Geldanlage? Och nö.
Leider läuft es im Leben so: Die lästigsten Dinge sind meistens auch die wichtigsten. Man kann sie eine Weile vor sich herschieben, doch tut man das, kommen sie Jahre später wie ein Bumerang zu einem zurück geschmettert. Eines dieser Themen ist die Altersvorsorge. Zumindest empfinden das etliche Menschen in Deutschland so – und können sich einfach nicht dazu aufraffen, sich um die eigenen Finanzen zu kümmern. Viele junge Leute haben „keinen Bock auf Finanzen“, konstatierte beispielsweise der Robo-Advisor Visualvest vor einigen Jahren. Bei einer Befragung von 1.000 Personen zwischen 18 und 27 Jahren durch das Marktforschungsinstitut YouGov hatten mehr als 30% zugegeben, „keine Lust“ auf das Thema zu haben und es deswegen nicht anzugehen.
Trägheit in finanziellen Angelegenheiten zieht sich durch alle Altersgruppen. Das bewies vor Kurzem eine Studie der Postbank, für die man knapp 2.000 Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland nach ihrem Sparverhalten befragte. Knapp ein Drittel derer, die angaben, Erspartes zu besitzen, parkten es unverzinst auf dem Girokonto oder verwahrten es als Bargeld. Mit anderen Worten: Sie verzichteten darauf, ihr Vermögen jedes Jahr um zwei, drei oder gar vier Prozent wachsen zu lassen. So viel zahlen einige Direktbanken inzwischen schließlich auf ein Tages- oder Festgeldkonto. Einigermaßen verblüffend ist auch die Loyalität mancher Kunden. Rund 12% der Befragten gaben an, ihrer Bank trotz lukrativer Konkurrenzangebote treu zu bleiben. Begründung: Gut 25% meinten, der Kontowechsel sei ihnen zu „lästig“.
Kein Geld, keine Zeit, keine Ahnung?
Bequemlichkeit ist ganz offensichtlich ein Renditekiller – zumindest, wenn es um die Guthabenzinsen auf Erspartes geht. Doch wie sieht es bei der Geldanlage aus? Hindert Trägheit die Menschen daran, ihr Geld in Aktien oder andere Vermögenswerte zu stecken?
Glaubt man einer Studie der Plattform Mintos in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Censuswide, hat das Zögern der Nicht-Investierten nichts mit Bequemlichkeit zu tun. In einer Befragung von 2023 gaben mehr als die Hälfte (53%) der Teilnehmer an, in keinerlei Finanzinstrumente zu investieren. Auf die Frage nach dem Warum nannten 52% „fehlende Mittel“ als Grund und 31% die „Angst, Geld zu verlieren“. Eine ähnliche Befragung hatte ein Jahr zuvor die Berliner Neobank N26 durchgeführt, allerdings ausschließlich unter ihrer weiblichen Kundschaft. Die Hälfte der Frauen, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Geld investiert hatten, nannten „Geldmangel“ als Grund für ihr Zögern, 40% „fehlende Kenntnisse“ und 24% „Risikoaversion“.
Finanzen so unbeliebt wie Arztbesuch
Spielt Bequemlichkeit also gar keine Rolle, wenn es ums Aufschieben des ersten Investments geht? Leider doch. Jeder vierte Deutsche, das ergab eine Untersuchung des Marktforschungsinstituts SINUS-Instituts 2018, schiebt das Thema Finanzen auf die lange Bank. Genauer: 27% der Befragten fiel es schwer, sich um ihre Geldanlage zu kümmern, 24% scheiterten regelmäßig daran, Geld fürs Alter zurückzulegen. Damit war das Thema „Finanzen und Altersvorsorge“ ähnlich unbeliebt wie Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt, die der Studie zufolge jeder Vierte regelmäßig verschleppte. Genauso viele scheiterten daran, weniger zu rauchen oder zu trinken. Nur zum Sport konnten sich noch weniger Menschen aufraffen, jeder Dritte ließ den guten Vorsatz alsbald wieder fallen.
Entgangene Zinsen oder Renditen sind nicht die einzige Art, wie wir uns den Vermögensaufbau vermiesen. Oft geben wir auch mehr aus, als wir eigentlich müssten, zum Beispiel: 5,5 Mrd. € zu viel für Strom. Das jedenfalls schätzt das Vergleichsportal Verivox. Statt zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln, verharre rund ein Viertel aller Verbraucher im sogenannten Grundversorgungstarif. In dem landet automatisch, wer sich nach Einzug in ein neues Zuhause nicht aktiv um einen neuen Anbieter bemüht. Die Bequemlichkeit hat ihren Preis: In der Regel kostet die Kilowattstunde über die Grundversorgung wesentlich mehr als bei anderen Anbietern.
Faulheit ist menschlich
Warum kommen wir gerade beim Thema Finanzen oft nicht aus dem Quark? Warum planen wir lieber den Wochenendurlaub, statt endlich ein Depot zu eröffnen oder das Bad zu putzen, statt nach einem neuen Festgeldkonto zu suchen? Kurz gesagt: Weil wir Menschen sind.
