Ein Teil von etwas Großem? Was der Handel mit Aktienbruchstücken wirklich bringt
Von der „Demokratisierung der Geldanlage“ und einem fairen Finanzmarkt, der jedem offen steht, wurde schon viel geschwärmt. Und seit ein paar Jahren weht an den Börsen dieser Welt tatsächlich ein anderer Wind: Längst tummeln sich hier nicht mehr nur gut betuchte Großinvestoren mit vollen Bankkonten, sondern auch ganz normale Leute, die im Monat mit 50€ oder weniger ihre Rente aufbessern wollen. Die wenigsten Broker erheben noch Depotgebühren, die Transaktionskosten sind auf ein Minimum gedrückt und dank einfacher App können wir mit ein paar Fingerswipes auf dem Smartphone einen neuen Sparplan abschließen. Dem Fintech Trade Republic aus Berlin reicht das scheinbar noch nicht. Die Macher des Brokers wollen die Finanzwelt noch gerechter machen. Seit Anfang Oktober können die Kunden des Brokers deswegen auch Aktienbruchstücke zu kaufen – und sich damit an Wertpapieren beteiligen, die normalerweise das Budget gesprengt hätten.
Wer zum Beispiel nicht gerade 1.830€ auf dem Konto liegen hat, um sich eine ganze Aktie der Online-Reiseagentur Booking.com zu kaufen (Stand 8.11.22.), kann jetzt auch nur halb so viel bezahlen oder gerade mal 10% des Preises – und sich lediglich einen Bruchteil der Aktie ins Depot holen. Man treibe damit „die Demokratisierung des Vermögensaufbaus für alle Menschen weiter voran“, kommentierte Trade Republic-Gründer Christian Hecker den neuen Service damals in der Pressemitteilung. Davon sind die Macher des Online-Brokers nach wie vor überzeugt: Teure Aktien seien einer der Hauptgründe, warum die Menschen nicht mit dem Investieren anfangen, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage von Finanzfluss. „Sie denken, dass sie große Summen investieren müssen, um dabei zu sein und erfolgreich anzulegen. Mit dem Handel von Aktienbruchteilen machen wir das Investieren jetzt noch zugänglicher für jeden.“
Neue Chancen bringt das Feature zweifelsfrei. Die Frage ist, ob Anleger sie auch ergreifen sollten. Denn der Handel mit Aktienbruchstücken hat so seine Besonderheiten.
Wie läuft der Kauf ab?
Deutschlandweit ist Trade Republic bislang der einzige Broker, der den Handel mit Aktienbruchstücken und Bruchstücken von ETFs in dieser Form anbietet. Anleger können jetzt eine Aktie oder einen ETF auswählen und anschließend ihren Wunschbetrag eintippen, den sie gern investieren würden. Der Broker berechnet daraufhin, wie vielen „Fractional Shares“ das bei dem jeweils geltenden Marktpreis entsprechen würde. Entschließt sich beispielsweise ein Anleger, sich mit 50€ an Tesla beteiligen zu wollen, entspräche das bei einem Kurs von 198,80€ nur ca. 0,25 Anteilen, also 25% einer Aktie. Wie viel ein Anleger investiert, ist ihm weitgehend freigestellt. Ein Euro muss es mindestens sein, nach oben hin gibt es keine Grenze.
Über Sparpläne kaufen Anleger bereits Bruchstücke
Bislang kannte man den Handel mit Bruchstücken nur von Sparplänen. Die gibt es inzwischen nicht nur für ETFs, sondern auch für Einzelaktien. Kunden können eine Wunschsumme festlegen, die der Broker fortan tranchenweise in das Wertpapier investiert. Neben der comdirect bietet beispielsweise auch der Neobroker Scalable Capital diese Option. Auch Trade Republic hat seit Sommer rund 2.500 Aktien-Sparpläne im Programm. Im Grunde können Anleger also schon seit Längerem mit Bruchstücken handeln. Nur geht das jetzt eben ohne Sparplan und umfasst im Falle von Trade Republic nunmehr rund 7.000 Aktien.
Wer Aktien „fraktioniert“ kauft, zahlt für jede Transaktion weiterhin die gleichen Gebühren für eine Order. Trade Republic zieht für jeden Kauf und Verkauf einen Euro Gebühr ein – ganz egal, ob nun 3.000€ auf einmal investiert werden oder lediglich 2€.
Auch Dividende kommt anteilig an
Mit der Höhe der Investition reduziert sich logischerweise auch der Anspruch auf Dividende.
