verändernden Gegebenheiten anzupassen.
Emerging Markets bieten dir als Investor vielfältige Möglichkeiten zur Diversifikation und haben langfristig durchaus ein enormes Wachstumspotenzial. Gleichzeitig bist du aber auch Schwankungen und politischen Risiken ausgesetzt – das ist aber bei jedem Investment der Fall. Es ist wichtig, dass du dir darüber im Klaren wirst, was deine persönlichen Ziele und deine Risikotoleranz sind.
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