Die Weltbank, der umstrittene Milliarden-Finanzier
Ist die Krise das neue Normal? Mit Blick auf die vergangenen drei Jahre sieht es fast danach aus. Pandemie, Krieg und Inflation reihten sich mehr oder weniger nahtlos aneinander, ohne eine Verschnaufpause zu gewähren. Die Krise scheint zum Dauerzustand geworden zu sein. Und zwischen all solchen Erschütterungen begegnet einem eine Institution immer öfter in den Medien: die Weltbank. Sie ist ein internationaler Milliarden-Finanzier, gigantischer Kreditgeber und zugleich einer der größten Kreditnehmer der Welt. Wer oder was steckt hinter der Weltbank, woher nimmt sie ihr ganzes Geld und ist sie wirklich so undemokratisch, wie viele meinen?
Mehr Genossenschaft als Bank
Man möchte sich bei dem Namen „Weltbank“ ein prunkvolles Gebäude vorstellen, vielleicht mit römischen Säulen vor dem Eingang, das irgendwo hoch oben auf einem Berg thront und alles Geld der Welt verwaltet. Nun, auf einem Berg thront die Weltbank nicht, stattdessen in den stickigen Straßen von Washington, D.C. Dafür hantiert sie tatsächlich jedes Jahr mit Unmengen an Geld.
Die Weltbank ist keine klassische Bank mit Automaten und Privatkunden, die Bausparverträge abschließen, sondern eine sogenannte Entwicklungsbank. Ihr Ziel besteht kurz gesagt darin, Entwicklungs- und Schwellenländer wirtschaftlich zu fördern. Das war nicht immer ihre Kernklientel: 1944 wurde sie geschaffen, um dem vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Europa wirtschaftlich unter die Arme greifen zu können. Dazu ist die Weltbank keine einzelne Institution, sondern vielmehr Teil eines Zusammenschlusses aus gleich fünf Organisationen, der Weltbankgruppe. Neben der Weltbank im engeren Sinne, deren offizieller Name „International Bank for Reconstruction and Development“ (IBRD) lautet, gehört dazu beispielsweise auch die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA).
Weltbank gehört 189 Mitgliedstaaten
Das eigentliche Fundament der Weltbank bilden ihre Anteilseigner: 189 Mitgliedstaaten aus der ganzen Welt haben Anteile an der Institution und sind damit deren Eigentümer. Deutschland ist seit 1952 Mitglied und mit 4,3% Anteil (Stand: Juni 2022) einer der größten Kapitalgeber.
Auf Platz 1 der größten Anteilseigner rangieren seit jeher die USA. 2022 besaßen sie nach Angaben der Weltbank knapp 16,7% der Anteile, gefolgt von Japan (7,8%), China (5,6%), Deutschland (4,3%) und Frankreich (4,1%). Die Top-5-Kapitalgeber sind gleichzeitig die Mitglieder mit dem größten Einfluss auf die Entscheidungen der Weltbank. Will heißen: Sie haben im Wesentlichen das Sagen darüber, wie die Weltbank Mittel vergibt. Denn der Anteil der Stimmrechte in den Exekutivorganen bemisst sich an der Wirtschaftskraft des Staates. Je generöser ein Staat, desto eher landen die eigenen Leute im sogenannten Exekutivdirektorium, das über die laufenden Geschäfte entscheidet. Über Kreditvergaben, Finanzfragen, Projekte und Maßnahmen.
Voting-Power der sechs größten Anteilseigner der Weltbank
Das Exekutivdirektorium umfasst 25 Mitglieder, von denen wiederum fünf von den fünf wirtschaftsstärksten Mitgliedern ausgewählt werden. Die restlichen 20 Direktoren werden von den übrigen Mitgliedstaaten gewählt. So ist es auch kein Zufall, dass in der gesamten Geschichte der Weltbank die USA den Vorsitzenden stellten. Seit diesem Sommer steht Ajaypal „Ajay“ Singh Banga an der Spitze der Weltbank. Der indisch-amerikanische Manager und Ex-Vorstandschef von Mastercard wechselte ins Präsidentenamt, nachdem sein Vorgänger David Malpass nach vier Jahren überraschend zurückgetreten war.