„Die vermögenderen Kunden sind nicht bevorteilt“
Thomas Soltau, Vorstand der Smartbroker AG, die den gleichnamigen Online-Broker betreibt, sieht in dem Handel mit Bruchstücken sogar einen echten Gewinn für die Aktienkultur. „Alle Anleger erhalten auch in der Praxis den gleichen Zugang zu Wertpapieren und die vermögenderen Kunden sind nicht bevorteilt“. Smartbroker selbst hat den Service aber nicht im Programm, zumindest noch nicht. Grundsätzlich spreche nichts dagegen, sagt Soltau. Zwar bedeute die Einführung für den Broker Mehrkosten und auch einen Mehraufwand. Gleichzeitig eröffne ein entsprechendes Angebot aber auch eine „breitere Zielgruppe“, was wiederum zu mehr Transaktionen führe. Und die bedeuten für einen Broker am Ende höhere Einnahmen. „Unsere Infrastruktur sieht ein solches Produktangebot derzeit noch nicht vor“. Mittelfristig könne sich das aber ändern, sagt Soltau.
Beim Münchener Neobroker Scalable Capital ist man dagegen eher skeptisch, ob es den Handel mit Bruchstücken wirklich braucht. Aus Sicht des Fintechs genügen die Aktien-Sparpläne, mit denen sich ja bereits Fractional Shares erwerben lassen. „Uns ist wichtig, im Interesse der Kunden und Kundinnen zu handeln“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. „Für die üblicherweise kleinen Bruchstück-Orders halten wir einen gebührenfreien Sparplan, der ab einem Euro bespart werden kann, für sinnvoller. Weiterer positiver Nebeneffekt: Auch die Incentivierung – nämlich die Gewohnheit des Sparens – wird dadurch gefördert.“
Die Zukunft des Investierens?
Für die Berliner Konkurrenz Trade Republic ist das neue Feature allein schon wegen der Benutzerfreundlichkeit die Einführung wert gewesen „Wir sind überzeugt, dass Investitionen mit einem festen Budget anstelle einer festgelegten Anzahl an Aktien die Zukunft des Investierens sind“, so eine Sprecherin des Fintechs. Die Geldanlage würde dadurch „intuitiver“.
Für den Gesetzgeber scheint der Handel mit Teilaktien bislang noch Zukunftsmusik zu sein. An der Börse jedenfalls ist nach wie vor nur der Kauf ganzer Aktien erlaubt. Broker wie Trade Republic müssen deswegen einen Umweg gehen, um ihren Kunden auch Bruchstücke verkaufen zu können. Sie treten sozusagen als Zwischenhändler auf und erwerben auf eigene Rechnung ganze Aktien an der Börse. Anschließend teilen sie diese auf, um sie Bruchstückkäufern ins Depot buchen zu können. Die Anleger handeln also nicht direkt an der Börse, sondern quasi mit Trade Republic. Genau wie beim normalen Aktienkauf können Anleger ihre Bruchstücke jederzeit an den Broker zurückgeben beziehungsweise liquidieren.
Bruchstücke sind Sondervermögen
Bedeutet das nicht automatisch ein höheres Risiko für die Anleger, die dadurch in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Broker stehen? Was passiert, wenn dieser pleitegeht? Trade Republic-Kunden müssen einen Totalverlust wegen Insolvenz nicht fürchten. Denn auch wenn sie die Aktienbruchstücke nicht direkt an der Börse erwerben, sondern von Trade Republic, werden sie zu Miteigentümern, erklärt das Unternehmen auf Nachfrage. Die Aktien werden also nicht nur im Depot abgebildet, beispielsweise über Derivate. „Der Kunde erhält über Aktienbruchstücke immer echtes Miteigentum an den Stücken im Sammelbestand“, versichert Trade Republic. So zählen die Bruchstücke – genau wie ganze Aktien – zum Sondervermögen, werden also getrennt vom Kapital des Brokers verwahrt und sind damit vor dem Zugriff eines Insolvenzverwalters geschützt. „Es ergeben sich insoweit also keine Unterschiede zu der Verwahrung von ganzen Akten, die allein einem Kunden zustehen.“
Kein Stimmrecht, kein Schokokoffer
Mit nur einer halben Volkswagen-Aktie im Depot ist auch kein Besuch der Hauptversammlung möglich. Das Stimmrecht liegt beim Kauf von Bruchstücken nämlich beim Broker, also beispielsweise bei Trade Republic. Denn auch ins Aktienregister können per Gesetz nur ganze Aktien eingetragen werden. Daher fungiert offiziell auch nach dem Verkauf der Broker oder die Depotbank als Inhaberin der Aktien. Erst wenn die Summe aller Bruchstücke in einem Depot wieder eine ganze Aktie ergibt, wird der Anleger im Aktienregister vermerkt – und ist damit stimmberechtigt.
