Was passiert, wenn meine Versicherung pleitegeht?
Eine Versicherung kann Stress im Alltag reduzieren. Wenn die Kaffeetasse über dem Laptop auskippt oder das Fahrrad gestohlen wird, ist das nicht direkt ein riesiges Drama. Dann greift der Versicherungsschutz. In manchen Fällen passiert aber genau das Gegenteil, da verursacht die Versicherung sogar Stress. Zum Beispiel dann, wenn sie pleitegeht. So wie es bei der Element Insurance AG passiert ist.
Aber was ist zu tun, wenn die eigene Versicherung plötzlich keine Sicherheit mehr bietet? Und wie wahrscheinlich ist so eine Pleite überhaupt? Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Element Insurance AG und darüber hinaus.
Der Fall Element Insurance AG
Die Unternehmensgeschichte des Insurtechs hatte 2017 ziemlich vielversprechend begonnen. Schon kurze Zeit nach der Gründung in Berlin erhielt das Versicherungs-Start-up eine Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und galt als erster volldigitaler Versicherer Deutschlands. Das junge Unternehmen sammelte Investorengelder in Millionenhöhe ein, unter anderem vom Versicherungskonzern Signal Iduna. Zu den Unterstützern zählte auch das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin (VZB), das noch heute maßgeblich an Element beteiligt sein soll.
Aber was ist dann schiefgelaufen? Um das zu verstehen, hilft ein Blick auf das Geschäftsmodell von Element. Das Insurtech arbeitete als sogenannter White-Label-Anbieter und entwickelte Versicherungsprodukte, die verschiedene Partner dann jeweils über ihre Marke verkauften. Unterstützt wurde das Geschäftsmodell von Rückversicherern. Die übernehmen einen Teil der finanziellen Last, funktionieren also wie eine Versicherung für Versicherungsunternehmen. Auf diesen Rückhalt war Element besonders angewiesen, weil es bisher noch keine eigenen Gewinne verzeichnete.
Die finanzielle Abhängigkeit wurde dem Start-up allerdings zum Verhängnis, als sein Rückversicherer, die Hannover Rück, im Dezember die Verträge mit Element kündigte. Zu den Gründen möchte sich das börsennotierte Unternehmen auf Anfrage nicht im Detail äußern. Es ist aber nicht außergewöhnlich, dass Rückversicherungsverträge nur für die Dauer von einem Jahr geschlossen werden. Offenbar kam es für Element nach der Kündigung der Hannover Rück nicht mehr infrage, sich um einen neuen Rückversicherer zu bemühen. Das Start-up meldete im Dezember Überschuldung bei der Bafin an, woraufhin die Aufsicht den Insolvenzantrag stellte.
Was das für Betroffene bedeutet
Erst einmal ist es wichtig, dass alle von der Element-Pleite Betroffenen sich überhaupt bewusst werden, dass sie zu diesem Kreis gehören. Denn, wie bereits erwähnt, taucht Element Insurance als White-Label-Anbieter in den Vertragsunterlagen vieler Produkte nicht wirklich prominent auf. Dafür ist ein Blick ins Kleingedruckte notwendig, im Zweifelsfall hilft auch eine Anfrage beim jeweiligen Versicherungspartner weiter. Vom Ausfall der Element Insurance sind laut Stiftung Warentest Policen für Fahrrad-, Wohngebäude-, Unfall- und Handyversicherungen betroffen. Aber auch bei einigen Produkten in den Bereichen Hausrat, Privathaftpflicht und Tierversicherungen soll Element Risikoträger gewesen sein.