Kredite statt Spenden
Ging es der Weltbank nach Ende des Zweiten Weltkriegs vornehmlich um den Wiederaufbau von Städten und Straßen, rückten mit den 60er-Jahren die Entwicklungs- und Schwellenländer in den Fokus der Institution. Formuliertes Ziel ist bis heute, die Lebensbedingungen von weniger entwickelten Mitgliedstaaten zu verbessern. Neben dem Thema Infrastruktur spielen inzwischen auch die Bereiche Ernährung, Gesundheit und Umweltschutz eine große Rolle. Zum Erreichen ihrer Ziele setzen die Organisationen der Weltbank-Gruppe zum Teil auf Beratung, vorrangig aber auf finanzielle Hilfen.
Vergangenes Jahr etwa flossen mehr als 100 Mrd. USD als finanzielles Engagement für Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. Doch handelt es sich bei den Mitteln nicht einfach um Spenden oder Geldgeschenke. Die Weltbank stellt primär Finanzierungsinstrumente bereit. Sie oder genauer gesagt ihre einzelnen Organisationen vergeben Kredite zu günstigen Konditionen und teilweise zinslos, fördern ausländische Direktinvestitionen oder schlichten auch mal Streitigkeiten zwischen Regierungen und potenziellen Investoren aus dem Ausland. Einen Teil des Engagement machen Kapitalbeteiligungen und Zuschüsse aus.
Nicht zu verwechseln mit dem IWF
Damit grenzt sich die Weltbank vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ab, der zwar damals im selben Zuge erschaffen wurde und ebenfalls der Förderung finanzschwacher Staaten dienen soll. Anders als die Weltbank gewährt der IWF aber in erster Linie kurzfristige Kredite, um den Mitgliedern durch Währungs- oder Finanzkrisen zu helfen. Derweil die Maßnahmen der Weltbank vorwiegend auf die Finanzierung der Realwirtschaft abzielen.
Allein im Jahr 2022 steckte die Weltbank laut jüngstem Jahresbericht die Rekordsumme von knapp 71 Mrd. USD in die Finanzierung von Vorhaben. Die International Finance Corporation als Teil der Weltbankgruppe machte Zusagen in Höhe von knapp 33 Mrd. USD an den Privatsektor. Doch worin fließt das Geld genau? Priorität haben etwa die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, die Beseitigung von Konflikten und Gewalt, die Herstellung von Gleichberechtigung sowie der Kampf gegen den Klimawandel. Dabei floss der Löwenanteil der Weltbank-Mittel mit 38,5 Mrd. USD im vergangenen Jahr nach Subsahara-Afrika.
Finanzielles Engagement der Weltbank nach Regionen 2022
Die konkreten Projekte der Weltbank sind vielfältig und hängen immer vom aktuellen Geschehen ab. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 etwa stellte die Weltbank binnen sechs Monaten 13 Mrd. USD an finanziellen Hilfen bereit, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges abzufedern. Auch in vorherigen Krisen schaltete sich die Weltbank ein und mobilisierte etwa 1,62 Mrd. USD zur Bekämpfung der Ebola Krise im Jahr 2014. 2021 stellte sie Afghanistan Fondsmittel in Höhe von 280 Mio. USD bereit, um nach der Machtübernahme durch die Taliban die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung sicherzustellen.
Woher kommt das Geld?
Woher stammen die Milliardensummen, die die Weltbank jedes Jahr verleiht oder investiert? Sie setzen sich im Wesentlichen aus zwei Teilen zusammen.
Mittel sind teilweise Steuergelder
Auf der einen Seite zahlen die Anteilseigner der Weltbank jedes Jahr Mitgliedsbeiträge an die Institution. Im Bundeshaushalt 2023 etwa sieht das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aktuell 913 Mio. Euro als Ausgaben für die Weltbank vor und damit knapp 7,5% des BMZ-Haushalts. De facto wird ein Teil der Finanzierungen also mithilfe von Steuergeldern gestemmt. Doch ist das nur eine „Einnahmequelle“ der Weltbank. Den weit größeren Teil der Mittel besorgt sich die Sonderorganisation am Finanzmarkt, genauer gesagt: über die Ausgabe von Anleihen. Womit sie einer traditionellen Bank dann doch nicht mehr so unähnlich ist. 2022 beliefen sich die Schuldverschreibungen auf ein Gesamtvolumen von knapp 41 Mrd. USD.