Der Verzicht aufs Stimmrecht bewirkt in vielen Fällen auch, dass Anleger auf sogenannte Sachdividenden verzichten müssen. Wenn also beispielsweise der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli alle Jahre wieder seine begehrten Schokoladenkoffer an treue Aktionäre verschenkt, dann nur an jene, die auch bei der Hauptversammlung erschienen sind. Im Falle von Trade Republic ist dies aber ohnehin nur ein theoretisches Szenario, denn schweizerische Aktien sind hier gar nicht handelbar. „Falls die Sachdividende an den Besuch der Hauptversammlung geknüpft ist, kann sie für Bruchstücke nicht eingelöst werden, sondern nur für volle Stücke“, bestätigt Trade Republic. „Wenn Sachdividenden in Form von neuen Aktien passieren, werden sie auf die Bruchteile umgeschlüsselt.“
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Bruchstücke sind eher ein Risiko für den Broker
Dass Trade Republic mit seiner Bruchstücke-Innovation am Markt bislang allein dasteht, ist bei näherem Hinsehen gar nicht mal so überraschend. Denn so ein Service lässt sich nicht von heute auf morgen einrichten. Der Bruchstückehandel sei nicht nur mit einem Mehraufwand und Mehrkosten für den Broker verbunden, der die technologische Grundlage für den Service bereitstellen muss, sagt Thomas Soltau von Smartbroker. Es gebe auch „gewisse Risiken“ für den Broker. Schließlich könne auch der Broker nur ganze Aktien an den Handelsplätzen kaufen und verkaufen. „Wenn ein Kunde 0,3 Anteile einer bestimmten Aktie kauft, muss der Broker die restlichen 0,7 Stück übernehmen, damit der Kauf überhaupt zustande kommen kann“. Bruchstücke lassen sich an der Börse auch nicht verkaufen, deswegen müsse der Broker warten, bis er „selbst wieder ein ganzes Stück zusammen hat, um dieses dann verkaufen zu können“. In der Zwischenzeit könne sich der Preis natürlich auch negativ verändern, sagt Soltau. „Bei einem Wertpapier und einem Bruchstück ist das Risiko überschaubar, jedoch gilt diese Mechanik auch bei jedem weiteren Wertpapier, sodass dadurch beachtliche Summen zusammenkommen können.“
Animiert das neue Feature zum Traden?
Man könnte auch fragen, ob die neuen Freiheiten bei Trade Republic wirklich so förderlich für die Aktienkultur sind wie behauptet. Je kleiner die Schwelle zum Kauf von Einzelaktien ist, desto größer ist letztlich die Wahrscheinlichkeit, dass sich Privatanleger auf spekulative Kurswetten einlassen. Animiert der Handel mit Bruchstücken also vielleicht passive Investoren zu, Teile ihrer Altersvorsorge in riskanten Trading-Sessions zu verjubeln? Trade Republic sieht das verständlicherweise nicht so. Im Gegenteil, das Risiko verringere sich durch Bruchstücke eher noch. „Mit Aktienbruchteilen ermöglichen wir den Kunden, ihr Portfolio innerhalb ihres individuellen Budgets viel weiter zu diversifizieren“, so eine Sprecherin. „Beim vollständigen Aktien- oder ETF-Handel entspricht die Mindestanlage immer dem Preis eines kompletten Anteils, was bedeutet, dass viele Anleger gezwungen sind, alles auf eine Karte zu setzen.“ Am Ende führe das zu einem höheren Risiko fürs Portfolio. „Mit dem neuen Angebot können Anleger in jede beliebige Tranche einer Aktie oder eines ETF investieren und somit das Risiko breiter streuen.“
Auch bei Smartbroker teilt man solche Befürchtungen nicht. „Wenn der Bruchstückhandel nicht angeboten wird, weichen die entsprechenden Kunden vermutlich auf niedrigpreisige Wertpapiere aus oder handeln bewusst weniger diversifiziert, was aber grundsätzlich risikoreicher ist.“ Die comdirect schließt zumindest nicht aus, dass der Handel mit Bruchstücken zum Traden animieren könnte. „Allerdings halten wir das nicht für realistisch“, sagt Pressesprecher Thomas Kleyboldt.
Neue Freiheiten, neue Risiken
Bruchstücke von Aktien bedeuten für Anleger also zweifelsohne neue Freiheiten – und schafft gewisser weise tatsächlich mehr Gerechtigkeit. Es gibt schließlich keine Aktien mehr, die unerreichbar bleiben müssen, weil sie extrem hoch bewertet sind.
