Aktien kaufen in der S-Bahn: Wie riskant sind Trade Republic und Co.?
Johannes, 26 Jahre alt, grauer Hoodie und ein leichter Hang zu Anglizismen, sitzt in einem minimalistisch eingerichteten Kaffee und erzählt von seinen Erfahrungen mit dem Börsenhandel. Genauer gesagt: Von seiner Erfahrung mit Trade Republic, dem jungen Online-Broker, dem inzwischen mehr als 150.000 Kunden vertrauen. Johannes Urteil ist kaum überraschend: “Intuitiv, kostengünstig und super flexibel”, findet er die App, mit der sich in Sekundenschnelle Vermögen hin- und herschieben lassen. Auch Silvia (35), die gerade S-Bahn fährt, schwört auf die Einfachheit des Online-Brokers. Sie sind die Gesichter der Werbespots, die Trade Republic vor anderen Youtube-Videos schaltet - und die bestenfalls noch mehr junge Leute zum Börsenhandel bringen sollen.
Werbe-Slogans wie “Seit ich die Trade Republic App nutze, trade ich viel mehr” können aber auch zu bedenken geben. Es stellt sich die Frage: Verleiten die bequemen Online-Broker zur Zockerei?
Einstiegshürden gibt es kaum noch
Die Kosten marginal, das Design schlicht und einfach: Online-Broker wie Flatex, Smartbroker, Trade Republic und Scalable Capital sind sich optisch alle ziemlich ähnlich. Und: Sie alle bewegen immer mehr junge Erwachsene zum Investieren. Das ist eine gute Sache - war es doch selten wichtiger als heute, selbst fürs Alter vorzusorgen.
“Den Börsenhandel demokratisieren” - mit diesem Slogan hat das kalifornische Startup Robin Hood vor sieben Jahren den Markt der Smartphone-Broker eröffnet. Inzwischen handeln rund 13 Mio. Kunden über die Trading-App, und das völlig kostenlos. ETF-Sparpläne gibt es auch bei den beiden deutschen Pendants (Scalable und Trade Republic) umsonst. Beim Handel mit Einzelaktien, Derivaten und Optionsscheinen fallen zwar Kosten an - doch sind auch diese verschwindend gering. Mit nur einem Wisch über den Bildschirm ist die (womöglich hochspekulative) Aktie oder das Knock-Out-Zertifikat gekauft. Kurzum: Einstiegshürden gibt es bei den Neo-Brokern kaum noch.
Ein feiner, aber entscheidender Zusatz hebt den amerikanischen Neo-Broker allerdings von den deutschen Anbietern ab: Robin-Hood-Kunden können das eigene Depot endlos in die Miesen treiben, indem sie ganz einfach über einen Kredit handeln, den ihnen der Broker ausstellt. Hier ziehen Trade Republic und Co. eine Grenze: Um investieren zu können, muss zuvor ausreichend Guthaben eingezahlt werden.
Langfristig investieren heißt breit streuen
Und dennoch: Investieren über die schlanke Smartphone-App macht Spaß - viel mehr als über die graumelierten Websites diverser Direktbanken, auf denen man sich erst einmal durch lästige Erklärungen klicken muss, um einen farblosen Kursgraphen zu Gesicht zu bekommen.
Eines sollte jedoch vor allem der unerfahrene Anleger dabei immer vor Augen halten: Den Unterschied zwischen Investieren und Zocken. Ein Vermögen lässt sich langfristig nur mit einem breit gestreuten Portfolio aufbauen. Derivate, Einzelaktien mit kurzer Haltedauer oder auch Zocker-ETFs (dazu später mehr) sind reine Spekulation und haben mit Altersvorsorge nur wenig zu tun.
Auch wenn der spielerische Charakter von Broker-Apps darüber hinwegtäuschen mag, können vorschnelles Handeln, Gier und Leichtsinn schlimmstenfalls ganze Existenzen kosten.
ETFs - Anlagen für Angsthasen? Weit gefehlt.
ETFs: Für viele Anleger steht dieses Kürzel nicht für Exchanged Traded Funds, sondern als Synonym für Sicherheit. Die Anlageklasse für Hasenfüße sozusagen. Abgesehen davon, dass auch ein Investment in den MSCI World nicht gänzlich risikofrei ist, finden sich am Börsenmarkt etliche ETFs, die man schlichtweg als Zockerpapiere bezeichnen kann. Als da wären:
High-Yield-Bonds, oder auch: Junk Bonds
Wer über einen ETF Unternehmensanleihen kauft, investiert nicht zwangsläufig in die wirtschaftlichsten High-Performing-Firmen. Im Gegenteil: Hochzinsanleihen-Fonds wie der “ETF High Yield Corp Bond UCITS” bilden gerade solche Unternehmen ab, deren Bonität von einer der drei großen Ratingagenturen als “schlecht” beurteilt wurden. Das Ausfallrisiko bei solchen Anleihen ist entsprechend höher - auch wenn bei weitem nicht hinter jeder Hochzinsanleihe tatsächlich eine Ramsch-Firma steht.