Zu den Partnern der Element Insurance AG gehören unter anderem:
- Autoprotect
- Asspario
- Die Bayerische
- Direkt-AS
- Friday
- Hepster
- Manufaktur Augsburg
- Panda
- Schutzgarant
Wer tatsächlich eine Versicherung abgeschlossen hat, hinter der die Element Insurance AG steht, erhält aktuell im Schadensfall keine Zahlungen mehr. Im vorläufigen Insolvenzverfahren soll das übrige Vermögen des Unternehmens gesichert werden, deshalb darf kein Geld mehr abfließen. Das Sicherungsvermögen soll später dazu genutzt werden, die offenen Ansprüche der Kundinnen und Kunden zu befriedigen. Versicherte haben im endgültigen Insolvenzverfahren nämlich einen vorrangigen Anspruch darauf, dass ihre offenen Forderungen aus der Insolvenzmasse gezahlt werden. Zumindest in der Theorie. Denn ob das Vermögen ausreicht, um alle bereits gemeldeten und künftigen Schäden der laufenden Verträge zu decken, ist laut der Bafin zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar. Sollte das Vermögen nicht ausreichen, werden die Ansprüche nur anteilig erstattet und auch das kann sich hinziehen.
Ein Sonderkündigungsrecht haben Betroffene durch die vorläufige Insolvenz erst einmal trotzdem nicht, alle laufenden Element-Verträge bleiben formal bestehen. Zumindest so lange die Bafin gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Element-Vorstand noch prüft, ob das Versicherungsportfolio auf einen anderen Versicherer übertragen werden kann. Wenn das nicht gelingt, wird das endgültige Insolvenzverfahren eingeleitet. Erst dann enden alle laufenden Element-Verträge automatisch nach einem Monat. Aktuell sieht es so aus, als könnte das endgültige Insolvenzverfahren im Februar beginnen.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt betroffenen Kundinnen und Kunden aber dringend, nicht so lange zu warten und sich schnellstmöglich einen neuen Versicherungstarif zu suchen. Vor allem bei Policen, die potenziell hohe Schäden abdecken sollen, wie Haftpflicht- und Hausratversicherungen. Einige der betroffenen Verträge haben ein tägliches Kündigungsrecht, wodurch ein besonders schneller Wechsel möglich ist. Manche Versicherungspartner von Element prüfen derzeit, ob ein neuer Risikoträger die laufenden Verträge übernehmen kann. Für Kundinnen und Kunden bedeutet das aber möglicherweise eine Beitragserhöhung. Es ist also ratsam, sich selbst auf die Suche nach einem geeigneten Tarif zu machen. Wer durch einen Wechsel vor Beginn des endgültigen Insolvenzverfahrens nun doppelte Beiträge zahlt, kann den Verlust theoretisch beim Insolvenzverwalter geltend machen. Ob dabei etwas herausspringt und wann das sein wird, ist allerdings unklar.
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Kann das auch bei anderen Versicherungen passieren?
Wer nicht selbst von der Element-Pleite betroffen ist, aber Angst hat, zukünftig in die gleiche Situation zu kommen, kann durchatmen. Das sagt zumindest Sandra Klug, Juristin und Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Sie meint, es gebe keinen Grund, in Panik zu verfallen. „Fälle wie der, der Element Insurance AG sind extrem selten!“. In ihrer langjährigen Laufbahn habe sie bisher keine andere Pleite eines Sachversicherers erlebt. Die Insolvenz der Element Insurance sollte man auch nicht auf die gesamte Versicherungsbranche projizieren, die stehe „sehr stabil da“, so die Expertin. Außerdem gebe es in Deutschland ein gut funktionierendes Sicherungssystem.
Ob eine Versicherung pleitegehen kann, wie wahrscheinlich das ist und was dann passiert, hängt von der Art der Versicherung ab. Sachversicherer wie die Element unterliegen strengen Vorschriften der Bafin. Die Versicherer müssen Geld für den Schadensfall zurücklegen und ihr Vermögen besonders sicher anlegen. So soll auch im Fall einer Pleite noch genug Insolvenzmasse vorhanden sein, um alle Ansprüche der Kundinnen und Kunden zu decken. Ob das im Fall der Element gelingt, ist aktuell zwar noch unklar. Immerhin haben aber die vorgeschriebenen Abläufe funktioniert: Das Unternehmen hat die Überschuldung zügig gemeldet und die Bafin hat das Insolvenzverfahren eingeleitet.