Abgesehen davon, dass passive Anleger, die weder Stockpicking noch Market Timing betreiben, diesen Vorteil schon seit Jahren genießen, weil sie mit ETF-Sparplänen in nahezu alle denkbaren Aktien investieren, sollten sich Anleger zweimal überlegen, wie stark sie die neue Option von Trade Republic nutzen möchten. Denn selbst wenn durch die Bruchstücke am Ende 40 oder 50 verschiedene Aktien im Depot landen, die man sich vorher nicht hätte leisten können, macht das allein noch keine ausreichend gestreute Basis, um sich eine solide Alterssicherung zu schaffen. Natürlich spricht nichts dagegen, einen kleinen Teil des eigenen Ersparten auch mal in einen Einzeltitel zu investieren, solange der Großteil breit diversifiziert investiert wurde.
Die neue Freiheit an der Börse hat ihren Preis: Bruchstücke lassen sich nicht von einem Broker zu einem anderen übertragen, müssen im Notfall also verkauft werden. Bruchstücke-Eigentümer besitzen außerdem kein Stimmrecht und damit das Recht, über bestimmte Entscheidungen der Geschäftsführung abzustimmen. Beachten sollten Anleger auch die Kosten, die sich je nach Kaufverhalten auf hohe Beträge summieren können. Trade Republic verlangt nur einen Euro und damit prinzipiell wenig für die Ausführung einer Order. Animiert das Kaufen von Bruchstücken jedoch dazu, Aktien zu sehr kleinen Beträgen zu kaufen, sind die Gebühren dadurch verhältnismäßig hoch. Und je öfter investiert wird, desto häufiger fällt dieser Betrag an. Wer 50 Mal zehn Euro in Bruchstücken anlegt, hat am Ende 500€ investiert - und 50€ an Transaktionsgebühren dafür bezahlt: Die Rendite wird also schon mal um 10% geschmälert – spätere Verkaufsgebühren kommen noch hinzu.
Kommentare (6)
A
Anonym
sagt am 03. Mai 2024
Also weil ich kein Schoko Koffer von Lindt als sachdividende kriege, bin ich im Nachteil? Okay.
J
Jakob
sagt am 02. Dezember 2022
Ich finde es super. Ich hab TR zum zocken mit Bruchstücken und ganzen Aktien und SC für meine ETFs. Viele Aktien sind immens teuer und so kann man mit einem geringeren Beitrag etwas mitzocken
D
David
sagt am 20. November 2022
Danke für den Beitrag. Trade Republic ist aber mitnichten der erste Broker, der Teilaktien anbietet? Den Trend hat Interactive Brokers etabliert und damit haben ihn Introducing Broker wie LYNX und CapTrader schon länger im Angebot. Einige kleinere Broker ebenfalls. Es gibt ein paar weitere Vor- und Nachteile von Fractional Shares: https://onlinebroker-news.de/in-teilaktien-investieren-was-du-zu-fractional-shares-wissen-musst/
P
Paul
sagt am 15. November 2022
Beim Handel mit Bruchstücken kann ich mein Geld voll einsetzen. Ich handel so bereits schon seit einem Jahr über LYNX. War ein bischen verwundert, warum Trade Republic hier als Vorreiter genannt wird, wo es diese funktion schon länger gibt und ich spreche nicht über Sparpläne.
t
testtetsteettt
sagt am 14. November 2022
Ich finde die Entscheidung auch Bruchstücke handeln zu können nicht so schlecht. Bis jetzt stand man ja bei hochpreisigen Aktien immer vor dem Problem über- oder unterschreite ich mein gesetztes Budget. Wollte man aus welchen Gründen auch immer z.B. 1000 EUR in einen Titel investieren wo die Aktie 700 EUR kostet ist man deutlich über oder unter seinem eigentlichen Budget, was das Balancing nicht gerade einfacher macht. Ich selbst hab Bruchstücke vor einiger Zeit schon mal über den "Hack" Aktiensparplan gekauft. Einfach nur 1malig ausführen lassen. Ja Stimmrechte und nicht übertragbarkeit von Bruchstücken ist ein Nachteil, aber juckt mich ehrlich gesagt nicht. Ist ja bei ETF Sparplänen auch nicht anders.
H
Hans Wurst
sagt am 11. November 2022
Ich finde die Entscheidung auch Bruchstücke handeln zu können nicht so schlecht. Bis jetzt stand man ja bei hochpreisigen Aktien immer vor dem Problem über- oder unterschreite ich mein gesetztes Budget. Wollte man aus welchen Gründen auch immer z.B. 1000 EUR in einen Titel investieren wo die Aktie 700 EUR kostet ist man deutlich über oder unter seinem eigentlichen Budget, was das Balancing nicht gerade einfacher macht. Ich selbst hab Bruchstücke vor einiger Zeit schon mal über den "Hack" Aktiensparplan gekauft. Einfach nur 1malig ausführen lassen. Ja Stimmrechte und nicht übertragbarkeit von Bruchstücken ist ein Nachteil, aber juckt mich ehrlich gesagt nicht. Ist ja bei ETF Sparplänen auch nicht anders.
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