Von Green Bonds bis Katastrophenanleihen
Die Weltbankgruppe beziehungsweise einige ihrer Organisationen finanzieren den Großteil ihrer Kredite, Darlehen und Investitionen also, indem sie sich selbst vorher Geld von Investoren leihen. Das heißt: Die Weltbank ist zugleich Kreditgeber und Kreditnehmer. Das Angebot an Schuldtiteln reicht von Green Bonds über strukturierte Schuldtitel mit integrierten Call- und Put-Optionen bis hin zu sogenannten Katastrophenanleihen. Letztere gab die Organisation beispielsweise 2018 aus, um Chile, Peru, Kolumbien und Mexiko vor der wirtschaftlichen Gefahr eines Erdbebens zu schützen. Katastrophen-Bonds, wie sie in ähnlicher Form auch während der Pandemie ausgegeben wurden, sind für Investoren ein hohes Risiko. Tritt die betreffende Katastrophe tatsächlich ein, erhalten die Anleihehalter ihren Einsatz nur teilweise oder gar nicht zurück.
Hinter den Schuldverschreibungen stehen die Kapitalzusagen der Mitgliedstaaten, die besichern die Anleihen. Das macht die Weltbank zu einem quasi-staatlichen Emittenten. Von Ratingagenturen wie Moody’s und S&P erhielt die Weltbank daher stets die Bestnote AAA.
Ist die Weltbank undemokratisch?
Man wird an der Vision der Weltbank (globale Armut bekämpfen) auf den ersten Blick nichts auszusetzen finden. Bis zum Jahr 2030 will die Organisation den Anteil der Menschen, die weniger als 2,15 USD pro Tag zur Verfügung haben und damit laut Weltbank-Definition als „extrem arm“ gelten, auf 3% senken. 2022 lebten 9% der Menschen unter diesen Bedingungen.
Doch so edel die Ziele der Weltbank sind, die Organisation kommt nicht ohne Feinde aus. Immer wieder kritisieren NGOs und Wissenschaftler sie für ihre Struktur, das ungleich verteilte Stimmrecht der Mitgliedstaaten und damit ihre von einigen wenigen wirtschaftsstarken Ländern dominierte Führung. Dass gerade wohlhabende westliche Staaten durch die Höhe ihrer Beiträge mehr oder weniger Entscheidungsgewalt über die Maßnahmen in Regionen wie Subsahara-Afrika haben, stößt dabei vielen Beobachtern sauer auf. Einige Kritiker zogen schon den Vergleich zur Apartheid in Südafrika.
Kritiker fürchten Interessenkonflikte
Andere werfen der Weltbank bzw. ihren Entscheidungsträgern vor, in erster Linie den eigenen Profit mehren zu wollen – und dafür die Belange der eigentlich bedürftigen Staaten auch mal getrost zu ignorieren. Umweltzerstörung, missachtete Menschenrechte und klimaschädliche Projekte wie die Finanzierung von Rohstoffprojekten zum Vorteil einiger Großkonzerne seien zum Teil die Folge solcher Interessenkonflikte, heißt es in den Niederschriften einiger NGOs. Stellenweise ist von intransparenten Mittelvergaben und Zwangsumsiedlungen die Rede. Zugleich wird der Weltbank immer wieder unterstellt, Länder mit Schulden zu belasten oder die Kreditvergabe an fragwürdige Bedingungen zu knüpfen. Zuletzt versammelten sich mehrere Geber-Staaten hinter der Forderung, die Weltbank möge sich stärker für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen. Die bisherigen Maßnahmen seien nur unzureichend.
Reformprogramm für Ende 2023 geplant
Es ist also umstritten, ob die Weltbank in ihrer jetzigen Formation eine sinnvolle Institution ist. So existieren inzwischen eine Reihe regionaler Alternativmodelle zur Weltbank: China, Südafrika, Russland, Indien und Brasilien etwa schlossen sich 2014 zur New Development Bank zusammen. In Asien existiert seit 2015 die Asian Infrastructure and Investment Bank und schon in den 1960ern gründeten mehrere afrikanische Länder die African Development Bank Group.
Immerhin: Die Weltbank zeigt durchaus Reformbereitschaft. Demnächst möchte sie mit ihrer sogenannten „Evolution Roadmap“ den Weg für eine neue, langfristige Strategie bereiten. Bis zur Jahrestagung im Oktober möchte sie ihre konkreten Vorschläge präsentieren. Dann wird sich zeigen, wie es für den Milliarden-Finanzier aus Washington weitergehen wird.
Kommentare (1)
S
Simon
sagt am 31. Juli 2023
Beschreibt gut zusammenfassend die Weltbank, sodass es gut verständlich aber auch umfassend genug ist. Ich hätte mir aber noch ein konkretes, detailliertes Beispiel eines Kredits gewünscht. Insgesamt informativer Bericht!!
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