Unser Wesen ist darauf gepolt, stets den kürzesten und leichtesten Weg zu wählen, um möglichst viel Energie zu sparen. Ein Urinstinkt aus Zeiten, in denen jeden Moment ein Mammut vor einem stehen konnte. Das heißt auch: Erledigungen, die uns besonders komplex und mühevoll erscheinen, werden gern vernachlässigt. Und für die meisten Menschen sind Finanzen genau das: kompliziert, undurchsichtig, verwirrend. So gaben in der SINUS-Umfrage ganze 39% der Prokrastinierer an, die „eigentlich wichtigen Aufgaben“ aufzuschieben, weil sie diese schlicht für zu „anstrengend“ halten.
Gegenwart erscheint wichtiger
Erschwerend hinzu kommt: Wer sein Geld vermehren will, braucht Geduld. Je nach Sparsumme wird es Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis sich das eigene Vermögen merklich vermehrt hat. Und auch das hält viele Menschen davon ab, einfach anzufangen. Denn das menschliche Hirn interessiert vor allem das Hier und Jetzt. Die nahe Zukunft wird instinktiv höher bewertet als ferne Ereignisse, kleinere Belohnungen in der Gegenwart sind wichtiger als langfristige. Verhaltensforscher nennen das den sogenannten Present Bias, also eine Art Gegenwarts-Verzerrung. Statt uns um etwas so Abstraktes wie die Rente zu kümmern, die einem vielleicht in 30 oder 40 Jahren ins Haus stehen wird, machen wir uns lieber Gedanken darüber, wo wir am nächsten Tag essen gehen könnten.
Faulpelz-Strategien helfen nicht immer
Wie aber können wir uns selbst aus der Komfortzone heraus katapultieren? Im Netz wimmelt es nur so von Ratgebern, die sich an eher bequeme Investoren richten, einige Anlagestrategien wurden sogar extra für sie erschaffen: etwa die Faulbär-Strategie oder das Pantoffel-Portfolio der Stiftung Warentest. 2015 gab die Verbraucherorganisation das Buch „Geldanlage für Faule“ heraus. „Schneller und bequemer geht’s nicht!“, verspricht der Klappentext. Und: „Dieses Buch ist ein Wegweiser für alle, die keine Lust haben, viel Zeit in ihr Geld zu investieren“. Auch Automatisierungen aller Art, Daueraufträge und Sparpläne beispielsweise, werden gern als Hilfsmittel für Faule angepriesen.
Das Problem ist nur: Ein echter Faulpelz muss an diesem Punkt erst einmal ankommen. Voraussetzung dafür ist schließlich, dass man sich zumindest einmal aufgerafft, sich mit den Grundlagen auseinandergesetzt und bestenfalls bei einem Broker ein Depot eingerichtet hat. Doch wie gelingt das?
Nichtstun bringt (eigentlich) die beste Rendite
Statt sich ein schwammiges Ziel zu setzen wie „ich möchte später nicht in die Altersarmut rutschen“, könnte man sich die Zukunft möglichst konkret ausmalen. Sich zum Beispiel vorzustellen, wie man mit 70 auf der Terrasse sitzt, Kaffee trinkt und über das nächste Urlaubsziel nachgrübelt. Was möchte man in der Rente erleben, wie möchte man am liebsten wohnen? Dabei geht es weniger darum, das Leben akribisch durchzuplanen und mehr darum, Gefühle zu erzeugen, die das Sparziel greifbarer machen.
Vielleicht hilft es auch, sich klarzumachen, dass nach den ersten Bemühungen praktisch nichts mehr zu tun ist – und Faulpelze anschließend sogar im Vorteil sind. Das passive Investieren lebt schließlich davon, möglichst lange die Füße stillzuhalten und jahrzehntelang dabei zuzuschauen, wie sich das eigene Kapital vermehrt. Zumindest in der Vergangenheit brachte das Anlegern bislang noch immer die höchsten Erträge. Faulheit mag also ein Renditekiller sein. Doch richtig eingesetzt, kann sie sich langfristig auszahlen.
👌🏼
Kommentare (2)
A
Anonym
sagt am 21. Juli 2024
Bei mir ist es weniger die Faulheit als die Unkenntnis in der digitalen Welt. Das meiste geht doch nur noch online und da fühle ich mich nicht sicher, habe Angst von Viren u.a. Ich habe auch ein Online-Konto, fühle mich bei der Bedienung am PC aber oft überfodert, da m.E. die Seiten für den einfachen User wie mich, nicht übersichtlich gestaltet sind. Also schrecke ich davor zurück und belasse es so, wie es ist.
T
Toby
sagt am 14. Juni 2024
Guter Artikel, leider die wahre Realität, vielen Dank. Die meisten Menschen leben in ihrer Komfortzone und fühlen sich darin sehr wohl. Wenn mich Menschen fragen, was sie mit ihrem Geld machen soll, welches sie z.B. angespart haben oder wie sie Geld sparen können usw. und ich ihnen eine Beratung geben und kleine Beispiele zeigen, blocken sie gleich ab oder sind damit total überfordert. Eigentlich ist sparen bzw. anlegen überhaupt nicht schwer, alles einfache Dinge. Einmal erstellt oder laufen lassen, freut man sich über die nächsten Monate / Jahre über den Wachstum. Jeder der wirklich an seine Finanzen interessiert ist, sollte sich selber damit beschäftigen. Jemanden zu überreden etc. ist aus meiner Sicht Zwecklos. Wenn mich jemand fragt, so gebe ich gerne eine Beratung zu diesem Thema, weil mich die Finanzwelt sehr fasziniert, aber in die Umsetzung muss dann jeder selber 😉
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