Fälle wie der, der Element Insurance AG sind extrem selten!Sandra Klug, Verbraucherzentrale Hamburg
Bei Lebensversicherungen greift ein Sicherungsfonds
Bei Lebensversicherungen funktioniert der Sicherungsmechanismus anders. Hier gibt es einen gesetzlich vorgeschriebenen Pleiteschutz: den Sicherungsfonds der Versicherungswirtschaft, genannt Protektor AG. Im Fall einer Pleite übernimmt Protektor die Verträge der insolventen Versicherer. Sollte das Vermögen des Sicherungsfonds nicht ausreichen, springen dessen Mitglieder ein und schießen Geld nach. Nur in extremen Fällen müssen Versicherte auf bis zu 5% ihrer Ansprüche verzichten. Bisher musste Protektor erst einmal einspringen, nämlich 2003 bei der Mannheimer Lebensversicherungs-AG.
So sind Krankenversicherungen abgesichert
Ähnlich funktioniert der Sicherungsfonds Medicator AG für substitutive private Krankenversicherungen. Welche Produkte genau von den Fonds abgedeckt sind und welche nicht, führt die Bafin auf ihrer Website auf.
Theoretisch können auch gesetzliche Krankenversicherer pleitegehen. Doch auch hier greift ein Sicherungsmechanismus, sodass für laufende medizinische Behandlungen weiterhin Versicherungsschutz besteht. Versicherte können im Fall einer Pleite innerhalb einer mehrwöchigen Frist eine neue gesetzliche Krankenkasse wählen. Falls es noch offene Ansprüche gegenüber der insolventen oder geschlossenen Krankenkasse gibt, die nicht über das übrige Vermögen gedeckt werden können, verteilt der Spitzenverband Bund die Kosten auf alle Krankenkassen. Als staatliche Aufsichtsbehörde ist das Bundesamt für Soziale Sicherung dafür zuständig, die Finanzen der Krankenversicherer regelmäßig zu prüfen.
Wie bin ich vor Pleiten sicher?
Pauschal ist diese Frage schwer zu beantworten, weil die Ursachen für eine Pleite ganz unterschiedlich sein können. Ein Versicherungsunternehmen kann durch eigenes Verschulden und Misswirtschaft in Schieflage geraten. Es können aber auch externe Faktoren verantwortlich sein, die genauso schwer vorhersehbar sind. Wo das Problem lag, erfährt die Öffentlichkeit meistens erst, wenn die Insolvenz bereits aufgearbeitet und abgewickelt ist. Grundsätzliche Skepsis vor jungen Unternehmen oder modernen Versicherungskonzepten hält Sandra Klug jedenfalls nicht für die richtige Strategie.
Stattdessen gelte, wie bei allen Konsumentscheidungen: Erst informieren und dann kaufen. „Sich nur auf ansprechende Instagram-Werbung zu verlassen, ist bei der Wahl der Versicherung natürlich nicht zu empfehlen“, sagt die Expertin. Sie rät stattdessen zu seriösen Internetquellen wie Stiftung Warentest oder einer unabhängigen Versicherungsberatung. Es sei darüber hinaus ratsam, den eigenen Versicherungsbedarf immer wieder kritisch zu prüfen, so Klug: „Es ist gut, regelmäßig abzuwägen, brauche ich denn tatsächlich so etwas wie eine Handyversicherung?“. Helfen kann dabei dieses Gedankenexperiment aus der Finanzfluss-Redaktion: Wenn einer meiner Versicherungstarife durch eine Insolvenz gefährdet ist, wie viel Stress verursacht das bei mir? Eher wenig, bis gar keinen? Dann ist es vielleicht an der Zeit, diese Versicherung zu überdenken.
Kommentare (1)
T
Till
sagt am 01. Februar 2025
Was ist mit Berufsunfähigkeitsversicherungen? Die sind ja zum einen sehr wichtig und müssen ggf. über Jahrzehnte leisten. Da habe ich mich auch schon gefragt, was eigentlich passiert, wenn die Versicherung pleite geht und ich eigentlich noch jahrelang Ansprüche habe. Bzw. was ist mit meinen Beiträgen, wenn ich jetzt bis ich 60 bin bezahle, dann die Versicherung pleite geht und ich erst danach berufsunfähig werde? Alles für die Katz?
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