Ebenfalls über einen Indexfonds handeln lassen sich sogenannte “Fallen Angels” - also einst profitable Unternehmen, die durch eine Krise oder ein Ereignis “gefallen” sind und nun schlechter bewertet werden. Der “Fallen Angels High Yield Corporate Bond UCITS” ist zum Beispiel so ein ETF.
Gehebelte ETFs: Doppelter Einsatz, doppelter Gewinn?
Mit kleinem Kapital hohe Gewinne erzielen - davon träumt wohl jeder Investor. Gehebelte Investments versprechen genau das - können den Anleger aber auch genauso schnell in die Miesen treiben. Es wird mit zweifacher Stärke gehandelt und so die zu erwartende Rendite in die Höhe geschraubt.
Doch so steil wie es mit den Kursen nach oben gehen kann, können eben diese auch in den Keller rauschen. Und doch gibt es auch hierfür zahlreiche ETFs, die sich auf eine bestimmte Region beziehen (Bsp.: Euro Stoxx Daily Leveraged UCITS ETF) oder auf einen einzelnen Sektor (Bsp.: 2x Daily Long WTI Crude Oil oder 3x Long Wheat).
Mit einem ETF auf Sektoren wetten
Wer in einen ETF investiert, streut sein Geld breit - so lautet ein gängiger Mythos. Dabei gibt es etliche Indexfonds, die eine einzelne, teilweise winzig kleine Nischen-Branche abbilden. Der “VanEck Vectors Video Gaming and eSports UCITS ETF” zum Beispiel investiert in gerade mal 28 Unternehmen aus dem E-Sports-Bereich, der Medical Cannabis and Wellness Equity Index sogar nur in 13.
Währungswette per ETF
Quasi die Königsklasse unter den spekulativen ETFs bilden Fonds wie der “5x Long GBP Short EUR”. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine Währungswette (in diesem Fall auf einen steigenden Pfund gegenüber dem Euro) , sondern zugleich um ein fünffaches Hebel-Investment. Natürlich: Die Chancen sind auch hier riesig, sollte eine Währung tatsächlich plötzlich auf- (long) oder abgewertet werden (short). Umso schmerzvoller fallen entsprechend die Verluste auf. Solche Auf- und Abwertungen von nationalen Währungen finden immer wieder statt - häufig ohne Vorwarnung.
Investieren oder Zocken - das ist hier die Frage.
Ein ETF-Investment macht den Anleger nicht automatisch zu einem passiven Anleger. Zu groß ist die Auswahl an “Zocker-ETFs”, die einen einzelnen Sektor oder eine begrenzte Region abbilden - oder die stark gehebelt auf steigende oder gar fallende Kurse von Aktien, Anleihen oder Währungen setzen.
Wer mit dem Investieren beginnt, sollte sich genau überlegen, wie er oder sie anlegen möchte: Langfristig oder spekulativ? Steht hinter dem eigenen Investment ein festes Ziel (zum Beispiel die Altersvorsorge oder die finanzielle Freiheit), wird man (vermutlich) von der eigenen Anlagestrategie auch nicht so schnell ablassen.
Ein festes Ziel vor Augen dürfte auch die Wahrscheinlichkeit senken, dass man plötzlich zum Zocker wird, nur weil die bequemen Trading-Apps einem diese Optionen einfach zugänglich machen.
Von den mehr als 40.000 Zockerpapieren, Knock-Out-Zertifikaten, Optionsscheinen und Co., die zum Beispiel Trade Republic anbietet, können langfristige Anleger getrost ihre Finger lassen. Doch auch die knapp 300 verschiedenen ETFs wird der Otto-Normal-Investor nicht brauchen. Tatsächlich kommen rund 50 ETFs für die langfristige Anlage in Frage.
Und dennoch: Die Neo-Broker sprechen junge Erwachsene an, bauen Hürden und Ängste ab und könnten langfristig der Aktienkultur hierzulande zugute kommen. Umso wichtiger, dass sich vor allem Börsenneulinge eingehend mit der Materie beschäftigen, bevor sie ihr Erspartes einsetzen. Falls dich die Neobroker interessieren, schau dir doch mal an welche Erfahrungen die Finanzfluss Community mit Trade Republic bzw. dem Scalable Capital Broker sammeln konnten.
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Kommentare (2)
S
ShiCs
sagt am 20. Juli 2020
Mit einem ETF auf Sektoren wetten Is the only Problem with such ETFs that they are not diversified enough? How about if you are interested in one Sector and have good arguments/reasons to see it rise in the future, won’t you put may be 5-10% of your ETFs in that sector (Same as you get 70% MSCI world, 30% EM because it’s not represented enough in ACW). I guess it’s not very bad if you give a little more weight to a sector you are interested in and convinced about, while still keeping the buy and hold strategy with saving plans.
n
nidzo24
sagt am 17. Juli 2020
Eine Liste über diese rund 50 ETF’s in die es sich zu investieren lohnt wäre interessant 😉
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